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AutorenbildChristian Merker

Assignaten der französischen Revolution: Dezimalsystem und Inflation

Aktualisiert: 15. Sept. 2022

Im Eurogebiet hat man sich seit 2002 an nur eine Währung im Portemonnaie gewöhnt, auch wenn man ins benachbarte Ausland fährt und an eine gemächliche Inflation von ca. 2 Prozent. Früher gab es in jedem Land andere Geldscheine und eine oft höhere Inflation, wenn man nicht gerade in stabilen Währungsgebieten wohnte.

Abb. 1, Assignat über Fünf Pfund. Maße 6 cm x 9,5 cm.


Im revolutionären Frankreich gab es ab 1789 als Papierwährung das Pfund / Livre, hervorgegangen aus dem lateinischen Begriff libra pondo. Auf der Schatzanweisung über fünf Pfund (s. Abb. 1) ließen sich die hauptsächlichen Änderungen und Errungenschaften in Frankreich seit dem Sturm auf die Bastille in Paris am 14. Juli 1789 ablesen, falls man des Lesens mächtig war, was allerdings damals auf die wenigsten Menschen zutraf.

Beginnen wir rechts oben in der Ecke mit den Losungen der Revolution im Zierrand: Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit oder den Tod. (Liberté, Egalité, Fraternité ou la mort). Rechts unten eine Aufforderung zur Denunziation von Fälschern dieser Assignaten: Die Nation belohnt denjenigen, der Geldfälscher meldet. (La nation récompense le dénonciateur). Den mittleren Teil müssen wir erst oben dann unten lesen: Hergestellt am 10. Tag im Nebelmonat [das heißt vom 22. Oktober bis zum 20. November] des zweiten Jahres der Republik Frankreich. (Créé le 10. Brumaire de l´an deuxième de la République Française), das heißt der 31. Oktober 1793. Dann links unten der Strafsatz, die Androhung der Todesstrafe für Geldfälscher. (La loi punit de mort le contrefacteur). Zum Abschluss oder Beginn links oben die Beschwörung der Einheit und Unteilbarkeit der Republik. (Unité, Indivisibilité de la République). In jeder Ecke befindet sich zudem die Wertangabe in Ziffernform und das gestrichene "L" als Währungsangabe, ähnlich wie wir es noch heute vom britischen Pfund (£) kennen.

Das französische Pfund zerfiel übrigens in 20 Sols, die spätere und wohl bekanntere Bezeichnung lautet Sous, der wiederum hatte 12 Deniers. Das britische Pfund zerfiel noch bis 1971 in 20 Schillinge, der Schilling in 12 Pence, bevor es auch auf das Dezimalsystem umgestellt wurde.


Assignat über 50 Sous nach dem Gesetz vom 4.1.1792, im vierten Jahr der Freiheit [l´an quatriéme de la liberté] mit zwei Papierstempeln. Maße 7 cm x 8,4 cm.


Die Todesformel im Motto der französischen Revolution wurde später weggelassen, da sie nicht nur märtyrerhaft gemeint war, sondern durchaus auch aktiv, was dann im Terror der Guillotine endete und der Gleichmacherei durch das Fallbeil.

Es tauchten massenhaft Fälschungen auf, trotz der Wasserzeichen und Prägestempel mit bekannten allegorischen Figuren. Viele kamen aus den Kreisen der adeligen Emigranten in England. Das trug auch zur inflationären Ausbreitung dieser Geldscheine bei. Zu den Neuerungen der Revolution kamen auch eine neue Jahreszählung und neue Monatsnamen, von denen heute meist nur noch der oben genannte Brumaire und bei Feinschmeckern der Hitzemonat Thermidor bekannt ist. Zwar gab es weiterhin zwölf Monate, aber die Woche wurde in das Dezimalsystem einbezogen und von sieben auf zehn Tage erweitert. Der Monat hatte ab dem 5. Oktober 1793 nur noch drei Wochen (décades) und somit nur noch drei Wochenenden. Diese arbeitnehmerunfreundliche Kalenderreform wurde von Napoléon, dem Beender und Vollender der Revolution im Jahre 1805 wieder zurückgenommen. Mit der Ausrufung der Republik am 22. September 1792 endet die Monarchie. Ludwig XVI. überlebte sie nur um knapp vier Monate, bevor er das Schafott besteigen musste.


Abb. 3, 125 Pfund Assignat vom 18.09.1793 mit zwei Jakobinermützen in den Ecken des Zierrandes. Maße 9,3 cm x 16 cm


Durch die Einführung von Assignaten kam es zu einem wirtschaftlichen Aufschwung in der jungen Republik, der zuerst auf der Beschlagnahmung des klerikalen Grundbesitzes beruhte. Die auf zukünftige Einnahmen der enteigneten Grundstücke von Klöstern, geflüchteten Adeligen etc. verausgabten Staatsanleihen (vgl. Abb. 3 Hypothéqué sur les Domaines Nationaux), ursprünglich noch mit Zinscoupons, erfreuten sich so großer Beliebtheit, dass sie in Umlauf gebracht, als allgemeine Zahlungsmittel verwendet wurden, auch in immer kleineren Stückelungen. Zudem war am 11. April 1793 ein Verbot von Edelmetallgeld erlassen worden. Das konnte die Inflation aber auch nicht bremsen. Mehr zum Thema Assignaten und Inflation im Lexikonartikel hier bei Geldscheine-Online von Albert Pick vom 30. Oktober 2019.



Abb. 4, Kleiner Assignat über 10 Sous nach dem Gesetz vom 23.05.1793 im zweiten Jahr der Republik, mit zwei Papierstempeln, links der vom Luis d´ Or oder Ecu bekannte geflügelte Genius mit der Umschrift Règne de la Loi (Rechtsstaatlichkeit) entworfen durch Augustin Dupré, seit 1791 Graveur General des Monnaies, Maße 7,5 cm x 9 cm.


Seit dem 15. August 1795 gab es den Franc zu 100 Centimes als einziges Zahlungsmittel in Frankreich bis zur Einführung des Euro. Der 15. August ist heute übrigens in ganz Frankreich Feiertag (Mariä Himmelfahrt, Assomption) und gleichzeitig der Geburtstag von Napoléon Bonaparte (15.08.1769 auf Korsika – 05.08.1821 auf St. Helena).

Der Beschlagnahmung und Versteigerung der Klöster verdanken wir die Champagner-Kellereien in Reims und Umgebung.


Abb. 5, Assignat über 100 Francs vom 7. Januar 1795. Aufwändig gestalteter Zierrand mit einem Papierstempel und Wasserzeichen mit drei Motiven. Maße 9,7 cm x 14 cm.


Wie in Deutschland das Inflationsgeld der Zwanziger Jahre des letzten Jahrhunderts überlebte auch in Frankreich viel Assignatengeld und bis heute verblüffend viele ungeschnittene Bögen. Das dünne, nur einseitig bedruckte Papier, eignet sich gerahmt sehr gut als dekorativer Wandschmuck.


Chrisitian Merker

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