Während des Ersten Weltkriegs waren Teile des Baltikums (Kurland/Lettland, Litauen), Weißrusslands und Nordpolens (Russisch-Polen) als Land „Ober Ost“ dem Oberbefehlshaber Ost unterstellt. Zum geschichtlichen Hintergrund vergleiche hierzu diverse Veröffentlichen u. a. den Online-Artikel von Helmut Kahnt „Rückblick: Gründung von Ober Ost“ am 15. März 2017 auf Münzen-Online: https://www.muenzen-online.com/post/2017/03/09/vor-100-jahren-gr%C3%BCndung-von-ober-ost
Die Stadt Bialystok im damaligen Distrikt Bialystok-Grodno wurde am 13. August 1915 durch deutsche Truppen besetzt. Im Vorfeld hatten abziehende russische Truppen u. a. sämtliche Bargeldbestände mitgenommen. Hierdurch entstand ein erheblicher Mangel an Zahlungsmitteln. Neben verbliebenden russischen Rubel gelangte nur langsam auch deutsche Mark in den Umlauf. Der gegenseitige Wechselkurs betrug 10 Mark für 5 Rubel, später 10 Mark für 6 Rubel, dann 10 Mark für 6,66 Rubel.
Wegen des Bargeldmangels wurde auch in Bialystok Notgeld ausgegeben. Am 15. September 1915 erfolgte die Ausgabe der Wertstufen:
30 Kopeken ohne Mark Angabe;
1 Rubel ohne Mark Angabe;
1 Mark = 60 Kopeken;
3 Mark = 1 Rubel 80 Kopeken;
5 Mark = 3 Rubel.
Am 1. Oktober 1915 erfolgte die Ausgabe höherer Wertstufen:
10 Mark = 6 Rubel;
20 Mark = 12 Rubel;
50 Mark = 30 Rubel;
100 Mark = 60 Rubel.
Einige Scheine kommen auch mit einem seitlichen Stempelaufdruck „Markwert ungültig. Einlösung nur nach dem Rubelwert.“ in Rot und Violett vor.
Ausgegebene Scheine kommen mit drei verschiedenen violetten Gemeindestempeln vor:
Kasse der Stadtverwaltung Bialystok mit Stadtwappen (selten);
Der Deutsche Oberbürgermeister Bialystok mit Stadtwappen;
Kaiserlich Deutscher Oberbürgermeister Bialystok ohne Stadtwappen.
Alle Ausgaben sind ohne Wasserzeichen und einseitig gedruckt. Nur die Scheine zu 50 und 100 Mark verfügen über ein Wasserzeichen, das an dunkle Quadrate oder Würfel erinnert.
Im Keller-Katalog der Deutschen Wertpapierwasserzeichen konnte dieses Wasserzeichen nicht festgestellt werden. Alle Scheine haben unterschiedliche Formate.
Die handschriftliche Unterschrift des deutschen kaiserlichen Oberbürgermeisters von Bialystok Lehmann findet sich auf den Notgeldscheinen, verschiedentlich auch die Unterschrift seines Stellvertreters. Die Unterschriften des Bürgerkomitees sind immer gleich.
Alle Ausgaben haben eine gestempelte KN, die bei den Wertstufen bis 10 Mark 4-und 5-stellig und ab 20 Mark 3-stellig ist. Die Gesamtauflage soll im Wert bei 300.000 Mark / 180.000 Rubel gelegen haben. Eine Druckfirma ist nicht bekannt.
Die Notgeldscheine der Stadtkasse waren nur in Bialystok gültig und liefen bis zur generellen Einführung der Darlehnskassenscheine in Rubel-Währung durch die Ostbank für Handel und Gewerbe, Darlehnskasse Ost mit Sitz in Posen ab April 1916 (vgl. Grabowski; Die deutschen Banknoten ab 1871, 22. Auflage, Seite 577-580) nur von September 1915 bis ca. Mitte 1916 um. Sie sind recht selten.
Bedauerlicherweise gibt es keinen eigenen Katalog zu allen Notgeldausgaben im Land „Ober Ost“. Vereinzelt finden sich Hinweise in dem vorgenannten Katalog sowie im Katalog von Grabowski „Ausländische Geldscheine unter deutscher Besetzung“ (vgl. Seite 133-159, 174–176, 214–226, 232–238). Weitere deutsche Notgeldausgaben können eventuell aus dem polnischen Notgeldkatalog von Andrzej Podczaski „Katalog Papierowych Pieniedzy Zastepczych z Ziem Polskich 1914-1924“ entnommen werden. (liegt dem Autor nicht vor).
Vielleicht findet sich ein interessierter Autor der alle Informationen zu den spannenden Notgeldausgaben in Ober Ost in einem Katalog zusammenfasst. Für dieses besondere Sammelgebiet wäre das wünschenswert.
Land/Region/Ort: Kaiserreich Russland / Gebiet Ober Ost / Bialystok
Emittent: Kaiserlicher Deutscher Oberbürgermeister, Stadtkasse
Nominal: 50 Mark / 30 Rubli
Datierung: 1. Oktober 1915
Vorderseite: Druck Zierrahmen und Text blau, einseitig
Material: Papier
Wasserzeichen: Dunkle Quadrate
Format: 185 × 110 mm
Nummerierung: 292
Authentizität: Original
Objekttyp: Notgeldschein
Sammlung: Thomas van Eck
Thomas van Eck
Wenn auch Sie ein besonderes Stück aus einer Sammlung vorstellen möchten, dann schicken Sie einfach eine E-Mail an: info@geldscheine-online.com.
Comments