Der Beitrag ergänzt den von Herrn Grabowski in "Münzen & Sammeln" (7/8-2022) und HIER im Geldscheinblog über „Die Deutsche Besetzung der Ukraine im Ersten Weltkrieg von März bis Dezember 1918“ und die in dieser Zeit ausgegebenen Geldscheine.
Abb. 1a: Ukrainische Volksrepublik, 100 Griwna 1918, Vorderseite.
Vorgestellt wird hier ein einzelner ausgewählter Schein – die "Staatliche Kreditnote der Ukrainischen Volksrepublik" zu 100 Griwna aus dem Jahr 1918 (Abb. 1a,b). Oben auf dem Schein steht der ausgebende Staat: УКРАЇНСЬКА НАРОДНЯ РЕСПУБЛІКА (Ukrainische Volksrepublik).
1 Griwna entspricht, so steht es auf dem unteren Rand des Scheins, 8,712 Doli reinen Goldes. Ein(e) Dolja ist ein altes russisches Gewicht zu 44 mg, der Goldgehalt beträgt damit die Hälfte des Wertes für den russischen Vorkriegsrubel bzw. den Karbowanez, wie er kurz zuvor in der Ukrainischen Volksrepublik eingeführt worden war. Wobei die Angabe eines Goldgehalts 1918, genau wie bei Rubel- und Mark-Scheinen, irreführend war. Seit Beginn des Ersten Weltkriegs waren keine Scheine mehr in Gold getauscht worden, weder in Russland noch in Deutschland.
Zuordnung im Katalog:
SCWPM # 22 / Dmitro Charitonow (Дмитро Харітонов): Ukrainian paper money (ukrain., engl.), Kiew 2005, # 23. Die Zuordnung für den abgebildeten Schein ist 22a bzw. 23a wegen des Serienbuchstaben A. Die Scheine der Serie Б (B) sind etwas größer und deutlich seltener.
Zur Vorgeschichte:
Nach der Proklamation der Ukrainischen Volksrepublik am 18. Juni 1917 beschloss die Zentral-Rada am 22. Dezember 1917, aus der Zweigstelle Kiew der Russischen Staatsbank die Ukrainische Staatsbank zu bilden sowie eine eigene Währung zu schaffen.
Der Ukrainische Karbowanez sollte diese Währung sein, der Goldgehalt war identisch mit dem des russischen Rubel Anfang des 20. Jahrhunderts. Die erste Banknote war ein 100-Karbowanez-Schein, ausgegeben auf Basis des Dekrets vom 19. Dezember 1917 und bereits am 5. Januar 2018 in den Verkehr gegeben.
Abb. 1b: Ukrainische Volksrepublik, 100 Griwna 1918, Rückseite.
Die vermehrte Fälschung der Karbowanez-Noten und weitere (auf der Internetseite der Nationalbank nicht genannte) politische Gründe führten zu der Entscheidung, anstelle des Karbowanez die neue Währung Griwna einzuführen. Das entsprechende Gesetz wurde von der Zentral-Rada am 1. März 1918 angenommen. Zwei Griwna waren gleichwertig einem Karbowanez. Banknoten zu 2, 10, 100, 500, 1000 und 2000 Griwna wurden in Auftrag gegeben, gedruckt und in den Umlauf gebracht. Die Gestaltung der letzten zwei Scheine wurde erst nach der Machtübernahme durch das Hetmanat im April 1918 fertiggestellt.
Die des 2-Griwna-Scheins stammt von Wassil Kritschewski, die folgenden drei sind durch Georgi Narbut gestaltet worden, der auch den ersten Schein in der Karbowanez-Währung, den zu 100 Karbowanez, entworfen hatte.
Unter dem Hetman (Kosaken-Heerführer) Skoropadski wurde der Karbowanez erneut zur Hauptwährung gemacht, während wenige Monate später das Direktorium unter Winnitschenko und Petljura die Ukrainische Volksrepublik wieder belebte und auch zur Griwna zurückkehrte.
Zurück zu unserem 100-Griwna-Schein. Die Vorderseite wird dominiert durch einen großen Kranz aus Blumen und Früchten. Links steht eine Frau mit einer Getreidegarbe, rechts ein Mann mit einem etwas merkwürdig gestalteten Hammer. Oberhalb des Kranzes befindet sich die schon genannte Staatsbezeichnung, im Kranz die Angabe „Staatlicher Kreditschein Einhundert Griwen“. Dazu kommen zwei Unterschriften und die Angabe „Jahr 1918“. Unter der Jahreszahl, sehr klein, steht „RD“ für die Reichsdruckerei in Berlin (Abb. 2).
Abb. 2: Detail mit „RD“.
An zentraler Stelle – aber nicht allzu sehr hervorgehoben – befindet sich als Unterdruck der Dreizack, das Wappen der Ukrainischen Volksrepublik. Wie auch auf der Rückseite sind die einzelnen Linien plastisch übereinander gelegt, der Dreizack sieht „geflochten“ aus, allerdings auf den beiden Seiten des Scheines unterschiedlich.
Die Rückseite wiederholt die Wertangabe in Ziffern und die Staatsangabe als Abkürzung „У.Н.Р.“. Zwei Säulen rahmen das Ganze ein, oben sind sie durch eine Girlande aus Blättern und Blüten verbunden. Eingearbeitet in die Girlande ist in der Mitte das Staatswappen in einem Kranz. Mittig auf dem Schein befindet sich ein Block mit dem „Kleingedruckten“.
Dieses enthält auf der Rückseite drei durch Arabesken getrennte Informationen:
„Die staatlichen Kreditscheine der Ukrainischen Volksrepublik sind abgesichert durch das gesamte Staatseigentum der Republik Die staatlichen Kreditscheine der Ukrainischen Volksrepublik sind gleichwertig zu goldener Münze An der Fälschung der staatlichen Kreditscheine Schuldige werden mit der Aberkennung der Rechte und mit Gefängnis bestraft.“
Dieses Kleingedruckte ist ähnlich dem auf den Scheinen des Zarenreichs, allerdings ist aus der Verbannung zur Zwangsarbeit eine Gefängnisstrafe geworden.
Abb. 3: Detail der Vorderseite.
Abb. 4: Detail der Rückseite.
Abb. 5: Detail mit Wasserzeichen.
Bestellt wurde der Schein durch die Ukrainische Volksrepublik mit Auftrag vom 24. März 1918. Die Auftragshöhe betrug 350.000 Stück, das entsprach 35% der bestellten Gesamtsumme. Die Lieferung der bestellten Scheine erfolgte im Oktober 1918, die Ausgabe begann am
17. Oktober 1918. Die ursprüngliche Regierung gab es nicht mehr, die Ukraine war jetzt ein Hetmanat.
Die beiden Detailabbildungen (Abb. 3 und 4) zeigen die Kürzel des Künstlers, der diesen und weitere Geldscheine dieser Zeit gestaltet hat. Auf der Vorderseite sind es lediglich die Initialen „Г. Н.“, auf der Rückseite der ausgeschriebene Familiennamen „Г. Нарбут“ und evtl. die Jahreszahl „18“. Georgi J. Narbut (Георгɪй Юрій Нарбут, bei Charitonov Georgy, auf der Webseite der Bank Heorhij) war der ukrainische Künstler/Grafiker, der nach Information der Bank den ersten Schein zu 100 Karbowanez entworfen hat und dann auch die Scheine zu 10, 100 und 500 Griwna.
Das Wasserzeichen besteht aus einem Muster, das man je nach Betrachtungsweise als Kreise mit Innenkreisen oder als Kombination von Kreuzen und Kreisen ansehen kann (s. Abb. 5).
Eng verbunden mit seiner Gestaltung des ersten Geldscheins der Ukrainischen Volksrepublik ist auch die Entwicklung des ukrainischen Wappens. Narbut nutzte alte ukrainische Ornamente und vor allem den Dreizack, das Familienemblem von Großfürst Wladimir.[1]
Auf der Suche nach geeigneten Symbolen für eine autonome bzw. von Russland unabhängige Ukraine stieß Narbut auf die Münzen der Kiewer Rus. Die Kiewer Rus hatte nur wenig mit der Ukraine 900 Jahre später zu tun. Aber diese Münzen waren Geld in der gleichen Region aus einer ruhmreichen Zeit, die prächtige Denkmäler hinterlassen hat.
Das reichte als Ausgangspunkt für die Gestaltung des ukrainischen Wappens. Auf der Seite der Bank heißt es „Das Symbol wurde interpretiert als Symbol ukrainischer Staatlichkeit seit Großfürst Wladimirs Zeiten, das war von tiefer patriotischer Bedeutung“.
Dieser Werdegang erscheint dem Autor logisch. Insbesondere bei der Suche nach Ideen für die Gestaltung des neuen Geldes landete man bei den Münzen, die unter Wladimir (Großfürst 978/80–1015) und Jaroslaw (Großfürst 1019–1054) geprägt worden waren. Geprägt wurden sie in Kiew und Nowgorod, namengebend für den damaligen Staat war aber Kiew, auch Hauptstadt der modernen Ukraine.
Abb. 6: Selbstdarstellung des Künstlers.
Georgi Narbut (25.2./9.3.1886 – 23.5.1920) wurde in Narbutovka auf dem Bauernhof einer verarmten adligen Familie mit litauischen Wurzeln geboren. Er erhielt eine künstlerische Grundausbildung. Während seines Studiums in St. Petersburg organisierte er Zeichenkurse und beschäftigte sich mit der Illustration beispielsweise von Märchen.
1910 arbeitete er drei Monate in München, bald danach wurde er in St. Petersburg Mitglied der Vereinigung "World of Art", 1916 wurde er in deren Vorstand gewählt. Im Laufe der Jahre arbeitete er für mehrere Zeitschriften. Nach der Februarrevolution wurde er Mitglied einer Sonderkonferenz für Kunst der Provisorischen Regierung. Bis 1917 war er überwiegend in St. Petersburg/Petrograd tätig, im Frühjahr für kurze Zeit und dann ab September 1917 in Kiew.
Ab 14. September war er Professor für Grafik, ab Dezember Rektor der neu gegründeten Ukrainischen Kunstakademie.
1919, nach Errichtung der Sowjetmacht, arbeitete er für die Verlage des Rates der Volkswirtschaft und des Allukrainischen Literaturkomitees, er gehörte zum Vorstand der neu geschaffenen Berufsvereinigung der Künstler.
Neben der Illustration zahlreicher Bücher mit Gedichten, Fabeln und Märchen sowie der Anfertigung von Zeichnungen für Satiremagazine zeichnete er die Wappen ukrainischer Adelsfamilien für ein „Kleinrussisches Wappenbuch“. Abb. 6 zeigt eine Selbstdarstellung des Künstlers im Scherenschnitt – und zwar beim Zeichnen. Nach seinem Umzug nach Kiew entwarf er Uniformen für den Hetman und sein Gefolge, Wappen und Siegel, die ersten Briefmarken und Geldscheine der Ukrainischen Volksrepublik und später des Ukrainischen Staats.[2]
Wikipedia-Beiträge zu Trisub (Dreizack) und Wassil Kritschewski[3] dagegen gehen davon aus, dass Kritschewski (12.1.1873 greg. – 15.11.1952), Architekt und Maler und 1917 einer der Gründer der Nationalen Akademie der Bildenden Künste und Architektur in Kiew, im Jahr 1918 von Michailo Gruschewski, dem ersten Präsidenten der UVR, den Auftrag erhielt, Staatssymbole für den neuen Staat zu entwerfen. Kritschewskis Entwurf eines Trisub sei am 22. März 1918 als offizielles Wappen genehmigt worden.[4]
Der Geldschein von 1918 ist verkleinert auf der Gedenkbanknote des Jahres 2018 abgebildet, gewidmet dem 100. Jahrestag der Erstausgabe des 100-Griwna-Scheins (Abb. 7).
Diese Gedenkbanknote hat die Maße 170 mm x 80 mm, die Abbildung des alten Scheins misst 110 mm x 72 mm, das sind 63% der Originalgröße. Deutlich ist auf dem Schein vermerkt, dass er nicht zum Bezahlen verwendet werden kann.
Abb. 7a,b: Gedenkbanknote 2018 auf 100 Jahre Ausgabe der ersten ukrainischen Geldscheine.
2006 wurde eine 2-Griwna-Gedenkmünze anlässlich des 120. Geburtstags von Narbut ausgegeben. Sie zeigt die beiden Figuren Landfrau und Arbeiter von der Banknote des Jahres 1918. Und 2008 kam ein Briefmarkenblock mit dem Porträt von Narbut und drei von ihm gestalteten Briefmarken in Umlauf (Abb. 8).
Abb. 8: Briefmarkenblock 2008 mit den Abbildungen von drei historischen Briefmarken sowie einem Porträt des Künstlers.
Zum Vornamen von Narbut: nicht nur in der Literatur werden verschiedene Vornamen genannt, er selbst hat auch mit unterschiedlichen Varianten seines Namens signiert: Georgij und Egor – beides sind allerdings Varianten des deutschen „Georg“.
Vor kurzem ist vom Autor ein umfangreicher Artikel unter der Überschrift „Wappen der Ukraine – Beispiele von Geldscheinen und Münzen“ erschienen, der sowohl die Entwicklung des Wappens 1917/1920 als auch desse Nutzung nach Erlangung der Unabhängigkeit 1992 sowie die Wurzeln des Wappens zur Zeit der Kiewer Rus betrachtet.[5]
Prof. Dr. Rainer Geike
Abb. 1–7: Autor, Abb. 8: Ausschnitt aus einer Darstellung der Familie in: Lukomskij: Narbut – sein Leben und seine Kunst. Berlin 1923, S. 7.
Anmerkungen [1] Webseite der Nationalbank (2016).
[2] G. I. Narbut - katalog vystavki proizvedenij G. I. Narbuta (G. I. Narbut – Katalog der Ausstellung der Kunstwerke von G. I. Narbut). Russisches Museum, Petersburg 1922; G. K. Lukomskij: Narbut - ego žizn' i iskusstvo (Narbut - sein Leben und seine Kunst). Berlin 1923; Platon Beleckij: Georgij Ivanovič Narbut. Leningrad 1985; Beiträge zu G. Narbut bei Wikipedia und Rupedia (2022).
[3] Wikipedia 2022.
[4] Heraldik-Wiki (Juli 2022).
[5] Rainer Geike: Wappen der Ukraine – Beispiele von Geldscheinen und Münzen. In: Der Herold, Vierteljahresschrift für Heraldik, Genealogie und verwandte Wissenschaften, Jg. 65, Heft 3-4/2022, S. 609-628.
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