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AutorenbildRainer Geike

Altmongolische Schrift auf mongolischen und chinesischen Geldscheinen

Dass auf den mongolischen Geldscheinen neben der „lesbaren“ Beschriftung in kyrillischer Schrift auch Textspalten (keine Zeilen, weil ja senkrecht von oben nach unten geschrieben)

in altmongolischer Schrift vorhanden sind, wusste ich. Aber ich kam nie auf den Gedanken, dies enträtseln zu wollen. Und gleich vorweg – die Buchstaben kann ich immer noch nicht lesen, aber einzelne Worte durch Nebeneinanderlegen identifizieren.


Mongolisch? Die klassische Form der traditionellen mongolischen Schrift wurde im

17. Jahrhundert fixiert, ist aber etwa 500 Jahre älter. In der Inneren Mongolei (China) wird sie bis heute verwendet.

In der Mongolischen Volksrepublik sollte 1930 das lateinische Alphabet eingeführt werden (wie in Aserbaidschan und den mittelasiatischen Republiken der damaligen Sowjetunion), kurze Zeit später wurde das Experiment wieder abgebrochen. 1941 wurde auf sowjetischen Druck das kyrillische Alphabet mit zwei Sonderzeichen für Ö (Ө) und Ü (Ү) eingeführt, wiederum nur kurz nach der entsprechenden Umstellung in den bereits genannten Sowjetrepubliken. Im Wikipedia-Beitrag zur Mongolischen Sprache heißt es, dass ab 1984

die klassische Schrift wieder an den Oberschulen gelehrt, allerdings bis heute überwiegend nur für dekorative Zwecke verwendet wird.[1]


Die mongolische Sprache in der Mongolei und in China – hier wird nach wie vor nur die klassische Schriftform benutzt – unterscheidet sich also durch die im Alltag benutzte Schrift und Teile des Wortschatzes. Die Lehnwörter stammen überwiegend aus dem Russischen oder aus dem Chinesischen.


Bei Verwendung der kyrillischen Schrift wird auch von Neumongolisch gesprochen.

Das Zusatzzeichen „Ө“ kommt in der mongolischen Währungseinheit gleich zweimal vor: „TӨGRӨG“, gesprochen „Tögrög“. In Katalogen heißt es dagegen meist „Tugrik“, vermutlich aus dem Russischen übernommen.


Mongolei

Die mit den Geldscheinen dokumentierte Politik bezüglich der verwendeten Schrift war sehr

wechselhaft. Die Geldscheine 1939 waren laut Katalog ausschließlich altmongolisch, 1941

dominierend altmongolisch beschriftet. Die darauf folgenden Geldscheine der Ausgabe 1955

enthielten dagegen ausschließlich kyrillische Schrift. Ab der Ausgabe 1966 wurden beide Schriften genutzt, allerdings in wechselnden Verhältnissen.


Abb. 1a: Mongolische Volksrepublik, 10 Tөgrөg 1981, Vs.


Meine Vorstellung möchte ich mit den Geldscheinen der Mongolischen Volksrepublik vom Anfang der 1980er Jahre beginnen, die auch den Ausgangspunkt meiner Erkundungen bildeten. Der abgebildete Schein zu 10 Tөgrөg / Tugrik von 1981 (Abb. 1) ist dominierend kyrillisch („neumongolisch“) beschriftet, auf der Vorderseite ausschließlich – bis auf die Wertzahl rechts in Altmongolisch. Das betrifft Bank- und Wertangabe und die Information über die Deckung des Scheins mit Edelmetallen und Valuta. Und die Abkürzung der Staatsbezeichnung in der obersten Zeile: БНМАУ = BNMAU für Bügd Nairamdach Mongol Ard Uls = Mongolische Volksrepublik. Dazu kommt ein Porträt von Suche-Bator.

Auf der Rückseite gibt es neben der Wertangabe und einem zweiten Kleingedruckten in kyrillischer Schrift, vermutlich der Strafsatz, auch zwei identische senkrechte Schriftzeilen – besser Schriftspalten – in Altmongolisch.


Abb. 1b,c: Mongolei, 10 Tөgrөg 1981, Rs. und Detailvergrößerung.


Nun, bei erneuter Beschäftigung damit, wollte ich zumindest erkunden, was da steht – ob es die Bankbezeichnung oder die Wertangabe ist. Also legte ich mehrere Nominale nebeneinander und verglich die Texte. Und siehe da, ob 3, 5 oder 10 Tөgrөg, das zweite Wort ist stets gleich, das erste ändert sich. Das spricht für die Angabe des Wertes. Beim abgebildeten 10-Tөgrөg-Schein von 1981 heißt das untere Wort also „TӨGRӨG“, während das obere Wort „ARWAN“ (zehn) heißt, wie der Vergleich mit der kyrillischen Schreibweise ergibt.


Abb. 2: Staat Mongolei, 5 Tөgrөg 1993, VS und Detail.


Nach der politischen Wende hat sich zumindest auf den Geldscheinen die Bedeutung der beiden Sprach- bzw. Schriftvarianten geändert. Beim 5-Tөgrөg-Schein von 1993 (Abb. 2)

ist die Vorderseite vollständig in Altmongolisch beschriftet, mit Ausnahme einer „5“, die allerdings auf dem Rahmen sehr schlecht erkennbar ist. Dazu kommen das Porträt des jugendlichen Suche-Bator bzw. Sukhe-Bataar und das Soyombo-Symbol.

Die Rückseite ist kyrillisch beschriftet – mit Ausnahme der Wertzahl in altmongolischen Ziffern, dazu eine Gebirgslandschaft mit zwei Pferden. Das Wasserzeichen zeigt das Porträt von Dschingis Khan.

In der Ausschnittvergrößerung von der Vorderseite ist die rechte Spalte die Wertangabe,

wie der Vergleich mit Abb. 1 zeigt. Das obere Wort lautet „TAWAN“ für „FÜNF“, das untere, also zweite Wort ist „TӨGRӨG“.


Republik China

Ich erinnerte mich, dass auf den Scheinen der Territorial-Industrie-Bank in China (russ. Titel)

bzw. der Bank of Territorial Development (englischer Titel, in vielfacher Wiederholung in einem Netz aus beschrifteten Streifen im Unterdruck) ebenfalls Text in Altmongolisch enthalten war. Und es war so. Vorstellen möchte ich den Schein zu 5 Dollars von 1915

(Abb. 3). Dieser Geldschein wurde in Urga ausgegeben, dem späteren Ulan Bator (ab 1924).

Er ist auf den ersten Blick dreisprachig beschriftet: Russisch, Chinesisch und Mongolisch.

Eine vierte Sprache – Englisch – findet sich im Kleingedruckten des Unterdrucks auf beiden Seiten.


Abb. 3a,b: Territorial-Industrie-Bank in China, 5 Dollar von 1915, Vs. und Rs.


Die Mongolei gehörte seit dem Ende des 17. Jahrhunderts zu China. Unter dem Einfluss der

Russischen Revolution 1905/07 und in Folge der bürgerlich-demokratischen Revolution 1911

in China gelang es der Mongolei, 1911 die Autonomie zu erkämpfen. China und auch Russland bestätigten mehrfach diese Autonomie. Der Geldschein belegt aber, dass es wohl wirklich nur

Autonomie und nicht Unabhängigkeit war. Denn die Bank heißt „Territorial-Industrie-Bank in

China“.[2] Und auf der Rückseite nimmt die Datierung Bezug auf die in China übliche

Jahreszählung, beginnend mit der Gründung der Republik[3]. Die mongolische Beschriftung

wiederum belegt die Anerkennung einer gewissen Autonomie, denn die Sprachen anderer

Nationalitäten gab es zu jener Zeit vermutlich nicht auf chinesischen Geldscheinen.


Russland hatte in den Grenzregionen Chinas – hier in der Mongolei und auch in den chinesischen Ostprovinzen – starken wirtschaftlichen Einfluss. Die auf der Vorderseite sichtbare Bankbezeichnung lautet im Russischen „Territorial-Industrie-Bank in China“.

Die Vorderseite enthält zentral die Wertangabe in Chinesisch, sonst ist die Seite komplett russisch beschriftet. Dies betrifft die Bankbezeichnung, die Wertangabe, die Funktionen der Unterschreibenden – die Unterschriften selbst fehlen auf dem vorliegenden Exemplar – und einen Text zur „Annahme“ des Geldscheins: „Die Territorial-Industrie-Bank in China verpflichtet sich, dem Überbringer in der Bankfiliale in Urga 5 Dollars in örtlichem Münzgeld auszuzahlen“. In den vier Ecken findet sich die Wertangabe in Kurzform „$ 5“.


Die Rückseite ist chinesisch und mongolisch beschriftet, dazu kommt wiederum die Angabe „$ 5“. Mongolisch sind die vier Textspalten beiderseits der „$ 5“-Felder, außen zweimal der Name der Stadt in mongolischer Schrift: „Ku Lun“. Rechts und links auf dem Rahmen die aus zwei Zeichen bestehende chinesische Bezeichnung „Urga“. Oben im Bogen die vier chinesischen Zeichen, von rechts gelesen, sind der Bankname „Zhi Bian Yin Hang“. Zhi heißt vermehren, entwickeln. Bian heißt Grenze, wird aber auch für das von einer Grenze umgebene Territorium verwendet. Und Yin Hang ist die Bank. Damit entspricht die chinesische Bezeichnung der englischen und nicht der russischen Bankbezeichnung.

Diese Bankbezeichnung wird links im mittleren Rahmen wiederholt.


Die untere gerahmte Textzeile gibt das Ausgabejahr an (von rechts): China Republik 4 Jahr = 4. Jahr der Republik China, dem Jahr 1915 entsprechend.


Die mongolische Textspalte links vom zentralen Block auf der Rückseite ist die Wertangabe, das obere Wort steht für „FÜNF“ („TAWAN“), das untere Wort heißt „TӨGRӨG“, wie der Vergleich mit den mongolischen Geldscheinen zeigt. Dieses Wort „TӨGRӨG“ steht hier für Dollar. In der chinesischen Wertangabe heißt es demgegenüber Yuan. Offensichtlich steht der Name TӨGRӨG (Mongolisch) genauso wie YUAN (Chinesisch) oder DONG (Vietnamesisch) einfach nur für Geld oder Münze, ohne eine konkrete Währung zu meinen.


VR China

Als Beispiel sei der 10-Yuan-Schein der Volksbank China von 1980 vorgestellt.

Die Vorderseite enthält Wert- und Bankangabe in chinesischer Schrift und zwei Brustbilder in Trachten, ein alter Han-Mann und ein junger mongolischer Mann. Die Rückseite (Abb. 4) enthält die Bank- und Wertangabe in Pinyin sowie in weiteren vier Sprachen, das Wappen sowie Jahreszahl und Unterschriftsstempel / Siegel. Pinyin ist die offizielle Umschrift für die chinesischen Schriftzeichen, basierend auf der Aussprache im Hochchinesischen. Beide Seiten enthalten je dreimal die Wertzahl „10“.


Die obere Textzeile auf der Rückseite ZHONGGUO RENMIN YINHANG ist die Transkription der sechs Schriftzeichen auf der Vorderseite. Dabei steht ZHONGGUO für China, RENMIN

für Volk und YINHANG für Bank. Die Wertangabe lautet „SHI YUAN“ mit „SHI“ = „Zehn“.

Die untere Textzeile auf der Rückseite enthält die Bankbezeichnung und die Wertangabe in vier weiteren Sprachen von Minderheiten, die Wertangabe ist dabei jeweils ein klein wenig abgesetzt.


Die erste der vier Sprachen ist Mongolisch, die Sprache der „Meng“, gesprochen im Autonomen Gebiet Innere Mongolei und natürlich in der Mongolischen Republik. Die drei weiteren Sprachen sind Tibetisch, Uigurisch (Sprache der Turkvölker in persischer / arabischer Schrift) und die Sprache der „Zhuang“, gesprochen in der Provinz Guanxi und im Süden Chinas. Die Schrift basiert auf dem lateinischen Alphabet, verwendete damals aber zahlreiche Sonderzeichen. Ab der Ausgabe 1999 sind diese Sonderzeichen entfallen.

Insgesamt enthält der Geldschein sehr wenig „Text“. Es fehlen Gültigkeitsvermerk, Strafsatz,

Ausgabeort und Informationen zu den abgebildeten Personen, wobei diese Angaben natürlich entbehrlich sind, wie die noch knapper beschrifteten Euro-Banknoten zeigen.


Abb. 4 a,b: VR China, 10 Yuan 1980, Rückseite und Detailvergrößerung.


Die Detailabbildung zeigt Bankbezeichnung und Wertangabe in Altmongolisch. Die beiden rechten Spalten sind die Wertangabe, links sollte es ARWAN und rechts TӨGRӨG heißen.

Die Schwierigkeit beim Erkennen wird dadurch erhöht, dass die Schrift hier sehr klein geworden ist. Ein Wort / eine Textspalte in dieser Schrift hat etwa die gleiche Höhe wie die Buchstaben der anderen drei Schriften.


Abb. 5 stellt die zwei Wertangaben vom mongolischen und vom chinesischen Schein,

10 Tөgrөg bzw. 10 Yuan, noch einmal direkt gegenüber. Beide sind gleich, wie gut zu erkennen ist. Das bestätigt die Aussage, dass die chinesische Währung Yuan im Mongolischen als Tөgrөg bezeichnet wird.


Noch ein Satz zur chinesischen Währungsbezeichnung. Im SCWPM heißt es Yüan, aber die

chinesische Umschrift in lateinischen Buchstaben lautet Yuan!


Ein Rückblick: die Ausgabe 1953 der VR China hatte erstmals die Beschriftung in den drei

erstgenannten Minderheitensprachen, 1960 waren es dann wie auf dem vorgestellten Schein von 1980 vier Minderheitensprachen.



Abb. 5: Gegenüberstellung

der zwei Wertangaben

links:


Mongolei, 10 Tөgrөg 1981

unten:

VR China, 10 Yuan 1980,

die letzten 2 Textspalten

aus dem Detail in Abb. 4




Abb. 1,2,4 und 5: Autor,

Abb. 3: Joachim Krüger


Anmerkungen


[1] Wikipedia-Beitrag zur mongolischen Sprache (März 2021). Nach Dictionary of Languages wurde die kyrillische

Schrift 1944 eingeführt.

[2] Auch als Bankangabe im Standard Catalog of World Paper Money (SCWPM).

[3] Nach Tien Yue Dzen „Das Bankwesen in China“, Berlin 1927, handelt es sich auch um eine chinesische Bank.



Rainer Geike

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