In der Dokumentensammlung von Albert Pick blieb eine Veröffentlichung des deutschen Nationalökonomen Prof. Dr. Walther Lotz über die französischen Assignaten erhalten, die wir unseren Lesern nicht vorenthalten wollen. Der Beitrag wurde für den Geldschein-Blog neu bebildert und stammt aus der Zeit der sog. "Weimarer Republik". Er wird in der damaligen Schreibweise veröffentlicht, weshalb einige Ausdrücke heute veraltet, falsch geschrieben oder gar unbekannt erscheinen.
Lotz wurde am 21. März 1865 im thüringischen Gera geboren und studierte ab 1883 in Leipzig und Straßburg. Nach seiner Promotion 1887 arbeitete er in Berlin und Wien. Seine Habilitation folgte 1890 in Leipzig. Ab 1893 war er Professor für Finanzwissenschaft, Statistik und Volkswirtschaftslehre in München. Korrespondierendes Mitglied der Russischen Akademie der Wissenschaften wurde er 1907. Seine Emeritierung erfolgte 1935.
Lotz starb am 13. Dezember 1941 in Heidelberg.
Aus der Zeit der französischen Assignaten I.
Von Prof. Dr. Walther Lotz
Frankreich, Königreich: FRA-A30b, sog. "Königs-Assignat" des Domaines Nationaux über 1000 Livres vom 19. Dezember 1789 (ohne Kupons) der ersten Ausgabe, welche noch unter dem König ausgegeben wurde und heute als Papiergeld-Rarität gilt.
Bereits vor der Revolution von 1789 hat Frankreich Zettelumlauf erlebt, aber nur Bank- notenumlauf, nicht Staatsnoten. Beim Ausbruch der Revolution von 1789 fand man ein zerrüttetes Finanzwesen vor: Fehlbeträge häuften Schulden zu den überkommenen Schulden des Staates. Die Revolution räumt überrasch mit den bisherigen regelmäßigen Einnahmen auf; die Einnahmen aus den von der Revolutionsgesetzgebung neugeschaffenen Steuern laufen zunächst nicht ein. Man hält Umschau nach Mitteln, um die laufenden Ausgaben zu bestreiten, und beschließt, die Nationalgüter hierzu zu verwerten. Die Güter der Krone und des Klerus waren zu Nationaleigentum erklärt worden. Ihr Wert wurde zunächst auf 2000 Millionen Livres, später wesentlich höher geschätzt. Unter dem Namen „Assignats“ wurden
5%ige Schuldverschreibungen mit Coupons in Abschnitten zu 1000 Livres 1789 geschaffen.
Man hoffte, daß diese Schuldverschreibungen, die an Order übertragbar waren, als rentierliche Kapitalanlage der Privatleute gesucht werden würden. Aus dem Erlös bei Verkauf von Nationalgütern sollten die Schuldverschreibungen gedeckt werden. Freilich, eine regelmäßig fließende Einnahme für den Zinsendienst dieser Schuldverschreibungen war nicht geschaffen. Man war anfangs weit entfernt davon, mit diesen Schuldverschreibungen ein Papiergeld zu schaffen. Nur in einem Falle mußten die Assignaten ursprünglich als Zahlungsmittel vom Staate selbst, und zwar zum Nennwert, genommen werden, nämlich dann, wenn jemand bei der Versteigerung von Nationalgütern den Zuschlag erhalten hatte und an den Staat Zahlung leistete.
Im April 1790 wurde von der Revolutionsgesetzgebung angeordnet, daß alle Privatleute als Gläubiger für ihre Forderungen die Assignaten an Geldesstatt nehmen müßten. Die Meinung war, daß durch die Zinsgewährung der Wert der Assignaten fortgesetzt steigen müsse.
Man hat auch anderwärts mit verzinslichem Papiergeld schlechte Erfahrungen gemacht.
Im damaligen Frankreich fehlte es aber an regelmäßigen Einnahmen, um die versprochene Verzinsung auf die Dauer zu leisten. Die Zinsen der Assignaten wurden herabgesetzt, schließlich fielen sie ganz weg. Aus dem Orderpapier wurde ein Inhaberpapier. Vergebens warnten Sachkenner, daß ein Notenumlauf, der auf Grundeigentum begründet sei, der nötigen Liquidität der Deckung entbehre. Die finanzielle Gesetzgebung der Revolution wurde nicht durch verantwortliche Fachleute geleitet, vielköpfige Versammlungen faßten plötzliche Beschlüsse, beeinflußt durch die Rhetorik von Demagogen. Warnte man vor der illiquiden Deckung durch Grundbesitz, so fand man keinen Glauben; verwies man auf die in Frankreich zur Zeit von John Law mit Zettelwirtschaft gemachten Erfahrungen, so wurde erwidert:
In einer freien Nation, die über die Zettelemission wache, sei eine Gefahr wie beim absolutistischen Regiment nicht gegeben. Aus dem Erlös der Nationalgüter sollten die Assignaten getilgt werden, die Verbrennung der eingegangenen Zettel erfolgte öffentlich.
Frankreich, Königreich: FRA-A54, Assignat des Domaines Nationaux über 15 Sols vom 4. Januar 1792.
Frankreich, Königreich: FRA-A61, Assignat des Domaines Nationaux über 5 Livres vom 31. Juli 1792.
Frankreich, Republik: FRA-A72, Assignat des Domaines Nationaux über 50 Livres vom 14. Dezember 1792.
Der Verkauf der Nationalgüter durch Versteigerung ging jedoch langsam vonstatten.
Von 1790 ab wird die Ausgabe der Assignaten fortgesetzt gesteigert, es werden regelmäßig mehr neue Scheine ausgegeben, als bisherige verbrannt sind. Die Bezahlung der von den Einsteigerern erworbenen Güter erfolgte nicht prompt, sondern sehr langsam in Raten.
Gegenüber barer Münze stellte sich der Kurs der Assignaten schon im Januar 1790 auf 96,
im Juli 1792 auf 61% des Nennwertes. Der Zettelumlauf wurde fortgesetzt gesteigert. Je mehr er zunahm, umso höher wurde der Wert der Nationalgüter geschätzt. Ein beträchtlicher Ueberpreis wurde für Münzen in Assignaten bezahlt. Seit 1792 stiegen die Preise der Artikel des gewöhnlichen Lebens in Assignaten fühlbar. Die alte Erfahrung, daß bei Zettelwirtschaft die Warenpreise steigen und nun trotz Zettelvermehrung für die Umsätze zu höheren Nominalpreisen mehr Zahlungsmittel verlangt werden, bestätigte sich auch in Frankreich.
Vor allem war Mangel an Kleingeld. Die Assignaten waren ursprünglich nur in großen Abschnitten ausgegeben worden. Seit 1790 beginnen die Gemeinden für den Kleinverkehr Notgeld auszugeben. Daraufhin entschließt man sich zur Ausgabe kleiner Assignaten bis zu
5 Livres herab. Beim Umtausch größerer in kleinere Zettel stand das Publikum von 6 Uhr früh an. Man gab Nummern für die Reihenfolge der Erledigung des Umtausches aus. Seit 1792 wird berichtet, daß bei steigenden Warenpreisen ein Hamstern in Waren beginnt.
Ein Deutscher, der sich als valutastark damals fühlen konnte und mit Vorteil seine Münzen in Assignaten umgetauscht hatte, kommt 1792 nach Frankreich. Er berichtet, früh der Milchkaffee mit etwas Butter habe ihm 6 Livres gekostet; billig sei es vor allem auf der Post gewesen,
da dort die Assignaten zum Nennwert genommen werden mußten. Wie uns gegenwärtig wieder aus Sowjetrußland berichtet wurde, so hat man auch im republikanischen Frankreich, und zwar noch nach der Hinrichtung des Königs, die Zettel aus der monarchistischen Zeit bevorzugt. Als 1793 die Staatsnoten der Republik 73% des Nennwertes verloren, begehrte man noch eifrig Assignaten aus der Königszeit. Der Konvent schreitet gegen die Bevorzugung der königlichen Assignaten ein. Man erläßt Bestimmungen mit schweren Strafen gegen die „accapareurs“, die Warenhamsterer. Mit der zunehmenden Verteuerung des Lebens verschlechtert sich fortgesetzt die Lage der Rentner und der Beamten, auch der breiten Volksmassen. In der gewalttätigen Konventszeit versuchen bewaffnete Banden, Lebensmitteltransporte durch sogenannte „patriotische Requisitionen“ anzuhalten. Ebenso stürzt man sich auf der Straße auf Damen, die kostbaren Schmuck tragen. Die Bauern halten ihre Produkte zurück. Die Märkte veröden, der Schleichhandel blüht. Durch Blockade ist Frankreich von der Seezufuhr abgeschnitten. Da die Bauern nur mehr gegen Münze, nicht gegen Zettel Lebensmittel abgeben wollen, so wird bei schweren Strafen, am 8. September durch den Konvent bei Todesstrafe verboten, Zahlung in Assignaten zurückzuweisen oder Assignaten nur mit Abzug am Nennwerte zu nehmen. Im Mai 1794 wird schwerste Strafe darauf gelegt, wenn der Verkäufer beim Geschäftsabschluß fragte, ob er in Papier oder Metall bezahlt werde. Darauf werden die Münzen und die Waren noch mehr zurückgehalten.
Da von den Bauern nicht geliefert wird und die Verteuerung, sowie der Warenmangel — übrigens noch mehr in Webwaren als in Lebensmitteln — unerträglich zu werden droht, versucht man es vom September 1793 bis Ende 1794 mit Höchstpreisen. Ein „Maximum“ des zulässigen Preises wird für 39 Artikel des notwendigen Bedarfes behördlich festgesetzt. Man erachtete 33% Preisaufschlag seit 1790 zulässig, ferner noch einen Gewinnaufschlag des Großhandels von 5% und des Kleinhandels von 10%. Bei der behördlichen Preisfestsetzung sollen sich viele Widersprüche und Irrtümer ergeben haben. Das nächste Ergebnis der Höchstpreise war: die Waren verschwanden vom Markte. Man half sich daraufhin in Paris während der Schreckensherrschaft 1794 durch Rationierung der Versorgung mit Brot, Fleisch, Kohle. Brotmarken und Reismarken wurden in Paris eingeführt. Gegen Brotmarken lieferte man ein Einheitsbrot. Schon seit 1793 leistete man öffentliche Zuschüsse in Paris zur Brotverbilligung. Es wird berichtet, daß daraufhin Bewohner der Umgegend von Paris kleine Zimmer in Paris mieteten, um sich eine Brotkarte und wohlfeilere Brotversorgung zu verschaffen, und daß man duldete, daß sie mit dem Brot dann von Paris zurückwanderten.
Frankreich, Republik: FRA-A76, Assignat des Domaines Nationaux über 5 Livres vom 31. Oktober 1793.
Ende 1794 und Anfang 1795 sind dann die Höchstpreise und die Rationierung beseitigt worden. Das Volk litt bittere Not, man war empört über das Prassen reich gewordener Leute. Besonders nahm die Lebenslust unter dem Directoire zu. Als die Konventsherrschaft 1795 zusammengebrochen war, wurden bereits Riesenpreise in Assignaten für Metallmünzen bezahlt. Große Mengen von Fälschungen der Zettel begegneten.
Französischer Bauernbettler mit vielen verschiedenen wertlos gewordenen Assignaten und Bezugscheinen im Jahr 1795. Abb. Wikimedia Commons.
Bis März 1795 waren für 3⅔ Milliarden Nationalgüter verkauft. Die Zahlungen gingen nur langsam ein. Für 2½ Milliarden Assignaten waren verbrannt worden, täglich wurden 50 Millionen neue Assignaten in Umlauf gesetzt. Der Umlauf wurde 1795 auf 7½ Milliarden geschätzt. Unter dem Directorium stieg er weiter, 1796 sogar fast auf 40 Milliarden. Im Juni 1796 wurde 1 Livre Münze gleich 550 Livres Papier geschätzt. Die Preissteigerung setzte sich fort. Trotz Erhöhung der Beamtengehalte auf das 30fache eine Notlage der Beamten und erst recht der Rentner. Es wird von Levasseur berichtet:
Ein Schlosser hatte sich mit einem schönen Vermögen zur Ruhe gesetzt: 321,000 Livres. Aber welches Vermögen hätte genügt in einer Zeit, da 1 Pfund Speck 125 Livres, 1 Pfund Butter 560 Livres, eine Truthenne 900 Livres, eine Hammelkeule 1248 Livres, 25 Eier 236 L., ein bestimmtes Quantum Wasser 6 Livres kostete; da man 10 Livres für ein Bündel Zündhölzer zahlte und da es 15,300 Livres kostete, wenn man sich mit einem neuen Leibrock und einer Kasimirhose schmücken wollte? Der Schlosser war kein Schieber; er spekulierte weder in Nationalgütern noch in Assignaten; er zahlte seine Ausgaben umgehend, und von den 321,000 Livres, die er 1790 besaß, blieben ihm 1796 nur 14,000 Livres.
Schon aus der vorgehenden Zeit, als 1793 noch die Konventsherrschaft wütete, wird uns das Dasein in Paris von Levasseur folgendermaßen geschildert:
„Bei einer ehrbaren Kaufmannsfamilie war der Schreibtisch voll von Assignaten, aber das Büfett war leer. Dia Kartoffeln vertraten oft das Brot und manchmal legte sich der Hausvater ohne Abendbrot schlafen, um seine Ration seinen Kindern zu überlassen. Und diese Familie hatte noch Bevorzugungen, die nicht alle genossen. Ein Freund, ein Briefträger, brachte manchmal heimlich ein Brot, welches er auf dem Lande gekauft hatte. Einmal kam er nachts mit einem Sack Mehl; das war ein Glücksfall. Der Sack wurde mit Vorsicht hinter dem Bett verborgen; allabendlich trug man ein wenig von dem Mehl zu einem benachbarten Bäcker und am anderen Morgen holte man frühzeitig das Brot durch eine Hintertür ab. Dabei lief man Gefahr, wenn es bemerkt wurde, als Hamsterer behandelt zu werden.
Auch in der Provinz hatte damals aus Furcht vor Requisitionen die größte Heimlichkeit die Herrschaft. Ein Reisender, der sich im Mai 1795 in Amiens aufhielt, berichtet:
„Wenn wir backen, werden die Türen sorgfältig verschlossen; die Türklingel läutet umsonst, kein Besucher wird zugelassen, bis die geringsten Reste der Tätigkeit beseitigt sind.“
Am 15. Juni 1794 waren in Evreux die Haushaltungen bei schweren Strafen verpflichtet worden, alle Lebensmittelvorräte binnen 24 Stunden anzuzeigen.
Während die Beamten, Rentner, Kleinbürger, auch das niedere Volk Not litten, blühte die Korruption und der Schleichhandel, vor allem die Spekulation. Wer an der Haltbarkeit der Zettelwirtschaft zu zweifeln begann, flüchtete zur Vermögensanlage in Sachwerten.
Muckle berichtet von dem Begründer des französischen Sozialismus, dem Grafen Saint- Simon, daß er in der Zeit der Zettelwirtschaft mit dem preußischen Gesandten, Grafen Redern, der die Mittel liefern mußte, gemeinsam für Zettel Nationalgüter erwarb und sich großen Gewinn sicherte, als die Zettelwirtschaft endlich zusammenbrach.
(Ein Schlußartikel folgt.)
Quelle: Beiträge und historische Dokumente aus dem Archiv des Battenberg Gietl Verlags
Abb. und Anmerkungen: Hans-Ludwig Grabowski
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