Was ist denn das? Etwa ein Geldschein, der seinen Wert gleich in drei verschiedenen Währungen angibt: Mark, Fr. (Französische Franc) und cent (US-Dollar)? Genau genommen sind es drei Scheine: einer zu ½ Mark (0,60 Fr. – 12 ½ cent), ein zweiter zu 1 Mark (1,20 Fr. – 25 cent) und ein dritter zu 2 Mark (2,40 Fr. – 50 cent). Mich macht stutzig, dass die Wertrelationen nicht stimmen. Die Scheine sind mit 1. April 1921 datiert, und da mussten für einen US-Dollar bereits 62,60 Mark gezahlt werden, also war eine Mark gerade einmal 1,6 Cents wert. Und was bedeutet ARAN-Notgeld? Wurden die Scheine von einem neuen Staat ausgegeben? Aber nein, Ausgabeort ist Wiesbaden. Wer ist Dr. Freytag, der den Titel
„3. Souveraine Arana“ trägt? Nach dem Text der Scheine dienten sie „zur Förderung und Gründung eines Weltverbandes der Universitäten, Hochschulverbände, der Kunst-, Religions u. ethischen Verbände“. Handelt es sich also um Spendenscheine? Dagegen spricht, dass sie erst am 1. April 1922 wertlos werden sollten. Auf jeden Fall geben sie sich international.
Auf der Rückseite wird der vorderseitige deutsche Text in englischer und französischer Sprache wiederholt, eingerahmt von den Flaggen Frankreichs, des Saargebietes, der USA, Deutschlands, Belgiens, Luxemburgs, Englands (allerdings nicht korrekt) und der Fahne Aranas.
Abb. 1: Dr. Freytag, ARAN-Notgeld, 1. April 1921, ½ Mark, Vorder- und Rückseite.
Abb. 2: Dr. Freytag, ARAN-Notgeld, 1. April 1921, 1 Mark, Vorder- und Rückseite.
Abb. 3: Dr. Freytag, ARAN-Notgeld, 1. April 1921, 2 Mark, Vorder- und Rückseite.
Die drei Nominale haben die einheitliche Größe von 108 x 73 mm. Ihr Druck erfolgte auf Papier mit dem Wasserzeichen Hakenmäander, das nur schwer zu erkennen ist. Weder ist der Name der Druckerei bekannt, noch wer den Entwurf anfertigte. Auf der Rückseite findet sich nur das Kürzel „LO.“.
Weder konnte ich mit ARAN-Notgeld noch mit 3. Souveraine Arana oder Dr. Freytag etwas anfangen. Also schnell gegoogelt. Es fanden sich auch diverse Eintragungen, aber mit diesen „Geldscheinen“ hatten sie alle garantiert nichts zu tun. Zwar führen auch die einschlägigen Notgeldkataloge die Scheine auf, beantworten jedoch nicht meine Fragen.[1] Einzig der alte Keller-Katalog enthält den kleinen Hinweis: „Phantasieausgabe des geisteskranken
Dr. Freytag“. Der Hintergrund der Scheine blieb also weiterhin rätselhaft, bis mir vor einiger Zeit zufällig ein Buch in die Hände fiel, das Licht in die Angelegenheit bringt.[2]
Im Februar 1929 nahmen Prozessbeobachter mit Kopfschütteln ein Urteil des Schöffen-gerichts in Jena zur Kenntnis. Der Angeklagte, Oberster Bischof und Erzsuperintendent, Seine Hohe Ehrwürdigkeit Heinz Ferdinand I., besser bekannt unter dem bürgerlichen Namen (Prof. Dr.) Sauermann, wurde zu einer Gefängnisstrafe von einem Jahr und acht Monaten verurteilt. Ein weiter Angeklagter, Generaldirektor Dr. Becker aus Halle, kam mit einer Geldstrafe in Höhe von 100 Reichsmark recht glimpflich davon, und zwei weitere Mitbeschuldigte wurden sogar freigesprochen. Mit „Prof. Dr. med. Dr. med. dent. Dr. med. vet. et phil. Frederick Freytag, Präsident der Aran Universität in South Dakota, Professor an der Lincoln Western University in den USA, Patron der Universität des Maharadscha von Vizianagram in Indien, Universitätsdozent in Bern, ehemaliger K. K. Primärarzt, Mitglied zahlreicher Akademien und internationaler Institute, Commissioner of Utah, Großmeister aller aranischen Orden und Dritter Souveräner Arana“ stand ein „vielseitiger Gelehrter von Rang“ vor Gericht. Aufgrund seiner krankhaften, überspannten Fantasie – er hatte sich auch den Titel Prinz zugelegt und behauptete, aus dem Geschlecht der Grafen von Foix, einer Seitenlinie der Bourbonen,
zu stammen – verfügten die Richter seine Einweisung in eine psychiatrische Anstalt.
Bereits 1917 war der Tierarzt Freytag, damals jedoch noch als „Friedrich“, von einem Magdeburger Gericht wegen Geistesschwäche entmündigt worden. Doch scheint ihn dies nicht weiter behindert zu haben, seine zündende Geschäftsidee umzusetzen. Warum sollte man nicht akademische Grade und Adelstitel gegen gutes Geld an eitle Zeitgenossen verkaufen? Also mussten eine eigene Universität und ein eigener Staat her.
Als erstes schalteten Prinz Freytag und sein Partner Titularrat R. Birnbaum, Baron und Doktor des Aran an der Universal-University in Siegmar bei Chemnitz ab 1919 in zahlreichen deutschen Zeitungen Anzeigen, in denen sie Wissenschaftler und geistig Tätige zur Gründung von Weltverbänden für Universitäten, Akademien, Kunsthochschulen und Religionsgemeinschaften suchten. Ihnen winkten Adelstitel, Würden eines Doktors und Orden. Freytag und Birnbaum „gründeten“ ferner kurzerhand die Aran University in South Dakota, von der man vor Ort allerdings keine Ahnung hatte. Als ihr Präsident vergab Seine Hohe Exzellenz Doktorhüte. Verlangt wurde dafür, neben einer Prüfungsgebühr in Höhe von 100 US-Dollars, der Nachweis des Abiturs und eines Universitätsstudiums sowie das Einreichen einer Dissertation, wobei Prinz Freytag bei Letzterem keine großen Ansprüche stellte: „Der Dritte Arana konnte, weil er ein Souverän war, alle Bedingungen ändern und mildern oder sogar auf sie verzichten, aber keine Toleranz kannte er bei der Prüfungsgebühr: 100 Dollars, keinen Cent weniger und erst recht kein Äquivalent in Milliarden Papiermark.“
Im offiziellen Organ des Souveränen Aran, der Aran-Zeitung, die unter dem „Lordprotektorat Seiner Kaiserlichen Hoheit Prinz Hossein Khan von Persien“ stand, wurde erläutert, dass der Aran in erster Linie ein souveräner Staat mit Territorialbesitz sei – wo, wurde nicht gesagt – und weitgehende Verbindungen und Beziehungen nach allen Ländern der Erde unterhalte. Wie jeder souveräne Staat könne er Titel verleihen. Wie in einem Versandhauskatalog wurden für jeden Geldbeutel entsprechende Angebote gemacht, die vom einfachen „Titularrat“ über den „Kollegienrat“ bis hin zum „Wirklichen Geheimen Rat“ reichten. Wer es adelig mochte, wurde ebenfalls fündig. Die unterste Stufe war natürlich die Billigste:
Als „Armalist“ durfte man ein Wappen mit einer maximal dreizackigen Krone auf seinen Briefbogen drucken. „Für ein erkleckliches Sümmchen mehr wurde aus einem Herrn Schulze schon ein Herr de Schulze oder ein Herr von Schulze mit vierzackiger Krone.“ Ließ man noch mehr springen, war auch der Chevalier oder Seigneur, Baron, Vicomte und Graf möglich.
Bei entsprechender Zahlung konnte man auch in den aranischen Hochadel aufsteigen und Pfalzgraf, Marquis, Herzog oder Prinz werden. Neben dem Titel erhielt man das „Recht“, entsprechende, unterschiedlich abgestufte Uniformen zu tragen.
1923 traf Freytag den einstigen ungelernten Landwirtschaftsgehilfen Heinrich Sauermann,
den er noch aus seiner Zeit als Tierarzt kannte. Sauermann war gerade aus einer zweijährigen Haft entlassen worden und strebte danach, mit wenig Aufwand viel Geld zu verdienen.
Er schien wegen seines pastoralen Gehabes wie geschaffen für Freytags neues Projekt. Beide stifteten eine neue Religionsgemeinschaft und sammelten fleißig Spenden für ihre „Missionstätigkeit“. 1924 stieß Rechtsanwalt Ludwig Zoeller, Staatspräsident a.D. der kurzlebigen Birkenfelder Republik, zum Duo.
Ein Jahrzehnt lief alles gut und die Gaunerbande um Seine Hohe Exzellenz Prinz Freytag machte glänzende Geschäfte – bis ein unzufriedener „Kunde“ Strafantrag stellte und das Gericht in Jena tätig wurde. Sauermann, dem Onarchen der Weltkirchenbewegung, konnte lediglich angelastet werden, dass er Gelder der „Deutschen Reisemission“ an den Aran-Staat weitergeleitet bzw. sich persönlich bereichert habe. Dass er zu einer Gefängnisstrafe verurteilt wurde, war wohl eher seinen drei Vorstrafen geschuldet. Mit Friedrich Freytag machte es sich das Gericht leicht und verfügte eine Einweisung in eine psychiatrische Anstalt. „Die geschäftstüchtige Organisation, die er aufgebaut hatte und leitete, und die stets neuen, profitträchtigen Ideen zeugten wohl eher von raffinierter Intelligenz als von Geistesschwäche, und seine überreiche Phantasie rückte ihn höchstens in die Schar der stark akzentuierten Persönlichkeiten, nicht aber in die Gruppe der Irren. Mit seinen klangvollen Titeln lag er, wie Beispiele belegen, nicht allzuviel über dem Niveau anderer Hochstapler jener Jahre,“
so Christian Heermann in seinem Buch.
Uwe Bronnert
[1] Arnold Keller, Das deutsche Notgeld, Katalog der Kleingeldscheine 1916 – 1922, IV. Teil: Serienscheine, neu bearbeitet v. Albert Pick u. Carl Siemsen, München 1975, S. 229, Nr. 1339. Kai Lindman, Katalog der Serienscheine, Spendenquittungen und Bausteine 1918 – 1922, Sassenburg 1989, S. 308, Nr. 1388. Hans L. Grabowski/Manfred Mehl, Deutsches Notgeld, Band2: Deutsche Serienscheine 1918 – 1922 (L – Z), 3. Überarb. u. erw. Aufl., Regenstauf 2009, S. 927, Nr. 1425. [2] Christian Heermann, Geheimwaffe Fliegende Untertasse, Gauner – Gaukler – Gangster, Ein Kriminalreport über Geschäfte und Verbrechen mit der Dummheit, 2. Aufl., Berlin (Ost) 1983, S. 57 ff.
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