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AutorenbildMichael H. Schöne

1000 Rubel Prämie für die 10-MDN-Banknote von 1964

Aktualisiert: 26. März 2021

Zehn Jahre nach der Oktoberrevolution in Russland wurde der Familie Shaworonkow im Dorf Afanasowo, knapp 30 Kilometer nördlich von Moskau, am 16. Dezember 1927 ein Mädchen geboren: Lidija Fjodorowa. Sie wuchs in ärmlichen Verhältnissen auf und niemand konnte damals schon ahnen, dass später ein Ergebnis ihrer Arbeit Millionen von Deutsche in einer sog. DDR in den Händen halten und damit bezahlen würden.

Der Zehnmark-Schein der Deutschen Notenbank von 1964, gedruckt in der staatlichen Wertpapierdruckerei MPF Goznak in Moskau, war eines ihrer vielen künstlerischen

Produkte.


10 Mark der Deutschen Notenbank 1964, Austauschnote, Vs.: Friedrich von Schiller.


Bis vor 30 Jahren [1] war nicht bekannt, wo die 1964er Banknoten der DDR gedruckt wurden; die Staatsbank der DDR antwortete auf eine Anfrage vom 14. April 1973

im Mai: "Die Nennung der Gestalter ist nicht üblich. Auch auf Ihre Frage nach den Kontroll-Buchstaben der z. Zt. umlaufenden Banknoten der DDR können wir Ihnen

keine Auskünfte erteilen." [2]


Selbst die DDR-Staatsbank wird seinerzeit nicht gewusst haben, dass die Graveurin der 10-MDN-Note für Ihre Arbeit bei Goznak 1000 Rubel als Belohnung erhielt.

Lidija Fjodorowa Majorowa – sie heirate 1954 den Künstler Anatoli Iwanowitsch Majorow – erinnerte sich: "Die Arbeit brachte vor allem Zufriedenheit und Freude. Es gab Belohnungen von der Fabrikleitung für eine gute Arbeit. Es war am üblichsten, ein Porträt in der Fabrik oder in einer Ehrenhalle aufzuhängen, um Arbeitserfolge zu zeigen. Dort ,hing‘ ich sehr oft und dreimal in der Fabrik. Es gab Bargeldprämien. Der größte Bonus für die Arbeit in Höhe von 1000 Rubel wurde mir für die Arbeit an Banknoten von 1961 gezahlt. Der Rest der Auszeichnungen betrug bis zu 200 Rubel." [3]


Bis dahin war es jedoch ein sehr weiter Weg. Nach dem Einmarsch deutscher Truppen in die Sowjetunion im Sommer 1941 kam die Wehrmacht im Dezember bis vier Kilometer vor ihr Heimatdorf. Da war sie gerade 14 Jahre alt und ging in die 7. Klasse. In ihren Memoiren erinnerte sie sich, dass das Leben hart und die Nahrungsmittel knapp waren und dass die Tinte, die sie in der Schule verwendete, im Winter gefroren war.


Zwei Jahre später gab es den wichtigen Moment in ihrem Leben, als sie einen Studienplatz in der von der Druckerei Goznak neu eingerichteten Lehranstalt SRU-35

in Moskau erhielt. Die Produktion des Staatsbetriebes wurde noch vor der Doppelschlacht von Wjasma und Brjansk und der folgenden sog. „Moskauer Panik“ auf

Befehl Stalins ins Uralvorland ausgelagert. Ab dem 21. August 1941 wurden sämtliche Maschinen und Anlagen sowie Hunderte Fachleute nach Krasnokamsk gebracht

und auf dem Gelände der dortigen Papierfabrik neu zu beginnen.


Lidija F. (Shaworonkowa) Majorowa, Graveurin bei Goznak von 1943 bis 1983.


1943 suchte Goznak nach geeigneten jungen Leuten, die als Graveure für die Zukunft ausgebildet werden sollten. Viele Beschäftigte waren zur Roten Armee eingezogen worden und es war fraglich, wie viele davon wieder unversehrt zurück kommen würden. So begann Lidija F. Shaworonkowa ihre Lehrjahre – ohne künstlerische Vorbildung, aber mit Talent.

Für sie war es der „Eintritt in den Himmel“. Sie bekam neue Kleider und erhielt zweimal am Tag zu essen, was sich wie Luxus anfühlte. Trotz des Kriegs hatte die Bildungseinrichtung einen hohen Standard. Die Behörden erkannten die Bedeutung des Kollegs und stellten sicher, dass es an nichts mangelte.


SRU-35 wurde 1946 geschlossen und sie wurde Studentin der Moskauer Technischen Sonderschule des Finanzministeriums der UdSSR. Nach dem fünfjährigem Studium

legte sie ihre Diplomarbeit vor: „Davids Kopf“, ein klassischer Kupferstich.

Iwan Iwanowitsch Dubasow, leitender Graveur bei Goznak, bewertete diese Arbeit mit

einer Fünf-minus (in Deutschland: 1–), da er fand, dass Davids Hals nicht hundertprozentig gelungen war.


Nach ihrem Abschluss im Jahr 1948 begann sie als Graveurin bei Goznak in der Werkstatt Nr. 63 unter der Leitung Dubasovs zu arbeiten, wo sie bis zu ihrer Pensionierung 1983 angestellt war.


Anfang der 1960-er Jahre erhielt sie den Auftrag, für die spätere 1964er Banknoten-Serie das Porträt Friedrich v. Schiller zu gravieren; das Ergebnis ist bekannt.


Neben den mehr als 80 Briefmarken für die sowjetische Post schuf sie die Sujets zu den 5- und 10-Rubel-Noten von 1961 (5 R. = Spasski-Kreml-Turm/10 R. = Lenin) und auch Banknoten für Bulgarien oder Afghanistan.


"Seit fast einem halben Jahrhundert habe ich niemandem erzählt, welches andere Geld ich geschaffen habe. Seit dem Interview des Goznak-Generaldirektors, Arkady Trachuk, mit der Zeitschrift ,Profile‘ wurde bekannt: Vor zwanzig Jahren druckte Goznak nicht nur Geld für die UdSSR, sondern auch für Vietnam, Korea, China, Laos, Kambodscha und andere Länder des sozialistischen Lagers ... Bis 1989 wurden die Banknoten Iraks von Goznak hergestellt. Dann wollte der Irak selber Geld drucken, aber die Qualität hielt der Kritik nicht stand. Jetzt haben die Amerikaner die Herstellung des Dinars aufgenommen. Ähnliches geschah in Afghanistan, dessen Geld bis Ende der achtziger Jahre von Goznak gedruckt wurde. Jetzt macht es Giesecke & Devrient."

5 Rubel 1961, Sowjetunion, Gravur: L. F. Majorowa.


10 Rublel 1961, Sowjetunion, Gravur: L. F. Majorowa.


1 Lew 1962, Bulgarien, Gravur: L. F. Majorowa, Nachdruck 1974.


100 Afghanis 1979 (SH 1358), Afghanistan, Gravur: L. F. Majorowa.


1000 Afghanis 1991 (SH 1370), Afghanistan, Gravur: L. F. Majorowa.


25 Dinars 1986 (AH 1406), Irak, Druck: MPF Goznak.


Frau Majorowa beklagte während ihrer Anstellung bei Goznak:


"... dass Banknoten anderer Länder oft ein Graveurzeichen tragen. Dies kann der vollständige oder abgekürzte Name des Graveurs unter der Zeichnung sein, Buchstaben, deren Größe kaum wahrnehmbar sind. Abkürzungen oder ein Symbol – ein geheimes Zeichen. Wir bei Goznak haben dies zu Sowjetzeiten nicht akzeptiert, obwohl der frühere Werkstattleiter P. Ljuledshan dieses Problem ansprach. Dann begründeten man, dass die Gestaltung von Banknoten die Frucht kollektiver Arbeit sei. Also habe ich keine Spuren auf meinen Arbeiten hinterlassen."

Ihr großes künstlerisches Vorbild war der deutsche Lithograf, Landschaftsmaler und Zeichner Gustav Frank (1819–1888). Sie starb am Silvestertag 2008.


Schautafel mit Arbeiten von Lidija Majorowa auf ihrem Stand bei der "PostCard Expo 2008", 21.–27. Januar 2008: "Veteranen-Künstler von Goznak".


Lidija Fjodorowa Majorowa beim Signieren der von ihr geschaffenen 10-Rubel-Note auf der »PostCard Expo 2008« in Moskau.


Schautafel auf der »PostCard Expo 2008« in Moskau, mit Banknoten, die bei Goznak gedruckt wurden.


Schon ab Februar 2009 organisierte Galina A. Anisimova, die Tochter von Lidija Majorowa und damals Zeichenlehrerin an einer Moskauer Schule, Ausstellungen mit

Arbeiten, die bei Goznak entstanden. Auch in Deutschland: Die Vernissage „Verborgene Künstler“ fand vom 5. bis 29. Juni 2012 im Russischen Haus der Wissenschaft

und Kultur in Berlin statt. Veranstaltungen gab es auch beim Deutsch-Russischen Kulturinstitut e. V. in Dresden oder bei der Berliner Philatelisten-Gesellschaft.

Logischerweise müssten die vier anderen Banknoten der Serie der Deutschen Notenbank von 1964 ebenfalls aus dem Goznak-Atelier stammen; wer sie geschaffen hat, ist bis heute unbekannt. Eine Antwort aus Moskau steht bis heute aus. [4]


Berlin, Tresorraum der Staatsbank am 23. April 1990.

Die Staatsbank hatte begonnen, aus den zentralen Tressor-Anlagen im Hause der Parlamentarier (dem ehemaligen ZK-Gebäude, früher Reichsbank) eingelagerte Banknoten planmäßig auszusondern. Es handelte sich dabei um Geldscheine, die aus dem Verkehr gezogen und nicht mehr umlauffähig waren. Die Banknoten wurden in einem außerhalb Berlins befindlichen Objekt vernichtet. Die Transporte im Umfang von Hunderten Tonnen erfolgten mit Technik der NVA unter polizeilichem Schutz.

(Bundesarchiv, Bild 183-1990-0423-035 / CC-BY-SA 3.0; Foto: Gabriele Senft, ADN)


Michael H. Schöne


Anmerkungen:

[1] „Das Papiergeld im anderen Teil Deutschlands“ in „Der Geldscheinsammler“

Heft 5/1990

[2] Antwortschreiben der Staatsbank der DDR vom 23. Mai 1973 an den

Verfasser

[3] www.simvolika.org („Geheime sowjetische Künstler“)

[4] Anfrage an Goznak vom 7. September 2020:

Запрос в ваш архив: Лидия Фёдорова Майорова 1943-1983 гг.


Quellen:

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