In der Dokumentensammlung von Albert Pick befinden sich u. a. die Kopie eines Erlasses zur Behebung der Zahlungsmittelknappheit aus den letzten Kriegstagen 1945, unterschrieben von Großadmiral Dönitz, sowie ein Protokoll zu einer Besprechung vom 5. Mai 1945 in der Wirtschaftskammer Flensburg mit Anhang. Den Inhalt dieser wichtigen Dokumente möchten wir unseren Lesern nicht vorenthalten, weil er für sich spricht und gleichzeitig das abschließende Kapitel zu den Notausgaben am Ende des Zweiten Weltkriegs im damaligen Großdeutschen Reich kurz vor der bedingungslosen Kapitulation darstellt.
Großadmiral Karl Dönitz mit Ritterkreuz des Eisernen Kreuzes mit Eichenlaub (verliehen am 6. April 1943); ca. April/Mai 1943. Bundesarchiv Bild 146-1976-127-06A.
Nach der Entmachtung von Göring sowie den Selbstmorden von Hitler am 30. April und von Goebbels am 1. Mai 1945 in der Berliner Reichskanzlei setzte der von Hitler testamentarisch zum Nachfolger bestimmte Großadmiral Karl Dönitz eine bereits seit Ende April vorbereitete sog. Geschäftsführende Reichsregierung ein, die sich kriegsbedingt in das noch nicht von alliierten Truppen besetzte Norddeutschland zurückgezogen hatte.
Sie bestand hier bis zur Verhaftung des Großadmirals am 23. Mai 1945.
Wie noch kurz vor der bedingungslosen Kapitulation 1945 die Ausgabe von Notgeld beschlossen wurde
1. Die Besprechung in Flensburg
V e r m e r k
über die Besprechung am 5. Mai 1945 in der Wirtschaftskammer Flensburg unter Leitung von Ministerialdirektor Gruppenführer Ohlendorf[1] mit den Vertretern der
Reichsbank (Reichsbankdirektor Belling)
Flensburger Privatbank (Direktoren Kock und Orth)
Kreditbank (Direktor Hansen, Aufsichtsratsvorsitzender Jensen)
Landesgenossenschaftsbank (Bankvorsteher Tüter)
Flensburger Stadtsparkasse (Direktor Rohwedder)
Kreissparkasse (Direktor Birk).
Anwesend ferner:
Präsident Dethleffsen
Syndikus Dr. Schirmeister
Oberregierungsrat Dr. Rother und
" Gäthgens.
1.) Notgeldfrage
Die Erschienenen waren übereinstimmend der Meinung, daß der erheblich gestiegene Bedarf an Geld durch die vorhandenen Noten nicht gedeckt werden könne. Die Reichsbank Flensburg verfügt zur Zeit über rd. 1 Mill. Reichsmark in Reichsbanknoten; sie hat außerdem 3 bis 4 Mill. Reichsmark in Reichskreditkassenscheinen, die nach Abstempelung in den Verkehr gegeben werden können. Der Gesamtbetrag von 4 bis 5 Mill. RM würde ausreichen, den Flensburger Bezirk unter normalen Umständen zu versorgen. Wegen der großen Anforderungen, die einesteils von der Wehrmacht, anderenteils von verlagerten Dienststellen, Betrieben und Flüchtlingen gestellt werden, ist jedoch mit Sicherheit zu erwarten, daß in längstens 8 bis 10 Tagen keine Zahlungsmittel mehr vorhanden sein werden.
Ein besonderes Problem bilden die Flüchtlingsgelder. Die Banken zahlen zur Zeit 300,–– RM monatlich, die Sparkassen 50,–– RM monatlich auf Sparkassenbücher aus; in Härtefällen ist Sonderbehandlung üblich. Der Vertreter der Volksbank wies darauf hin, daß die Auszahlungen an Flüchtlinge eine untragbare Schmälerung der wirtschaftlichen Substanz Flensburgs bedeutete, er wünschte entweder eine besondere Garantie des Reiches oder ein Verbot der Auszahlung. Es wurde erwidert, daß aus allgemeinen politischen Gründen ein solches Verbot nicht in Betracht komme. Von anderer Seite wurde festgestellt, daß in den letzten Tagen die Angstabhebungen nachgelassen hätten. Der Gesamtbetrag der Flüchtlingsgelder kann annähernd auf 20 bis 25 Mill. RM roh geschätzt werden. Es bestand völlige Übereinstimmung dahin, daß grundsätzlich nur der Notbedarf ausgezahlt werden kann.
Die Banken sind bisher im allgemeinen den Zahlungsanforderungen nachgekommen; insbesondere ist es möglich gewesen, Lohngelder voll auszuzahlen.
Um den Geldbedarf weiter befriedigen zu können, ist es notwendig, neues Geld herauszubringen. Einigkeit bestand darüber, daß kein städtisches Notgeld geschaffen werden soll, sondern ein überregionales Geld, für das als Träger eine provinzielle Anstalt gebraucht wird. Hierfür kommen die Schleswig-Holsteinische Landesbank oder der Sparkassen- und Giroverband für Schleswig-Holstein in Frage. Die Schleswig-Holsteinische Landesbank hat ihren Sitz in Kiel. Auch hinsichtlich des Sparkassen- und Giroverbandes ist festgestellt worden, daß z.Zt. Zeichnungsberechtigte nicht im unbesetzten Schleswig-Holstein erreichbar sind. Jedoch hält sich der Oberpräsident zur Zeit in Flensburg auf, so daß es voraussichtlich möglich ist, entsprechend der Satzung für eine Vertretung des Verbandes zu sorgen. Diese Frage wird nachgeprüft.
Die technische Ausgestaltung des neu zu schaffenden Geldes wurde einer Besprechung vorbehalten, die am 6. Mai ds.Js. unter Vorsitz von Präs. Dethleffsen mit Vertretern des Druck- und Papiergewerbes stattfand.
1.) Allgemeine Fragen wirtschaftlicher Natur
Präs. Dethleffsen schilderte die außerordentlichen Nöte im Transportwesen. Verschiedene Wirtschaftsgüter lagerten außerhalb von Flensburg und es bestände zur Zeit noch keine Möglichkeit, sie in die Stadt zu schaffen. Er bat daher um Beschaffung von Lastzügen, insbesondere von Holzgaswagen. In erster Linie muß Öl aus Heide herangefahren werden. Diese Frage soll mit dem Generalquartiermeister[2] besprochen werden. Es wurde hierbei von einem Teilnehmer an der Be- …
2. Die Abschrift
Zahlungsmittelversorgung des
nördlichen Reichsgebiets
Infolge der militärischen Ereignisse unterliegt die ausreichende Versorgung des norddeutschen Reichsgebiets mit Zahlungsmitteln erheblichen Schwierigkeiten. Die Deutsche Reichsbank hat sich zwar bemüht, Geldtransporte herzusenden, doch reichen die übersandten Zahlungsmittel nicht aus, den laufenden Bedarf zu decken. Der Bedarf hat sich erheblich gesteigert, weil die Vorauszahlung der laufenden Bezüge (Gehälter, Löhne, Sozialleistungen) für einen längeren Zeitraum durchgeführt wird und weil das Publikum laufend Guthaben bei Banken und Sparkassen in Bargeld umwandelt. In Schleswig-Holstein mußten infolge der Zahlungsmittelknappheit bereits Auszahlungsbeschränkungen durchgeführt werden. Im Gebiet von Groß-Hamburg werden sie in kurzem ebenfalls notwendig sein.
Ein Nachschub von Zahlungsmitteln durch die Reichsbank wird voraussichtlich kaum möglich sein. Es wird versucht werden, aus den süddeutschen Gebieten Zahlungsmittel heranzuschaffen, und es wird geprüft werden, ob neben Reichsbanknoten Reichskreditkassenscheine in den Verkehr gegeben werden können. Auch diese Maßnahmen werden aber im Fall ihrer Durchführbarkeit nur für eine zeitlich begrenzte Überbrückung ausreichen.
Es muß deshalb vorgeschlagen werden, schon jetzt Aushilfsgeld vorzubereiten, das in den Verkehr gegeben wird, bis es wieder durch Reichsbankgeld abgelöst werden kann. Erwägungen hierüber schweben bereits in allen Teilen des norddeutschen Reichsgebiets, und zwar in den verschiedensten Formen. Während in Groß-Hamburg die Ausgabe des Aushilfsgeldes durch die Landesbank geplant wird, besteht in Schleswig-Holstein die Absicht, Aushilfsgeld durch die einzelnen Gemeinden ausgeben zu lassen. Der Versuch, eine einheitliche Grundlage für die Ausgabe von Aushilfsgeld zu schaffen, ist daran gescheitert, daß Verhandlungen hierüber in Lübeck durch den Regierungspräsidenten abgelehnt worden sind. Die Schaffung einer einheitlichen Grundlage für die Ausgabe des Aushilfsgeldes im gesamten norddeutschen Raum ist aber unerläßlich, um zu verhindern, daß vermeidbare inflationistische Erscheinungen auftreten, und daß die Gestaltung des Aushilfsgeldes durch zu weitgehende örtliche Begrenzung die überörtlichen Verkehrsbedürfnisse nicht befriedigen kann. Dabei werden folgende Erwägungen maßgebend sein:
Die Ausgabe des Aushilfsgeldes muß durch einen bekannten und angesehenen Träger erfolgen, der ein möglichst großes Gebiet umfaßt. Eine Ausgabe durch das Reich für den gesamten norddeutschen Raum ist nicht möglich, da das Reich nur Geldzeichen ausgeben kann, die für das gesamte Deutsche Reichsgebiet gelten und dort umlaufen. Alsdann erscheint es zweckmäßig, die Geldzeichen durch die Landesbanken auszugeben. Es kann hierbei angestrebt werden, daß äußere Bild der Geldzeichen möglichst gleich zu gestalten.
Die Geldzeichen müssen über die Reichsbankstellen in Verkehr gesetzt werden. Sie müssen durch Reichsmarkguthaben bei der Reichsbank gedeckt sein. Ihre Ausgabe erfolgt nur in Höhe der bei der Reichsbank befindlichen Guthaben. Sie werden von allen Reichsbankanstalten und damit von allen Kreditinstituten in Zahlung genommen. Ihre überörtliche Verwendbarkeit ist damit sichergestellt.
Zur Durchführung dieser Maßnahmen wird vorgeschlagen, die anliegende Verordnung zu erlassen.
Handschriftliche Unterschrift [unleserlich]
DEU-267R: Reichskraditkassenschein über 5 RM mit Stempel "Reichsbank 1 Rendsburg".
Abb. Sammlung Grabowski.
Die Reichskreditkassenscheine waren bereits ab 1. Januar 1945 als Besatzungsgeld der Deutschen Wehrmacht ungültig geworden.
Ende des Zweiten Weltkriegs sind sie – amtlich nur 20 und 50 Mark, doch kommen die anderen Werte auch vor – in Schleswig-Holstein von verschiedenen dortigen Reichsbankstellen mit Dienstsiegeln abgestempelt und als Notgeld ausgegeben worden.
Die abgestempelten Scheine kamen zwischen dem 5. und 13. Mai 1945 in Umlauf und blieben bis zum 4. Mai 1946 gültig.
HAM-41: Hamburgische Landesbank-Girozentrale, Druckproben zur Notausgabe über 50 RM vom 30. April 1945. Abb. Teutoburger Münzauktion.
Die für Hamburg geplante Notausgabe der Hamburgischen Landesbank-Girozentrale über
50 Reichsmark vom 30. April 1945 kam nicht mehr in Umlauf. Es existiert nur ein Musterschein und Druckproben der Vorder- und Rückseite.
3. Der Erlass
E r l a s s.
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Zur Behebung der augenblicklichen Zahlungsmittelknappheit bestimme ich :
Die Landesbanken und die Sparkassen- und Giroverbände werden ermächtigt, Aushilfsgeld in der Stückelung von 1, 2, 5, 10, 20 und 50 Reichsmark auszugeben. Jede andere Ausgabe von Aushilfsgeld ist untersagt.
Das Aushilfsgeld tritt gleichwertig neben den in Umlauf befindlichen Reichsbanknoten und Reichsbankscheine[3] und wird nach den für diese geltenden Grundsätzen von den jeweils zuständigen Reichsbankstellen in Verkehr gesetzt. Es ist von jedermann im Zahlungsverkehr anzunehmen.
Das umlaufende Aushilfsgeld muss jederzeit in voller Höhe durch Reichsmarkguthaben bei der Deutschen Reichsbank gedeckt sein. Die Haftung für das Aushilfsgeld trägt allein das Reich.
Für vernichtetes, verlorenes oder ungültig gewordenes Aushilfsgeld wird kein Ersatz geleistet.
Die Einziehung des Aushilfsgeldes wird durch Verordnung bestimmt werden.
§ 25 des Gesetzes über die Deutsche Reichsbank vom 15. Juni 1939 – RGBl. I S. 1015 – findet entsprechende Anwendung.
Soweit von der Ermächtigung nach Ziffer 1 Gebrauch gemacht wird, ist dies unter Abdruck dieses Erlasses in den amtlichen Verkündigungsblättern und in der Tagespresse bekanntzumachen.
Flensburg, den
Unterzeichnung der bedingungslosen Kapitulation der deutschen Wehrmacht zu Lande,
zu Wasser und in der Luft am 8. Mai 1945 in Berlin-Karlshorst durch den Chef des OKW, Generalfeldmarschall Wilhelm Keitel.
Zur Herstellung und Ausgabe des sog. "Aushilfsgelds" kam es nicht mehr! Nur für Hamburg hatte es mit der abgebildeten Druckprobe eines 50-RM-Scheins vom 30. April 1945 bereits zuvor konkrete Vorbereitungen gegeben, die aber auch nicht mehr umgesetzt werden konnten. Kurz nach der Beratung in der Wirtschaftskammer Flensburg vom 5. Mai 1945 kapitulierten Vertreter der Wehrmacht in der Nacht vom 6. auf dem 7. Mai 1945 im Obersten Hauptquartier der Alliierten Expeditionsstreitkräfte in Reims. Um die Kapitulation auch durch den Chef des Oberkommandos der Wehrmacht, Generalfeldmarschall Wilhelm Keitel, sowie durch die Oberbefehlshaber der Kriegsmarine und der Luftwaffe bestätigen zu lassen, erfolgte deren Unterzeichnung der Urkunde der bedingungslosen Kapitulation der deutschen Wehrmacht am 8. Mai 1945 im Hauptquartier der Roten Armee in Berlin-Karlshorst. Hierzu wurde Großadmiral Karl Dönitz extra aus dem Sonderbereich Mürwik bei Flensburg eingeflogen.
Hans-Ludwig Grabowski
Quelle: Beiträge und historische Dokumente aus dem Archiv des Battenberg Gietl Verlags
Abb. Hans-Ludwig Grabowski / Teutoburger Münzauktion
Anmerkungen
SS-Gruppenführer Otto Ohlendorf (1907-1951).
Ab 22. Juli 1944 (kurz nach dem Attentat auf Hitler) bis Kriegsende Generalmajor Alfred Toppe.
Gemeint sind sicher Rentenbankscheine.
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