Nachfolgend möchten wir unseren Lesern den Aufruf einer Legende unter den frühen deutschen Geldscheinsammlern, Georg Pflümer, zur Gründung einer Sammlervereinigung aus dem Jahr 1909 nicht vorenthalten.
Über Papiergeldsammeln
(Nachdruck gestattet)
Berliner Münzblätter, 30. Jahrgang 1909
"Obwohl schon in den achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts der inzwischen verstorbene L. Clericus in Magdeburg als eifriger Papiergeldsammler in verschiedenen Zeitschriften in sehr anregenden Artikeln auf das Papiergeldsammeln aufmerksam machte und die alten noch wenig beachteten, in der Vergessenheit schlummernden Scheine als historisch außerordentlich wichtige Denkmäler vergangener Zeiten mit Recht die Stiefkinder der Numismatik nannte, hat sich noch immer kein größeres Interesse diesem Gebiete der Numismatik zugewandt. Es gibt nur wenige Sammler, denen es mit Ausdauer und Fleiß gelungen ist, größere Sammlungen, wissenschaftlich geordnet, zusammenzubringen. Um diese Sammler nun in nähere Beziehungen mit einander zu führen und einen gegenseitigen Verkehr und Austausch unter einander zu ermöglichen, wäre es vielleicht wünschenswert, wenn sie sich zu einer Vereinigung zusammenschlössen, um gegenseitig ihre Interessen wahrnehmen zu können und auch in weiteren Kreisen Propaganda für das bis jetzt wenig erschlossene Gebiet zu machen. So manches Stück würde dann den Sammlungen zugeführt werden können und auch das Interesse der Händler mehr wie bisher dafür geweckt werden."
Erfurt, Blockadeschein der französischen Garnison von Erfurt über 8 Groschen
vom 1. November 1913. Abb. Sammlung Beerenwinkel.
100 Forint des Ungarischen Finanzministeriums von 1848. Abb. Sammlung Grabowski.
"Wenn man das unter Law zur Zeit Ludwigs XV. in Frankreich emittierte Papiergeld, die Assignaten unter Ludwig XVI. und ähnliche Scheine (Bons des communes) z. Zt. der Revolution, der Invasion unter Pichegru in Holland, der verschiedenen Revolutionen Polens, das Belagerungsgeld Italiens und Ungarns z. Zt. von Garibaldi und Kossuth, die Blockadebillets von Mainz, Colberg, Erfurt, ferner die italienischen und österreichischen Aushilfsgelder von 1848 und 1870, wie auch die alten amerikanischen Scheine unter englischer Herrschaft im 18. Jahrhundert und z. Zt. des 1864er Kriegs usw., die vielen Scheine der verschiedenen Staaten und Banken Deutschlands bis zur Mitte der 70er Jahre vorigen Jahrhunderts und schließlich die kleinen Aushilfsgelder (Vales) in den südamerikanischen Republiken, Spanien, Portugal usw. wie auch alle übrigen hier unmöglich aufzuführende Papiergeld anderer Länder betrachtet, dann wird man verstehen, wie interessant und auch zum kulturhistorischen Standpunkt aus wichtig sich eine solche Sammlung gestalten kann."
"Sollte daher diese Anregung bei den Papiergeldsammlern Anklang finden, wäre es
mir lieb, Mitteilungen darüber zu empfangen, damit dann ein Austausch der gegenseitigen Ansichten stattfinden und so die vorgeschlagene Vereinigung erstrebt werden könnte."
Georg Pflümer, Hameln a. d. Weser
Es sollte noch Jahrzehnte dauern, bis das Sammeln von Papiergeld aus dem Schatten des Münzsammelns treten konnte und Notaphilie genannt wurde. Das Notgeld während und nach dem Ersten Weltkrieg löste einen ersten großen Sammlerboom aus und die sog. Serienscheine wurden Anfang der 1920er-Jahre hauptsächlich nur noch für Sammler hergestellt. Damals soll es im Deutschen Reich 15.000 Geldscheinsammler gegeben haben und vier eigene Notgeld-Zeitschriften. Einen wesentlichen Beitrag zur Verbreitung des Papiergeldsammelns leistete Dr. Arnold Keller mit seinen frühen Katalogen, die ein gezieltes Sammeln erst möglich machten.
Lesen Sie hier mehr über Dr. Arnold Keller: Dr. Arnold Keller – Ein Sammlerleben
Die Inflation lieferte Unmengen an Papiergeld, sowohl an Banknoten als auch an Notgeld. Doch die Menschen hatten genug von Inflation und dann schließlich auch noch vom Zweiten Weltkrieg. In den 1950er-Jahren widmete sich Dr. Keller der Neu-Katalogisierung des deutschen Notgelds. Damals ließ er seine Kataloge noch mit der Schreibmaschine von seiner Frau tippen und in nur sehr geringer Zahl kopieren. Erst in den 1970er-Jahren stieg mit zunehmenden Wohlstand auch wieder das Interesse an historischen Geldscheinen. Seither hat die Notaphilie in Deutschland und aller Welt eine große Zahl an Anhängern gefunden.
Viele Kataloge sind mittlerweile veröffentlicht und längst hat sich auch der Papiergeldhandel etabliert und auf Auktionen erzielen historische Geldscheine längst sehr respektable Ergebnisse. Papiergeldsammler gibt es heute rund um die Welt und die größte Banknotenbörse ist aktuell die MIF Paper Money Fair in Maastricht.
Deutschlandweit ist heute der DGW (Deutsche Geldschein- und Wertpapiersammler e.V.) als Verein aktiv. International ist die International Bank Note Society (IBNS) äußerst aktiv.
Heute muss man zahlreiche historisch interessante Sammelgebiete aufzählen, die Pflümer 1909 noch nicht erahnen konnte, z. B. Besatzungsausgaben beider Weltkriege, Lagergeld von Kriegsgefangenen-, aber auch von Konzentrationslagern und vieles mehr. Geldscheine, die man zu Zeiten des Aufrufs von Pflümer noch für kleines Geld kaufen konnte, sind heute ein Vermögen wert. Allein in der Zeit des Aufstiegs des Papiergeldsammelns seit den 1970er-Jahren haben sich die Bewertungen von historischen Geldscheinen stetig nach oben entwickelt und zum Teil vervielfacht.
Hans-Ludwig Grabowski
Quelle: Beiträge und historische Dokumente aus dem Archiv des Battenberg Gietl Verlags
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