top of page
AutorenbildArchiv

Aus dem Archiv: Aus der Zeit der französischen Assignaten, Teil 2

Aktualisiert: 8. Feb.

In der Dokumentensammlung von Albert Pick blieb eine Veröffentlichung des deutschen Nationalökonomen Prof. Dr. Walther Lotz über die französischen Assignaten erhalten, die wir unseren Lesern nicht vorenthalten wollen. Der Beitrag wurde für den Geldschein-Blog neu bebildert und stammt aus der Zeit der sog. "Weimarer Republik". Er wird in der damaligen Schreibweise veröffentlicht, weshalb einige Ausdrücke heute veraltet, falsch geschrieben oder gar unbekannt erscheinen.


Lotz wurde am 21. März 1865 im thüringischen Gera geboren und studierte ab 1883 in Leipzig und Straßburg. Nach seiner Promotion 1887 arbeitete er in Berlin und Wien. Seine Habilitation folgte 1890 in Leipzig. Ab 1893 war er Professor für Finanzwissenschaft, Statistik und Volkswirtschaftslehre in München. Korrespondierendes Mitglied der Russischen Akademie der Wissenschaften wurde er 1907. Seine Emeritierung erfolgte 1935.

Lotz starb am 13. Dezember 1941 in Heidelberg.

 

Aus der Zeit der französischen Assignaten II.

Von Prof. Dr. Walther Lotz

Frankreich, Republik: FRA-A78, Assignat des Domaines Nationaux über 100 Francs vom 7. Januar 1795.



Unter dem Directoire hatte man ebenso wie unter der Konventsherrschaft rücksichtslos die Praxis fortgesetzt, Assignaten zu drucken und hiemit laufende Ausgaben zu bestreiten. Schon am 3. November 1795 wird ein Kurs von 0,87 gemeldet, die Assignaten waren also auf weniger als ein Hundertstel ihres Nennwertes gesunken. Ursprünglich hatte die Konstituante 1800 Millionen Assignaten geschaffen; die Legislative hatte bis zum September 1792 weitere 900 Millionen hinzugefügt, der Konvent noch Milliarden. Bis zur Beseitigung der Assignaten war unter dem Directorium die Ausgabe auf 47½ Milliarden Livres gesteigert worden.

Man rechnete und zahlte immer mehr wieder in Münze. Am 22. Februar 1796 wurde ein Assignat nur noch mit 0,29% seines Nennwertes bewertet. Am 23. Dezember 1795 wurde unter dem Directoire bestimmt, daß die Assignatenplatten vernichtet und die weitere Herstellung der Assignaten eingestellt werden solle. Vor Durchführung des Dekrets hatte man noch bis 19. Februar 1796 die Zettelemission von nominell 35½ Milliarden um weitere 12 Milliarden vermehrt.


Frankreich, Republik: FRA-A83b, Mandat territorial des Trésorie Nationale über 25 Francs von 1796 (viertes Jahr der Republik).



Hätte man die Assignaten aus der Welt schaffen wollen, ohne die Inhaber zu schädigen, so hätte man sie in bar einlösen müssen. Die Mittel hiezu hätte man durch eine verzinsliche Anleihe schaffen müssen, wie es die Vereinigten Staaten bei Abbau der Papierwirtschaft nach dem Bürgerkrieg erfolgreich taten. Das revolutionäre Frankreich hatte die Grundlagen des Kredits durch Zwangsanleihen, von denen noch berichtet werden soll, und durch sonstige Gewalttätigkeiten untergraben. Gewalttätig und ohne Rücksicht auf erworbene Rechte verfuhr man auch bei der Beseitigung der Assignaten. Man löste sie ein, aber nicht in bar, sondern in einem neuen gleichfalls uneinlöslichen Papiergeld, den „mandats territoriaux“, die unter dem Directoire am 18. März 1796 geschaffen wurden. Es sollten von den neuen Scheinen ursprünglich nur 2400 Millionen in Umlauf gesetzt werden und die Assignaten in „mandats territoriaux“ im Verhältnis von 30 Livres Assignaten gleich 1 Livre Mandats gerechnet werden.

Die Einlösung eines Papiergeldes durch einen anderen Wert unter Berücksichtigung der tatsächlich eingetretenen Entwertung der alten Zettel nennt man Devalvation. Scheinbar wird dabei eine neue Umwertung der Werte vermieden und der Volkswirtschaft eine Reihe von Erschütterungen erspart, die vielfache Verluste bereiten, wenn man die Einlösung entwerteter Zettel in Münze zum Nennwerte durchführt. Freilich haben die in der Geschichte vorgenommenen Devalvationen zumeist gemeinsam, daß auch die neuen Werte, in welchen die Einlösung oder besser gesagt der Umtausch sich vollzieht, keine Beständigkeit aufweisen. Zunächst mußte für Umrechnung der bisherigen in der Assignatenzeit eingegangenen Schulden eine Skala aufgestellt werden: die Assignaten sollten zum Nennwert gerechnet werden bei vor dem Juli 1792 eingegangenen Verträgen und dann zu fallendem Wert bis zu 2% bei Verträgen vom 1. Januar 1796 ab. Auch die neuen Zettel, die „mandats territoriaux“, waren nicht jederzeit zum Nennwert in bar einlösbar und durchaus ungenügend fundiert. Während die Assignaten aus dem Erlös versteigerter Nationalgüter eingelöst werden sollten, war jetzt bestimmt, daß man ohne weiteres und ohne Versteigerung sich ein beliebiges landwirtschaftliches Grundstück aus den Nationalgütern heraussuchen und mit dem 22fachen Ertrag kaufen könne, während bei Gebäuden der 18fache Ertrag zu zahlen war. Je niedriger die Mandats bewertet wurden, umso vorteilhafter war der Kauf. In der Tat entsprach die Bewertung der Mandats, die bald wie die Assignaten vermehrt wurden, nie dem Nennwert. Ihr Kurs betrug anfangs 18% des Nennwerts, bei weiterer Umlaufssteigerung sank er schon am 10. September 1796 auf 5%, bald auf 1%. Auch die Staatskassen nahmen sie bald nicht mehr zum Nennwert. Ein Gesetz vom 4. Februar 1797 proklamierte Annullierung aller Zettelarten. Nur bis zum 21. März 1797 konnten die Mandats noch zum Kurs von 1% bei Zahlung rückständiger Steuern verwendet und zu einem Teil der Zahlung auf Nationalgüter gebraucht werden, dann nicht mehr. Auf die Devalvation war die „Repudiation“, die Ablehnung jeder weiteren Rücksichtnahme auf die Inhaber der Zettel gefolgt.


Zur Bankrotterklärung der Zettelwirtschaft fügten sich weitere entsprechende Maßregeln. Die Gläubiger des französischen Staates aus verzinslichen Anleihen und Leibrenten usw. hatten seit Ausbruch der Revolution erst 80, dann 50, dann 5%, schließlich noch weniger von ihren Halbjahrsbezügen erhalten, und dies in Papier. 1793 wird das große Schuldbuch des Staates begründet, und alle bisherigen Forderungen gegen den Staat wurden durch Eintragung ins Schuldbuch in 5%ige Rente verschmolzen. Von den Zinsen wurden erst 20% als Kapitalertragssteuer vorweg zurückbehalten, für Uebertragungen der Forderungen im Schuldbuch eine beträchtliche Abgabe verlangt. Nach einigen Gewaltmaßregeln von 1796 wird unter dem Directoire durch Gesetz vom 30. September 1797 der Betrag von zwei Dritteln der fundierten Schuld zwar nicht formell, aber materiell beseitigt dadurch, daß hiefür Heimzahlung in wertlosen Papieren vorgesehen wurde. Der Rest der Forderungen, „le tiers consolide“, wurde anerkannt und ist in der Tat seit dem Konsulat (seit 1801) in barer Münze unverkürzt den Gläubigern verzinst worden. Stourm berechnet, daß zum Schluß ein Rentner, der ursprünglich 150 Franken jährlich an Rente zu beziehen hatte, insgesamt um 95 Franken Jahreszahlung verkürzt wurde, also 55 Franken in barer Münze von 1801 ab bezog. Außer fast 48 Milliarden Assignaten und schließlich 2½ Milliarden „Mandats territoriaux“ wurden nicht nur die Zinsen auf den größeren Teil der fundierten Staatsschuld, sondern auch eine Menge anderer papierener Zahlungsmittel, wie Anweisungen für Lieferungen, Requisitionsscheino usw., preisgegeben, freilich nicht, ohne daß einzelne einflußreiche Personen bevorzugt wurden. Denn es herrschte im Beamtentum angesichts der Papierwirtschaft die größte Korruption. Die Not der Beamten und der Rentner war unter dem Direktorium unbeschreiblich. Man verteilte 1796 in Paris Rationen, für deren Bezahlung Zettel ausnahmsweise zum Nennwert angenommen wurden, in Mehl, Ochsenfleisch, Hammel- und Kalbfleisch an die Beamten, Rentner und die Armen. Zeitweilig wurde die Hälfte der Besoldung der Beamten in Getreide geleistet.


Daß unter solchen Umständen die Möglichkeit, freiwillige Anleihen von den Sparern zu erlangen, für den Staat nicht gegeben war, nimmt nicht wunder. Dafür machte man Experimente mit Zwangsanleihen, aus denen unsere heutigen deutschen Gesetzgeber, wenn sie Lehren der Geschichte überhaupt beachten wollten, mancherlei lernen könnten.

1793 hat man unter dem Konvent eine progressive unverzinsliche Zwangsanleihe dekretiert, das Directorium versuchte es noch zweimal mit Zwangsanleihen. Von der ersten Anleihe des Directoriums berechnet Stourm, daß sie 6,762,728,571 Livres einbrachte, aber größtenteils in wertlosem Papier; in Münze nur 11½ Million und in sonstigem Gold und Silber ebenfalls 11½ Million. Die letzte Zwangsanleihe des Directoriums von 1799 brachte in Münzen ungefähr 3 Millionen. In der Versammlung der 500 wurde darüber nachträglich geurteilt:

Die Zwangsanleihe … hat unberechenbare Uebelstände erzeugt: sie hat die Hilfsquellen des Staates vernichtet, alle kaufmännischen Operationen zum Stillstand gebracht; der Kaufmann, der Manufakturunternehmer, der Fabrikant, der Handwerker, der Landwirt, alle haben Furcht gehabt vor der Sinnesart und Gewissensverfassung einer Einschätzungsjury, die nichts zu verlieren hatte; von diesem Augenblick an kam alles zum Stillstand: das Bargeld verschwand, und alle Arme blieben müssig.“

Es genügt nicht, darauf hinzuweisen, daß für die französischen Zwangsanleihen der Revolutionszeit brauchbare Vermögensregister fehlten; auch wenn sie vorhanden gewesen wären, hätte eine Politik fehlschlagen müssen, welche festgelegtes Vermögen beansprucht, statt sich an die flüssigen Mittel des Geldmarktes zu wenden, welche Gewalttätigkeit anwendet, wo pünktliches Erfüllen der Vernichtungen und Appell an das Interesse und die Freiwilligkeit, die Grundlagen wahren ergiebigen Kredits, allein helfen können.


Blickt man auf die Zeit der Assignaten und Mandats territoriaux zurück, so ist festzustellen, daß erstaunliche Mengen von Münze schließlich wieder zum Vorschein kamen, als das Papiergeld wertlos geworden war. Es war in Frankreich nicht der Barbestand bei Beginn der Papierwirtschaft an eine Zentrale abgeliefert worden. Dadurch, daß erlaubter- oder unerlaubterweise das Bargeld ein Aufgeld gegen Zettel bewahrte, blieb es dem Lande erhalten; dadurch, daß insbesondere die Bauern Münzen hamsterten, leisteten sie der Gesamtheit einen wertvollen Dienst. Metallgeld war vorhanden, als die Papierwirtschaft zusammenbrach. Eine enorme Schädigung aller derer, deren Vermögen in Geld oder in anderen auf Papiergeld lautenden Werten bestand, trat ein. Wäre damals Frankreich ein hochkapitalistisch entwickeltes Land mit stark ausgebildeter Kreditwirtschaft gewesen, so wäre ein fürchterlicher Zusammenbruch der gesamten Volkswirtschaft eingetreten, als die Zettel völlig wertlos wurden. Es wäre nach Wiederherstellung der Ordnung für solche Schuldner, die langfristige Schulden in entwertetem Papier aufgenommen hatten, die Heimzahlung zum Nennwerte in barer Münze vernichtend gewesen. Daß dies Schicksal nicht den französischen Staat als Schuldner der Rente traf, wurde durch den teilweisen

Staatsbankrott verhütet. Auffällig ist, daß während der französischen Zettelwirtschaft von den Devisenkursen so wenig die Rede war und daß sich die Zettelentwertung nur im hohen Preise des Metallgeldes aussprach. Frankreich war durch die britische Flotte vom Welthandel abgeschnitten und in hohem Maße eine sich selbst genügende, sich selbst ausreichend versorgende Volkswirtschaft mit vorwiegend agrarischem und kleingewerblichem Charakter. Daß immerhin das Gewerbe sehr unter dem Zettelbankrott litt, wird von Levasseur nachgewiesen.


Daß der Unwille der französischen Bevölkerung gegenüber der Zettelwirtschaft und ihrem ruhmlosen Abschluß sich nicht stärker geltend machte, ist nur zu verstehen, wenn wir bedenken, daß nicht die Last von riesigen Goldzahlungen, wie sie das heutige entwaffnete Deutschland gegenüber der Entente aufzubringen hat, auf dem damaligen Frankreich lastete, und daß damals eine außerordentlich erfolgreiche auswärtige Politik, vor allem reicher militärischer Erfolg, wobei der Krieg im Auslande geführt wurde und sich selbst ernährte, den Franzosen beschieden war. Aus dem von französischen Armeen besetzten Auslande dürfte auch Bargeld nach Frankreich geströmt sein. Das Verteidigungsargument der Zettelwirtschaft in Frankreich lautete: Frankreich habe seine innere und äußere Freiheit dank der Zettelwirtschaft erreicht.


In späteren Zeiten, haben aber die Franzosen aus den damaligen Erfahrungen gelernt, sich von Staatspapiergeld und auch von unvorsichtiger Uebetreibung der Banknotenemission zurückzuhalten. Gegenwärtig steht ihre Valuta zwar besser wie die deutsche, aber weit unter Goldparität, und sie beziehen dadurch, daß Deutschland seine Entschädigungszahlungen in Goldmark leisten muß, einen durch nichts gerechtfertigten Extravalutagewinn, dem durch entsprechende Vereinbarungen hinsichtlich der deutschen Zahlungsleistungen entgegengewirkt werden müßte, wenn bei uns Initiative und in der übrigen Welt nur etwas Gerechtigkeit herrschen würde.

 

Quelle: Beiträge und historische Dokumente aus dem Archiv des Battenberg Gietl Verlags

Abb. und Anmerkungen: Hans-Ludwig Grabowski

Comments


bottom of page