Anfang Oktober 1957 begann die Schweizerische Nationalbank (SNB) damit, die seit September 1911 unverändert umlaufende, vom Schweizer Maler Eugène Burnand entworfen Banknote zu 1000 Franken der 2. Emission durch eine neu gestaltete Banknote zu ersetzen. Der Schein von Eugène Burnand war seit 46 Jahren im Umlauf und hatte zwei Weltkriege, die schwere wirtschaftliche Depression der 1930er-Jahre sowie diverse Regierungen unverändert überstanden. Obwohl auch der Schweizerfranken in diesem Zeitraum an Kaufkraft verloren hatte, war sein Wert im Vergleich zu allen anderen Währungen der Welt sehr stabil geblieben. Zur Ausgabe kam ein Entwurf des Schweizer Grafikers und Malers Pierre Gauchat, geboren am 5. Januar 1902 in Zürich, der auf einen bereits 1948 von der SNB gestalteten künstlerischen Wettbewerb zurückgeht, aus dem er als Sieger für die Notenwerte von 50 bis 1000 Franken hervorging. Da er bereits im Februar 1956 verstorben war, erlebte Pierre Gauchat die Ausgabe der von ihm gestalteten Noten nicht mehr.
Der eindrucksvoll großformatige – in Blau und dunklem Violett gehaltene – Schein zeigt auf der Rückseite das Motiv eines Totentanzes. Bei genauerem hinsehen tritt der Tod in dreierlei Gestalt auf: Als Sensenmann mit Totenschädel, der ein junges Kind auf dem Arm hält, sodann als geflügelter Totenengel, der einem älteren Mann die Augen schließt, dessen Lebenszeit abgelaufen ist. Man erkennt es an der heruntergefallenen, neben dem Mann liegenden Sanduhr. Und schließlich als Totenengel, der eine junge Frau im Tanz umschließt.
Die Gesichter der beiden Totenengel erkennt man nicht, sie sind durch wallende Umhänge verdeckt.
Dieses Motiv kommt uns heute zumindest befremdlich vor. Welche Notenbank würde schon den Tod auf eigenen Geldscheinen abbilden? Insbesondere der Sensenmann, der ein Kind auf dem Arm hält, wirkt verstörend. Man stelle sich vor, diese Banknote würde heute zirkulieren: Dürfte sie ob vielleicht verschreckender Abbildungen überhaupt an Minderjährige abgegeben werden? Müssten Bankkunden vor Auszahlung schriftlich zustimmen, dass ihnen verstörende Bilder gezeigt werden, die seelische Schäden hervorrufen können?
Totentanz bedeutet insofern nicht, dass Tote auferstehen (wie das Gegenstand vieler Horrorfilme ist), sondern dass Menschen mit dem Tod konfrontiert werden, der ihnen in Personengestalt begegnet. Der Mensch erkennt, dass er sterblich und sein Leben auf Erden endlich ist. Im Totentanz begegnet der personifizierte Tod den Menschen ohne Ansehen ihres Alters oder gesellschaftlichen Standes in gleicher Weise. Er nimmt Jüngere zu sich (das Kind auf dem Arm des Sensenmannes) genau wie Personen in der Blüte ihres Lebens (die junge, im Tanz umschlungene Frau) und Ältere nach einer erfüllten Lebenszeit.
Motive des Totentanzes kommen in der Kunst im späten Mittelalter auf. In der Schweiz bekannt ist etwa die Abbildung eines Totentanzes an der Friedhofsmauer der Predigerkirche in Basel, die 1439/40 entstand, oder die Darstellung eines Totentanzes von Kaspar Meglinger auf der bekannten hölzernen Spreuerbrücke in Luzern, die zwischen 1626 und 1632 entstanden ist. Auch in den folgenden Jahrhunderten haben sich Künstler immer wieder mit diesem Motiv beschäftigt.
Der Totentanz als Motiv für Geldscheine? Aus dem Zusammenhang der Zeit betrachtet – ja. Die Zeitung "Berner Tagwacht" etwa lobt in ihrer Ausgabe vom 12. Juni 1957 ausdrücklich die „künstlerische Kühnheit“ der Gestaltung des Scheins. Ein entrüsteter Aufschrei ob des Motivs, die Forderung nach Jugendschutz, der Wunsch, Unangenehmes zu verdrängen –Fehlanzeige. Demut aus der Erkenntnis der eigenen Sterblichkeit war jedenfalls Ende der 1940er-Jahre kein Grund für gesellschaftliche Verstörung. Die Entscheidung der SNB, dieses Motiv auf den höchsten Nominalwert der umlaufenden Banknoten zu setzen, konnte von einer bestehenden gesellschaftlichen Akzeptanz des Themas Tod ausgehen.
Die Zeiten mögen sich gewandelt haben. Das Motiv des Totentanzes auf Papiergeld hat sich meines Wissens nicht wiederholt. Außer bei Notgeldscheinen sind mir keine weiteren Geldscheine bekannt, die ausdrücklich den Tod als Motiv aufweisen. Die 1000-Frankennote mit dem Totentanz als rückseitigem Motiv blieb bis Ende April 1980 im Umlauf.
Objekttyp: Banknote
Sammlung: Sammlung Dr. Gerhard
Authentizität: Original
Land/Region/Ort: Schweizer Eidgenossenschaft
Emittent: Schweizerische Nationalbank
Nominal: 1000 Franken
Datierung: 4. Oktober 1957
Vorderseite: Guillochen, Bankname, Wertangabe, Bildnis einer jungen Frau
Rückseite: Guillochen, Wertangabe, Bild eines Totentanzes
Material: Papier ohne Wasserzeichen, mit Sicherheitsstreifen
Unterschriften: Dr. Alfred Müller, Dr. Otto Kunz, Dr. Walter Schwegler
Entwurf: Pierre Gauchat
Druck: Kupfertiefdruck und Offsetdruck durch Thomas de la Rue, London
Format: 227 mm x 125 mm
Nummerierung: 2C 43345
Auflage: 1,5 Millionen Stück (mit diesem Datum)
Gültigkeit: 14. Juni 1957 – 1. Mai 1980, wertlos seit 1. Mai 2000
Zitate:
CH 4d (Richter/Kunzmann: Die Banknoten der Schweiz)
CHE-52 (Standard Catalog of World Paper Money)
B336 (Linzmayer: The Banknote Book – Switzerland)
Dr. Sven Gerhard
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Quellen
Jürg Richter, Ruedi Kunzmann: Die Banknoten der Schweiz, Gietl-Verlag Regenstauf 2003
"Berner Tagwacht", Ausgabe vom 12.6.1957 – abgerufen unter www.e-newspaperarchives.ch
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