Nur noch die älteren Sammler werden sich an Walter Spahrbier erinnern, den Geldbriefträger, der in den 1960er und 1970er Jahren in verschiedenen Fernsehshows, wie „Vergissmeinnicht“, „Drei mal Neun“ oder „Der große Preis“ als Überbringer der Gewinne mitwirkte. Noch vor vierzig Jahren war es keineswegs ungewöhnlich, dass der Geldbote – so die offizielle Bezeichnung der Deutschen Bundespost – Bares, meist die Rente, das Geburtstagsgeschenk der Patentante, einen Gewinn aus einem Preisausschreiben oder Leistungen einer Versicherung, ins Haus brachte. Mehr als ein Jahrhundert war dies der übliche Weg des Geldtransfers.
Obwohl die 1875 gegründete Reichsbank Personen und Unternehmen die Möglichkeit der Eröffnung eines Girokontos bot, blieb seine Nutzung wegen des hohen Mindestguthabens von 1000 Mark großen Unternehmen und wohlhabenden Bürgern vorbehalten. So verfügten in Deutschland Anfang des 20. Jahrhunderts nur die wenigsten Firmen und Haushalte über ein Girokonto. Rechnungen wurden üblicherweise bar bezahlt. Zahlungen an auswärtige Gläubiger erfolgten häufig mittels Postanweisung, die am 1. Januar 1865 in Preußen eingeführt wurde.
Der Schuldner oder Wohltäter zahlte bei einem Postamt einen bestimmten Betrag bar ein, der dann dem Empfangsberechtigten nach wenigen Tagen von einem besonderen Geldbriefträger an der Haustür bar ausgezahlt wurde. Dazu musste der Auftraggeber das Postanweisungs-Formular ausfüllen, das aus drei Teilen bestand: Der linke Abschnitt wurde vom Auszahlungspostamt dem Geldempfänger ausgehändigt. Aus ihm war der Betrag, das Einzahlungsdatums, der Absender sowie ggf. der Verwendungszweck ersichtlich. Der mittlere Abschnitt verblieb beim Auszahlungspostamt. Er enthielt die Absender- und Empfängeranschrift, den Betrag in Ziffern und Buchstaben sowie Platz für die Briefmarke, mit dem die Gebühren bezahlt wurden. Auf der Rückseite hatte der Zahlungsempfänger den Empfang zu quittieren. Der rechte Abschnitt, der Einlieferungsschein, wurde vom Einlieferungspostamt gestempelt und diente dem Zahlenden als Nachweis der Zahlung. Das eingezahlte Geld blieb beim Einlieferungspostamt. Nur das Formular wurde mit der Briefpost an das Empfangspostamt gesandt, von dem dann die Auszahlung veranlasst wurde.
Da sich ab Ende der 1950er Jahre die bargeldlose Lohn- und Gehaltszahlung immer mehr durchsetzte, nahm die Zahl der Bankkonten-Inhaber stetig zu und die Postanweisung verlor kontinuierlich an Bedeutung, sodass die Deutsche Post AG im April 2002 diese Leistung einstellte.
Allerdings waren Zahlungen mit der Postanweisung nur bis zu einem bestimmten Höchstbetrag möglich, der im Kaiserreich beispielsweise 1500 Mark betrug. Bei höheren Beträgen nutze der Zahlende den Geldbrief, auf dessen Umschlag der im Brief enthaltene Betrag angegeben wurde.
Am 4. April 1908 gab die Siemens & Halske AG in Berlin den abgebildeten Geldbrief an Franz Grimm in Weimar auf. Am oberen Rand des Umschlags der Vermerk: „Inliegend Mk. 2729,75“. Wie aus dem erhaltenen Begleitschreiben ersichtlich ist, diente das Geld zur Begleichung einer Rechnung vom 27. März 1908.
Auch heute noch gilt bei Wertbriefen: Um den Inhalt nicht ohne erkennbare Beschädigung aus dem Brief entnehmen zu können, müssen die Briefumschläge aus einem Stück bestehen und an den Verschlussstellen versiegelt werden. Anfangs mussten die Briefe mit Geld offen zur Post gebracht werden. Der Postbeamte stellte den Wert fest und versiegelte den Brief.
Während des Ersten Weltkriegs nahm der Banknotenumlauf rasch zu, sodass es für die Reichsbank immer schwieriger wurde ausreichende Zahlungsmittel bereitzustellen und die gesetzlich vorgeschriebene Notendeckung zu gewährleisten. Daher baute sie ihr Gironetz aus und propagierte 1916 in Werbekampagnen den bargeldlosen Zahlungsverkehr. Das Vorhaben wurde von den Banken, Sparkassen, Gemeinde- und Girokassen sowie Genossenschaften dadurch unterstützt, dass diese Gebühren fallen ließen oder ermäßigten, um die bargeldlose Zahlungsweise für die Interessenten wirtschaftlicher zu machen. Am 2. Mai 1918 richtete die Reichsbank sogar eine Zentralstelle zur Förderung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs ein. Die Werbung hatte Erfolg. In den ersten Nachkriegsjahren gelang es beispielsweise in Sachsen, über 90 % der erwerbstätigen Bevölkerung zur Eröffnung von Konten zu veranlassen. [1]
„Später, als die Entwertung der Mark immer weiter fortschritt, verlor die bargeldlose Zahlungsweise ihre Grundlage. Die Unterhaltung eines Bank- oder Postscheckguthabens war gleichbedeutend mit Kapitalverlust, wenn es sich nicht nur um Durchgangsgelder handelte, über die täglich restlos verfügt wurde. Giroüberweisungen und Schecks wurden unbrauchbar, da die Verzögerung an der Gutschrift nur um wenige Tage für den Betroffenen einen erheblichen Vermögensverlust bedeutete.“ [2]
Da es den Postämtern während der Hochinflation häufig an Barmitteln fehlte, kam es bei der Auszahlung von Postanweisungen oft zu erheblichen Verzögerungen, sodass viele Schuldner wieder auf den „alten“ Geldbrief zurückgriffen. Der Vermerk auf dem zweiten hier vorgestellten Geldbrief lautet „Wert: 10.632.160.000.000 M.“ wörtlich: zehntausendsechshundertzweiunddreißig Milliarden 160 Millionen“. Wie es scheint, war dem Absender der Begriff „Billion“ noch nicht geläufig. Der Brief wurde am 23.11.23 in Siegen aufgegeben und erreichte Oberkaufungen bei Cassel am 24.11.23. Die Reichspost verlangte für den Brieftransport 260 Milliarden 640 Millionen Mark.
[1] Vgl. Die Reichsbank 1901 – 1925, S. 73 f.
[2] Ebenda, S. 74.
Text und Abb. Uwe Bronnert
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