Es ist kein Geheimnis, dass seit der Euro in der Finanzkrise 2008 zu wackeln begann und die Null-Zins-Politik zum Alltag wurde immer mehr Anleger nach alternativen Anlageformen suchen. Der Goldpreis ist seither stark gestiegen und die Immobilienpreise sind explodiert, aber Anleger haben längst auch historische Münzen und Geldscheine als sichere Anlageobjekte entdeckt. Davon profitieren nicht zuletzt auch Grading-Firmen, die Sammelobjekte und deren Echtheit bestimmen, diese bewerten und versiegeln. Zeitgleich werden auf Auktionen immer neue Rekord-Ergebnisse zugeschlagen, die vor Jahren kaum denkbar waren. Siehe hierzu unseren Beitrag zu Rekord-Auktionsergebnissen in den USA.
Nicht jeder aber kann sich seltene und teuere Stücke leisten. Das war früher so und ist heute nicht anders. Der Unterschied besteht nur darin, dass die Schere zwischen den Preisen für Massenware und denen für Raritäten immer weiter auseinandergegangen ist. Lohnt es sich also überhaupt, preiswertere Geldscheine zu kaufen, oder ist deren Wert auch gestiegen, wenn auch nicht proportional zu den Raritäten?
Lassen Sie uns in diesem Beitrag interessante Vergleiche anstellen. Nachstehend findet sich eine Händleranzeige "Der Sammlerwert der Reichsbanknoten" der Geldscheinhandlung von E. Schuster Nürnberg aus der Mitte des Jahres 1935, die uns unser Leser Carsten Kattau zugesandt hat. Vielen Dank dafür!
Nehmen wir diese Preisliste einfach als Basis und stellen dieser verschiedene Katalogpreise aus den folgenden Jahrzehnten bis heute gegenüber, um die Entwicklung der Werte nachvollziehen zu können. Sicher verfügen Sie als Sammler selbst über ältere und neuere Katalogwerke zum deutschen Papiergeld, dennoch gewährt ein Vergleich über eine Zeitspanne von mehr als 85 Jahren, also einem guten Menschenalter, auch interessante Erkenntnisse. Wir wollen nur einige Beispiele herausgreifen, weil der Vergleich aller Preise aus der Liste mit späteren Katalogpreisen den Rahmen eines Blog-Beitrags sprengen würde.
Ganz bewusst habe ich auch Bewertungen des Staatlichen Kunsthandels aus der ehemaligen DDR einbezogen, um zu zeigen, dass die Preisentwicklung für historische Geldscheine hier fast identisch mit der in der damaligen Bundesrepublik verlief. Der Staatliche Kunsthandel fungierte natürlich auch als Devisenbeschaffer, indem z. B. alte Geldscheine in der DDR für den gleichen Betrag eingekauft werden konnten, für den sie dann gegen harte DM Richtung Westen verkauft wurden. Der Umtauschkurs lag damit quasi bei 1:1, was mehr als lukrativ war und die Herren des Staatlichen Kunsthandels zu von Sammlern gefürchteten Bietern auf Auktionen in der DDR machte.
Wir möchten mit diesem Beitrag einen Anstoß geben, damit sie sich vielleicht selbst einmal mit der Wertentwicklung der eigenen Sammlung beschäftigen, auch wenn diese natürlich für den ambitionierten Sammler nicht im Vordergrund steht und ihn damit vom Geldanleger unterscheidet. Es ist dennoch ein gutes Gefühl, wenn man sich neben dem Spaß am Hobby auch über eine gute Investition freuen kann.
Bewertungen in kassenfrischer Erhaltung (I bzw. UNC):
1935 Erich Schuster: Der Sammlerwert der Reichsbanknoten
1970 Rosenberg: Die Banknoten des Deutschen Reiches ab 1871
1979 Dieter Hoffmann: Das Notenbuch
1986 Staatlicher Kunsthandel der DDR: Bewertungsliste Geldscheine des Deutschen Reiches – Staatliche Ausgaben
1998 Pick/Rixen: Papiergeld-Spezialkatalog Deutschland
2021 Grabowski: Die deutschen Banknoten ab 1871
DEU-52a: Reichskassenschein zu 5 Mark von 1904, KN 6-stellig
1935 | 1970 | 1979 | 1986 | 1998 | 2021 |
0,40 RM | 4 DM | 8 DM | 15 M | 12/25 DM | 25 EUR |
DEU-38: Reichsbanknote zu 50 Mark von 1910
1935 | 1970 | 1979 | 1986 | 1998 | 2021 |
0,30 RM | 4 DM | 60 DM | 70 M | 100 DM | 90 EUR |
DEU-81: Reichsbanknote zu 500 Mark vom Juli 1922
1935 | 1970 | 1979 | 1986 | 1998 | 2021 |
0,50 RM | 25 DM | 300 DM | 250 M | 250 DM | 150 EUR |
DEU-98: Reichsbanknote zu 5000 Mark vom März 1923 (Nicht ausgegeben)
1935 | 1970 | 1979 | 1986 | 1998 | 2021 |
6 RM | – | 750 DM | 800 M | – | 550 EUR |
DEU-141: Reichsbanknote zu 50 Milliarden Mark vom Oktober 1923, Papier grau (sog. Franzosenschein)
1935 | 1970 | 1979 | 1986 | 1998 | 2021 |
2,50 RM | – | 35 DM | 40 M | 80 DM | 75 EUR |
DEU-162c Reichsbanknote zu 1 Billion Mark vom 5.11.1923, Firmendruck
1935 | 1970 | 1979 | 1986 | 1998 | 2021 |
12 RM | 80 DM | 150 DM | 150 M | 300 DM | 170 EUR |
Vergleicht man die sog. "Massenware", also sehr häufige Reichsbanknoten aus der Kaiserzeit und Inflation, so wurden über die Jahre aus Pfennig-Beträgen etliche Euro, das hat aber auch mit der allgemeinen Kaufkraftentwicklung zu tun. Immerhin lag das durchschnittliche Monatseinkommen im Jahr 1935 nur bei rund 200 RM. Aber auch in der Rückschau auf die eigene Sammeltätigkeit werden die meisten Sammler eine deutliche Wertsteigerung feststellen können, was längst nicht bei allen Sammelgebieten der Fall ist. Denken wir in diesem Zusammenhang etwa an den Rückgang des Sammlerinteresses an der Philatelie, wobei Spitzenstücke immer noch Spitzenpreise erzielen können, während die Masse heute regelrecht verramscht wird.
Was lernen wir aus den vorangegangenen Betrachtungen? Eine wichtige Maxime für Autoren numismatischer Katalogwerke war und ist es, realistische Marktpreise abzubilden und nicht Wunschdenken, was bei Briefmarken leider lange gut ging, weil Sammler mit scheinbaren Wertsteigerungen zufrieden waren und Händler höhere Preise verlangen konnten. Wie wir spätestens aus der Finanzkrise von 2008 wissen, platzt aber irgendwann jede Blase.
Die Auktionsergebnisse bei seltenen Münzen und Geldscheinen sind seither ständig gestiegen.
Wurde der Wert einer kassenfrischen Reichsbanknote zu 20 RM von 1924 im ersten bescheidenen "Rosenberg-Katalog" aus dem Jahr 1970 noch pauschal mit 120 DM angegeben, so liegt der heute je nach Variante und Serie zwischen 2000 und 6000 Euro.
Fazit: Seltene Scheine werden immer deutlich höher im Wert steigen als Massenware!
Dennoch gehört auch die ganz selbstverständlich in eine Sammlung und verliert zumindest nicht an Wert, wie dies etwa bei Briefmarken geschehen ist, die man heute schon für unter 10 % vom Katalogwert kaufen kann.
Hans-Ludwig Grabowski
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