Das Abliegen von Druckfarbe und der sog. Abklatsch auf Geldscheinen sind gewissermaßen Kinder aus einer Familie: Fehldrucke. Albert Pick schrieb in seinem Lexikon1) darüber: „Abklatsch, nochmaliger richtigstehender oder spiegelverkehrter Abdruck auf der gleichen oder auf der Rückseite, oft nur als abgeschwächter Druck erscheinend. Entsteht durch Übertrag des Druckes auf den Druckzylinder bei aussetzender Papierzufuhr oder durch Abdruck der frisch gedruckten Bogen beim Aufeinanderliegen.“
Und Arnold Keller beschreibt solche Makulatur-Scheine in der Anmerkung „Druckunregelmäßigkeiten“ in einem seiner Kataloge2) „Ein anderer, nicht seltener, Fehler ist der Abklatsch des Drucks ... Als Ursache ist anzunehmen, dass die Maschine einmal leer lief (ohne eingelegten Druckbogen) und dadurch die Farbe der Vorderseitenplatte ... übertragen wurde.“ Der Begriff „Makulatur“ stammt aus dem Lateinischen („maculatura“ – „beflecktes Ding“ – von „macula“ = „Fleck“) und meint nutzlos gewordenes, in der Regel schon bedrucktes Papier.
Abb. 1: 5 Millionen Mark 20. August 1923, Rs. mit Abklatsch des Schwarzdrucks der Vorderseite auf dem einseitig gedruckten Schein (Firmendruck, KN: V 13 i 017486)
Abb. 2: 100 Mark 1944, Rs. mit abgelegener Farbe des Vorderseitendrucks (Druck: Goznak in Kramatorsk, KN: –54 589854)
Abb. 3: 50 D-Mark 1. Juni 1977, Vs. mit Abklatsch der Rückseite auf der Vorderseite
(Druck: Bundesdruckerei Berlin)
Nochmals A. Keller: „... Es könnte auch sein dass Farbe zu stark aufgetragen wurde und dadurch zu langsam trocknete ...“. Dann spricht man jedoch vom „Abliegen“. Besonders im früheren Buchdruck, aber auch im Offset gedruckte Geldscheine waren davon durch zu starkes Farbauftragen betroffen – weniger die im hochwertigeren Stichtiefdruck heute hergestellten Banknoten.
Alle diese Bezeichnungen sind bei Sammlern negativ besetzt. Bei einem Kriminalfall vor über 150 Jahren erwies sich so ein Abliegen jedoch als „Kommissar Zufall“: Unter der Überschrift „Verrath.“ schrieb A. Henze3) über einen Münzen-Diebstahl von 1867:
Abb. 4: „Illustrirter Anzeiger“, Titelseite vom 1. September 1870
„Dem Kaufmann J. W. Heise in Neuhof waren 700 Thaler gestohlen worden. Alle Nachforschungen nach dem Diebe waren erfolglos und ergaben nicht einmal Spuren zu dessen Entdeckung.
Unter den gestohlenen Geldern befanden sich drei Goldmünzen, welche für den Bestohlenen theure Andenken waren und über deren Verlust er sich lange nicht beruhigen konnte.
Es war bereits ein Jahr verflossen – der Dieb war aber noch nicht entdeckt.
Auch Heise fing an, nach und nach den Verlust zu vergessen. Nur jene Andenken von seiner Mutter konnte er nicht verschmerzen. Er wolle gerne, äusserte er sich oftmals, die 700 Thaler einbüssen, wenn er nur die drei Goldstücke wieder erhalten könne.
Diese Resignation sowohl als auch der Hintergedanke, dass er durch irgend eine Kundgebung von Seiten des Diebes, vielleicht durch die Handschrift, dem Thäter auf die Spur kommen könne, veranlasste ihn denn auch, eines Tage in den dortigen Local-Blättern folgende Annonce abdrucken zu lassen:
,Ich gebe hiermit dem Besitzer derjenigen 700 Thaler, welche mir derselbe am 7. Decbr. 1867 entwendet hat, die Versicherung, dass ich ihm diese Summe, wenn es nun einmal nicht anders sein kann, schenken will. Aber um Eins möchte ich ihn bitten, nämlich um die Gefälligkeit, mir wenigstens zu schreiben, ob und wie ich jene drei Goldstücke, welche in einem besonderen Etuis mit der Aufschrift: »Andenken von meiner Mutter« befindlich waren, wieder erhalten kann. Neuhof, a. 1. Decbr. 1868 H. W. Heise‘
Drei Tage später erhielt Heise untenstehenden Brief. Dieser Briefinhalt war nicht geschrieben, sondern, da sich der schlaue Autor des Briefes nicht durch die Handschrift verrathen wollte, aus gedruckten Buchstaben, die aus irgendeinem gedruckten Blatte herausgeschnitten waren, zusammengestellt. Ich lasse ein Facsimile von diesem Brief folgen:
Abb. 5: „Illustrirter Anzeiger“, Beilage 5, Seite 37
Die auf einem Couvert befindliche Adresse zu diesem Brief sah so aus:
Abb. 6: „Illustrirter Anzeiger“, Beilage 5, Seite 38
So hatte denn der schlaue Briefschreiber wirklich die grösste Vorsicht gebraucht, um sich nicht durch die Schrift zu verrathen.
Aber der Mensch denkt und Gott lenkt!
Obgleich eigentlich keine Handschrift vorhanden war, wandte sich doch Heise, den das frivole Raffinement des Briefschreibers gar zu sehr ärgerte, persönlich an einen bekannten Schriftvergleicher mit der Anfrage, ob man vielleicht aus der aufgeklebten Druckschrift auf den Urheber schliessen könne.
,Nein, eine aufgeklebte Druckschrift bietet auch gar keine Anhaltepunkte zur Entdeckung des Urhebers. Ich kann Ihnen wohl sagen, welcher Stempelschneider die Schrift geschnitten, auch vielleicht, in welcher Schriftgiesserei die Lettern gegossen sind, nicht aber, wer diese Buchstaben aus irgendeinem Druckwerke herausgeschnitten hat. ... Erlauben Sie mir aber, dass ich mir den Brief und die Adresse etwas genauer ansehe. ...‘
Der Sachverständige wurde plötzlich nachdenklich und aufmerksam ... seine Mienen drückten eine freudige Ueberraschung aus ... offenbar beschäftigte ihn eine Entdeckung, welche ihn wegen ihrer Neuheit in Erstaunen versetzte ... er besah die Adresse nach allen Seiten, um für diese neue Erscheinung die aufklärenden Gründe zu finden ...
,Kennen Sie vielleicht‘, unterbrach der Sachverständige die Stille, ,einen Herrn Vahle in Hof?‘ ,Ich kenne ihn nicht persönlich, wohl aber hat mir mein Freund, der Kaufmann Ahlemann, von einem Herrn Vahle oft erzählt. Ahlemann und Vahle stehen im geschäftlichen Verkehr und bezieht Ersterer von Letzterem Waaren. Erlauben Sie mir aber die Frage, wie Sie bei dieser Schriftvergleichung auf Vahle kommen?‘
Der Schriftvergleicher umging absichtlich die Antwort auf die Frage und fuhr fort:
,Ich glaube Ihrem Diebe auf der Spur zu sein, wünschen Sie, dass ich diese Spur weiter verfolge?‘
,Ich bitte sogar darum!‘
,Dann müssen Sie mir aber versprechen, unsere heutige Besprechung geheim zu halten, selbst Ihrem Freunde Ahlemann gegenüber.‘
,Ich verspreche Ihnen das.‘
Herr Heise hatte kaum das Zimmer verlassen, als der Sachverständige schon dem Bahnhof zueilte, um mit dem nächsten Zuge nach Hof zu fahren.
In Hof erkundigte sich der Sachverständige zuerst an competenter Stelle nach Vahle.
Herr Vahle wurde als ein ehrenwerther und reicher Mann geschildert, welcher die allgemeine Achtung seiner Mitbürger genoss.
Zehn Minuten später stellte sich der Sachverständige Herrn Vahle vor.
,Herr Vahle, Sie stehen mit Herrn Ahlemann in Neuhof in Geschäftsverbindung?‘
,Ja, derselbe bezieht von Zeit zu Zeit von mir Waaren.‘
,Haben Sie von demselben am 4. d. M. einen Brief erhalten?‘
,Ahlemann hat allerdings vor ein paar Tagen an mich geschrieben, wohl möglich, dass es am 4. d. M. war. Der Brief enthält übrigens gleichgiltige Nachrichten und kann ich Ihnen denselben vorlegen.‘
,Der Brief selbst hat für mich kein Interesse, ich bitte nur um die Adresse.‘
Der Fabrikant legte den Brief nebst Adresse vor. Derselbe war wirklich vom 4. d. M. datirt.
Abb. 7: „Illustrirter Anzeiger“, Beilage 5, Seite 39
Des Sachverständigen prüfender Blick sprach sofort die höchste Ueberraschung aus, eine Ueberraschung, die weniger Erstaunen als freudiges Zutreffen anzeigte.
,Erlauben Sie mir, dass ich mir von dieser Adresse eine Copie machen darf?‘
,Recht gern!‘
Nachdem nun noch der Sachverständige mit der dortigen Staatsanwaltschaft diejenigen Massregeln, welche in solchen Fällen die Vorsicht empfiehlt, besprochen, reiste er nach Neuhof zurück.
Einige Stunden später trat auch der bereits mittels Telegramm gerufene Bestohlene bei dem Sachverständigen ein.
,Herr Heise, ich komme eben aus Hof von Herrn Vahle und habe Ihnen wichtige und erfreuliche Mittheilungen zu machen. Zunächst muss ich vorausschicken, dass ich in Hof war, um von dem Fabrikanten Vahle zu erfahren, ob er an demselben Tage, an welchem bei Ihnen der anonyme Brief einging, auch einen Brief aus Neuhof empfangen, und, wenn dies der Fall, von dem Äusseren der Adresse zu diesem Brief Einsicht zu nehmen. Vahle bestätigte, dass er allerdings von demselben einen Brief aus Neuhof erhalten habe. Der Absender und Schreiber dieses Briefes, den mir Herr Vahle vorlegte, ist der Ihnen bekannte Kaufmann Ahlemann von Neuhof.
Nun zur Aufklärung meiner Reise und der Sache selbst. Als ich die Reise auf dem Ihnen zugegangenen anonymen ohne Zweifel von dem Diebe ausgegangenen Brief ansah, bemerkte ich auf der linken Seite den Abklatsch einer noch nass gewesenen Schrift. Es war mir als erfahrener Schriftkenner sofort klar, dass diese verkehrte Schrift, die aussah, als ob zufällig auf der Post oder sonstwie Tinten-Verwischungen vorgekommen, nur dadurch entstanden sein konnte, dass eine eben geschriebene Adresse noch frisch und noch mit nasser Tinte auf den bereits fertigen an Sie gerichteten Brief aufgelegt worden war. Diese verkehrte Schrift konnte nur von derselben Person herrühren, welche den an Sie gerichteten Brief zusammengesetzt hatte. Bitte, halten Sie einmal den verkehrten Schriftabklatsch vor einen Spiegel! Nicht wahr, Sie lesen ganz deutlich:
Vahle
Hof.
Nun lag mir daran, zu wissen, ob dieser Herr Vahle an jenem Tage einen Brief erhalten und von wem er ihn erhalten, und dann, ob jene Adresse mit dem auf Ihrem Briefe ersichtlichen verkehrten Schriftabklatsche identisch war.
Ich kann Ihnen nun auf Grund der von mir angestellten sorgfältigen Untersuchungen die Versicherung geben, dass der auf Ihrem Briefe befindliche verkehrte Schriftabklatsch mit grösster Bestimmtheit von der Adresse, welche mir Herr Vahle vorlegte, herrührt. Da nun aber ebenso bestimmt feststeht, dass der Kaufmann Ahlemann den an Vahle gerichteten Brief nebst Adresse geschrieben hat, so ist auch mit Bestimmtheit anzunehmen, dass auch der an Sie übersandte aus Druckschrift bestehende Brief von Ahlemann ausgeht. Und hieraus folgt nun wieder, dass wir bei Ahlemann die Ihnen gestohlenen 700 Thaler zu suchen haben und hoffentlich bald finden werden.
Und nun gehen Sie sofort zur Staatsanwaltschaft und tragen derselben unter Bezugnahme auf meine Mittheilungen den ganzen Sachverhalt vor.‘
Fünf Monate später sass der Kaufmann Ahlemann aus Neuhof auf der Bank der Angeklagten. Die Geschworenen sprachen das Schuldig aus und der Gerichtshof verurtheilte ihn zu 2 Jahren Zuchthaus. Die gestohlenen 700 Thaler wurden bis auf 150 Thaler bei ihm noch vorgefunden.“
Abb. 8: 5 Thaler 1746, unter Markgraf Friedrich III. geprägt
Abb. 9: Vereinstaler 1766, unter Markgraf Friedrich Christian geprägt
Abb. 10: 1 Thaler 1802, unter König Friedrich Wilhelm III. geprägt
Wir wissen leider nicht, welche Talermünzen seinerzeit gestohlen wurden – und ob vielleicht auch Talerscheine zum Diebesgut gehörten. Da es sich nachweislich aber um Taler handelte, könnten es frühere brandenburgisch/preußische Ausgaben gewesen sein.
Die Stadt Hof gehörte bis 1792 zum Fürstentum Bayreuth (auch als Markgraftum Brandenburg-Bayreuth bezeichnet) – im selben Jahr dann zum Königreich Preußen. Die Stadt wurde 1806 von französischen Truppen besetzt und vier Jahre später durch den Verkauf des Fürstentums Bayreuth mit der Stadt Hof an das Königreich Bayern verkauft. Dort bezahlte man jedoch mit Gulden.
Michael H. Schöne
Anmerkungen
Pick, Albert: Papiergeld Lexikon, München 1978; ebenfalls zitiert bei geldscheine-online.com, Newsletter vom 18. November 2019
Keller, Dr. Arnold: Das Papiergeld des Deutschen Reiches 1874–1945, Westberlin 1956
Henze, Adolf: Illustrirter Anzeiger über gefälschtes Papiergeld und unächte Münzen, Nr. 5, Leipzig 1870
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