Gedenk-Tafel für Kinder und Kindeskinder
Viele Papiergeldsammler begnügen sich nicht damit, „nur“ die Geldzeichen ihres Sammelgebietes möglichst komplett zu sammeln, sondern nehmen auch gerne Belege in ihre Sammlung auf, die in einer gewissen Beziehung hierzu stehen und diese komplettiert.
Hier sind z. B. Schecks, Wechsel, Münzen und Medaillen, Kriegsanleihen, Aktien, Schuldverschreibungen, Depositenscheine, Sparbücher, Rechnungen, Ansichtskarten, Zeitungsausschnitte usw. zu nennen.
Heute steht einen Beleg im Fokus der Betrachtung, der das Ende der Inflationszeit thematisiert. Die hier vorgestellte Gedenk-Tafel wurde etwa zehn Jahre nach Ende der Inflation vom Verlag Friedrich Seelig aus Borna verkauft, gedruckt auf bräunlichem Karton von der Druckerei Conrad Müller, Schkeuditz-Leipzig.
Abb. 1: Gedenk-Tafel für Kinder- u. Kindeskinder aus Deutschlands schwerster Zeit.
Der Karton hat die Maße 255 x 240 mm und ist mit der vierzeiligen Überschrift „Gedenk-Tafel / für / Kinder- u. Kindeskinder / aus Deutschlands schwerster Zeit“ versehen. Gleich darunter wird eine nachgezeichnete Vorderseite der zu einer Milliarde Mark aufgewerteten 1000-Mark-Reichsbanknote vom 15. Dezember 1922 in Originalgröße abgebildet. Links vom Geldschein befindet sich eine Tabelle mit den Preisen ausgesuchter Waren und Dienstleistungen im November 1923. So erfährt man beispielsweise, dass damals 1 Pfund Salz 100 Milliarden und ein Glas Bier 200 Milliarden Mark kostete. Auf der anderen Seite ist eine Aufstellung, die über den damaligen Dollarkurs informiert. Musste man im Januar 1918 nur 4,20 Mark für einen US-Dollar ausgeben, so waren es 4.200 Milliarden Mark im Dezember 1923. Anhand des folgenden Aufdrucks „Im Januar 1924 – 1933 wieder wie im Jahre 1918 ein Dollar = 4,20 Mark“ kann auf das Herstellungsjahr 1933 geschlossen werden.
Unterhalb der Banknote wird eine Alltagsszene abgebildet, die typisch für die Hochinflation war. Eine Schlange wartender Frauen steht vor einem Lebensmittelgeschäft, um noch schnell etwas einzukaufen, bevor die Preise weiter steigen. Rechts davon:
Kartoffeln, Brot und Butter
Bekam nur wenig Gramm die Mutter
Nicht so einfach wie Ihr denkt,
Denn der Einkauf war beschränkt.
Manch alte kranke Mutter
Verlor im Kriege ihren Sohn.
Am Bettelstab, doch nicht verzagend,
Erhielt sie ihren kargen Lohn.
In der Inflation
Da spielte Geld bei manchem keine Rolle.
Da verkaufte ich meine Scholle.
Als ich mich besann,
Ward ich zum Bettelmann.
Der Text erinnert an die wirtschaftliche Not der damaligen Zeit, sowie an das große Leid der Mütter, die ihre Söhne im Krieg verloren haben. Aber er erzählt auch von der Not, die manchen Besitzer von Grund und Boden zum Verkauf zwang und der nun mit wertlosem Geld dastand.
Links von der Alltags-Szene geht der Text auf die Profiteure der Hyperinflation ein:
Wie mag es heut‘ den Schiebern geh’n?
Schöne Stunden sahen sie vorübergeh’n.
Auch im Gasthaus dann und wann
Traf man sie in Gesellschaft an
Des Schiebers Lob: Die Mark zerstob!
Die Milliarden kamen.
Solch‘ schnödes Geld,
Ward verachtet in der Welt.
Doch Euer Geld Ihr Kinder, Das wir für Euch gesparet?
Hier oben leset diese Preise,
Zerrann wie Hauch auf diese Weise.
Spekulanten wie der Großindustrielle Hugo Stinnes waren die Alchemisten, die aus Papier Gold machten. Sie kauften mit geborgtem Geld Sachwerte – Banken, Hotels, Fabriken, Immobilien, Zeitungen … – und zahlten die Kredite mit entwertetem Geld zurück. Im Ausland spekulierte man ebenfalls mit dem deutschen Geld. Mitte September 1923 aber setzten die führenden US-amerikanischen Banken die Notierung der deutschen Papiermark aus. In einer Zeitungsmeldung war zu lesen: „Die Banken seien der Ansicht, daß es ein lächerliches und vergebliches Bemühen sei, täglich die mathematischen Bruchteile des Dollarwertes auszurechnen, da praktisch die deutsche Währung so gut wie keinen Käufer mehr findet. Selbst die Spekulation habe sich vollkommen zurückgezogen.“[1]
Uwe Bronnert
Anmerkungen [1] Das Volk, Tageszeitung für Christentum, Deutschtum, Volkswohlfahrt. Anzeiger für amtliche Ankündigungen des Landratsamts Siegen, der Stadt Siegen, verschiedener Ämter und Landgemeinden, des Finanzamtes Siegen, der staatlichen Oberförsterei Siegen, der Eisenbahn-Direktion Elberfeld und Frankfurt a. M. sowie sonstiger kommunaler und staatlicher Behörden. 35. Jahrgang, Nr. 218 vom 17.09.1923.
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