top of page
AutorenbildJörg Zborowska

10-Pfennig-Schein der Lüderitzbuchter Zeitung


Wer sich mit den privaten Gutschein-Ausgaben aus der Zeit des Ersten Weltkriegs in Deutsch- Südwestafrika beschäftigt, hat ihn sicher schon einmal gesehen: Den 10-Pfennig-Gutschein der Lüderitzbuchter Zeitung Ges. m. b. H.

Die denkbar einfach gestalteten Gutscheine, so klein wie eine Briefmarke, gehören zu den wenigen privaten Ausgaben, die hin und wieder einmal im Handel auftauchen. Ich habe mir oft Gedanken zu den kleinen Scheinen gemacht.



Die meisten dieser Gutscheine sind dreiseitig gezähnt, manchmal kommen aber auch zweiseitig gezähnte Eckstücke vor. Diese Ausführung lässt darauf schließen, dass die Gutscheine ich Heftchen-Blätter gedruckt wurden. Eine auch von Briefmarken bekannte Ausgabeform.


Eine Frage, die ich mir immer wieder gestellt habe: Warum gab es nur eine Wertstufe zu

10 Pfennig? Für diesen Betrag konnte man in Lüderitzbucht nicht sonderlich viel erwerben, eine einfache Flasche Bier kostete bereits 1 Mark und selbst eine (Friedens-) Ausgabe der Lüderitzbuchter Zeitung musste mit 30 Pfennig bezahlt werden. Also warum diese kleine Wertstufe? An sich war die Wertstufe als Wechselgeld nichts Ungewöhnliches, auch andere Handelsunternehmen gaben Scheine über 10 Pfennig heraus, aber eben nicht ausschließlich, iImmer gab es auch höhere Wertstufen. Oft schaute ich mir die kleinen Scheine an und suchte nach einer Erklärung. Lange Zeit konnte ich keine finden. Bis 2015!



Bei einem Besuch in Lüderitz im heutige Namibia suchte ich, wie ich es immer versuche, Kontakt zum dortigen Heimatmuseum herzustellen. Aufgrund der knappen Besuchszeit im Urlaub nicht immer einfach, zudem hatte das Museum in Lüderitz keine Internetpräsenz.

Eine Vorankündigung war also nicht möglich. Bei meinem dreitägingen Aufenthalt in Lüderitz wohnte ich im Gästehaus der Familie Hälbich. Herr Hälbich entstammt aus einer Einwanderer-Familie die bereits 1863 als eine der Ersten aus Deutschland nach Südwest kamen.

Die Familie betrieb ein Handelshaus in Karibib, stellte dort einige Jahre den Bürgermeister und hatte auch sonst großen Einfluss im Schutzgebiet gehabt. Nach langen Gesprächen über seine Jugenderinnerungen, Herr Hälbich war zum Zeitpunkt meines Besuches bereits weit über 80 Jahre alt, wurde er auf meine Frage nach dem örtlichen Heimatmuseum zum Türöffner für mich. Ein Telefonat später hatte ich eine Besuchserlaubniss für das Archiv des Museums. Welches Glück das für mich bedeutete, erfuhr ich erst später.



Doch nun noch einmal zurück zur Lüderitzbuchter Zeitung. Die Zeitungsredaktion und wohl auch die Druckerei waren in der Schinzstraße 1 im damaligen Lüderitzbucht angesiedelt.

Die Zeitung wurde 1909 zur Wahrnehmung der Interessen der Diamanten-Gesellschaften

und Schürfer gegründet. Sie erschien jeden Freitag und kostete 30 Pfennig. Heute befindet sich in dem Gebäude ein Gesundheitszentrum mit verschiedenen Fachrichtungen.

Wir würden sagen ein Ärztehaus. Ansonsten scheint das Gebäude noch im ursprünglichen architektonischen Zustand zu sein.



Ich hatte mir vorgenommen, bei meinem Besuch im Archiv die Dokumente und insbesondere die Zeitungen, eben diese Lüderitzbuchter Zeitung aus der Schinzstraße, nach Hinweisen zu den bekannten Gutscheinen zu durchsuchen. Besonders interessant waren hier natürlich die Ausgaben aus den Kriegsjahren 1914 bis 1918. Erfahrungsgemäß waren Zeitungen für so etwas besonders erfolgversprechend, da sie das Tagesgeschehen in Wort und Bild festhielten. Als der Termin des Besuches näher rückte, machte ich mich auf zum Museum. Dort angekommen, wurde ich freundlich von der ehrenamtlichen Kuratorin Empfangen.

Man wies mir einen Stuhl und Tisch im ca. 25qm großen Archivraum zu. Eine kurze Einweisung, was wo zu finden war, und ich war alleine im Raum. Also begann ich gebundene Akten zu sichten und alles, was mir interessant erschien, wurde fotografiert, um es später genauer auf interessante Inhalte zu untersuchen. Die Zeit war knapp. Da das Museum nur halbtags geöffnet hatte und schon einige Zeit verstrichen war, blieben mir nur drei Stunden. Also ging es recht bald an die Ausgaben der Lüderitzer Zeitung. 1914, der fünfte Jahrgang der Zeitung war der erste, den ich unter die Lupe nahm. Ich muss schon sagen, es ist enorm spannend in alten Zeitungen zu lesen, man fühlt sich unmittelbar mit den Nöten, aber auch den Freuden, der Menschen jener Zeit verbunden. Langsam näherte ich mich mit meinen Recherchen den Zeitungsausgaben aus dem September 1914. Der Leser wird jetzt fragen: Warum ist der September 1914 so Interessant?


Lüderitzbucht lag im äußersten Südwesten von Südwestafrika, in unmittelbarer Nähe vom britischen Atlantikhafen Walfishbay. Es war naheliegend, dass die Südafrikanischen Unionstruppen mit Ausbruch des Ersten Weltkriegs von dort aus das Schutzgebiet angrreifen würden. Nach den ersten Schüssen in dem kleinen Grenzort Ramansdrift am Grenzfluss Oranje war Lüderitzbucht die erste Stadt, die im September 1914 von den Unionstruppen angegriffen und kurze Zeit später auch besetzt wurde. Das hatte natürlich Folgen für die zurückgebliebene deutsche Bevölkerung.


Alle Ausgaben der Lüderitzbuchter Zeitung waren oben links mit einem blauen Kopierstift durchnummeriert. Als ich zum Ausgabedatum 13.09.1914 kam, stand dort wieder eine 1!

Für die Zeitung begann an diesem Tag also eine neue Zeitrechnung. Die Zeitung nannte sich nun „Lüderitzbuchter Zeitung – Kriegsnachrichten des Reuter Büros“. Am spannendsten aber war: Der Preis betrug nun 10 Pfennig je Ausgabe! Nun wurde mir alles klar. Nach der südafrikanischen Besetzung von Lüderitzbucht erschien die Zeitung ab dem 13. September 1914 in einer täglich erscheinenden Kriegsausgabe. Der Informationsgehalt wurde nun weitgehend von den Besatzern bestimmt und bestand hauptsächlich aus Kriegsmeldungen des britischen Reuter-Büros. Durch den jetzt nur noch einseitigen Umfang der Zeitung, sank der Preis von 30 auf 10 Pfennig je Ausgabe. Genau der Wert eines der Gutscheine der Zeitung. Da durch die südafrikanische Besetzung der Kolonie der Münznachschub aus dem Deutschen Reich fehlte und die Besatzer nicht für ausreichenden Ersatz sorgen konnten, mangelte es in Lüderitz, wie im Rest des Schutzgebietes auch, an allen Ecken und Enden an Klein- und Wechselgeld. So kam es, dass die Lüderitzbuchter Zeitung zur Behebung des Mangels an Wechselgeld Heftchen mit 10 Pfennig Gutscheinen herausgab. Wie viele dieser Gutscheine in einem Heftchen waren, konnte ich bisher nicht klären. Auf jeden Fall konnte so durch den Erwerb eines Gutscheinheftchens für einen größeren Betrag der Einsatz von Kleingeld für den Zeitungskauf umgangen werden. Für je einen Gutschein gab es eine Ausgabe der Zeitung.

Das waren für mich natürlich höchst erfreuliche Erkenntnisse. Solche Geschichten sind es, die das Sammeln von Geldzeichen zu einer großen Befriedigung für mich machen. An einem späteren Punkt der Reise, in Swakopmund, kam es dann zu einer weiteren interessanten Geschichte. Doch davon berichte ich später …


Jörg Zborowska


Comments


bottom of page