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AutorenbildUwe Bronnert

Barter Unit Certificates

Aktualisiert: 1. März 2023

Der Tauschhandel beherrscht das Wirtschaftsleben der ersten Nachkriegsjahre

Deutschland lag bei Kriegsende am Boden. In den Städten überall Ruinen, Schuttberge, Trümmerfelder, geborstene Fabrikhallen und zerstörte Brücken. Unermesslich war das Wohnungselend. Durch den Luftkrieg waren in den Westzonen von den 10,7 Millionen Wohnungen (1939) 2,3 Millionen total zerstört oder unbewohnbar. Einen Teil des stark dezimierten Wohnungsbestandes beanspruchten darüber hinaus die Besatzungsmächte

und zusätzlich waren neun Millionen Flüchtlinge aus den Ostgebieten unterzubringen.

So vegetierten Millionen in Gartenhäusern, Schuppen, Baracken, in Kellern unter zerstörten Häusern, ohne ausreichende Heizung und Ernährung.


1947/48 gab es für „Normalverbraucher“, also jene die keine Zulagen erhielten, wie Schwerarbeiter und Schwangere, ganze 150 Gramm Fett in der vierwöchigen Zuteilungsperiode und etwa alle drei Monate ein Ei. Im Schnitt kam man nur auf ca. 1500 Kalorien pro Tag. „Zu wenig zum Leben und zu viel zum Sterben.“

Täglich zogen daher Städter scharenweise aufs Land, um bei den Bauern Lebensmittel einzutauschen oder zu erbetteln. Mit Rucksäcken, Koffern und Körben drängten sich die „Hamsterer“ in die Eisenbahnwaggons, andere waren mit dem Fahrrad oder zu Fuß, einen alten Kinderwagen vor sich herschiebend, unterwegs. Alles Essbare war gefragt. Der Einsatz war meist „happig“. Die Bauern nahmen die entwertete Reichsmark nicht an, sie verlangten Sachwerte.[1] So wechselte vieles von dem, was noch in letzter Sekunde aus den brennenden Häusern gerettet werden konnte die Besitzer, z. B. Essbestecke, Kaffeeservices, Betttücher, Schmuck, Kunst usw. Damals kam die böse Floskel vom „Perserteppich im Kuhstall“ auf.


Abb. 1: Auf zur Hamsterfahrt aufs Land: ein völlig überfüllter Zug im Bahnhof von Remagen im Jahr 1947. Foto: Bundesarchiv/B 145 Bild-F080295-0003/Vollrath/CC-BY-SA 3.0.


Fehlende Lebensmittel waren nur eine Seite. Nach Berechnungen standen jedem Einwohner der Westzonen jedes Jahr 343 Gramm an Textilien, alle zwei Jahre ein Wasserglas, alle vier Jahre ein Stück Porzellan, alle fünfzehn Jahre ein Kochlöffel und alle 150 Jahre ein Waschbecken zu und in alle Ewigkeit keine Zahnbürste und kein Rasierpinsel.[2]


Bei dieser Mangellage behielten die Alliierten das NS-Rationierungssystem mit Warenbezugsscheinen und Lebensmittelkarten bei.[3] Geld spiele praktisch keine Rolle mehr. Es hatte nur noch bei staatlichen Transaktionen, wie der Zahlung von Steuern und Beamtengehältern seine Bedeutung. Dies wird auch daran deutlich, dass ein Normalverbraucher für alle ihm zustehenden Lebensmittel einer vierwöchigen Kartenperiode gerade einmal 9,56 Reichsmark zu zahlen hatte.


Viele wären verhungert, hätte es nicht neben diesem zwangsbewirtschaften und seit 1936 preisgestoppten Bereich nicht auch noch den Tauschhandel auf dem Schwarzmarkt gegeben. Hier wurden vorwiegend Waren gegen Waren getauscht oder gegen weit überhöhte Preise verkauft, die um das Dreißig-, Fünfzig- und Hundertfache höher lagen als die amtlich verordneten Preise. So kostete z. B. eine US-amerikanische Zigarette 6 RM, ein Pfund Kaffee 400 RM, eine 50-Watt-Glühbirne 50 RM oder ein Radio 3.000 RM.


Das Nachkriegsdeutschland funktionierte wie eine währungslose Wirtschaft. In den Großstädten gab es Tag und Nacht geöffnete „Börsen“, in der Regel in der Nähe der Bahnhöfe, auf denen alles gehandelt werden konnte, von Bahnfahrkarten bis hin zu gefälschten Dokumenten. Zigaretten wurden hier in gewisser Weise zu einer Art staatenloser Währung, die den Schwarzmarkt dominierte. 1946 gingen Schätzungen davon aus, dass bis zu 50 % des Handels mit bestimmten Waren in illegalen Tauschbörsen stattfanden und sogar zwischen einem Drittel und der Hälfte aller geschäftlichen Transaktionen über Tauschgeschäfte abgewickelt wurden.


Abb. 2: Schwarzhandel am Potsdamer Platz in Berlin.

Foto: Bundesarchiv_Bild_183-19000-3293, Berlin, Schwarzmarkt_-Zigaretten.


Der Verkauf von Zigaretten auf dem Schwarzmarkt bot US-amerikanischen Soldaten ungeahnte Verdienstmöglichkeiten. So importierten viele GIs Zigaretten aus den USA. Geschätzt wird, dass die Hälfte der Millionen von Paketen, die jeden Monat mit der Militärpost in Deutschland ankamen, Zigarettenlieferungen waren. In den PX-Läden[4] kostete eine Stange Lucky Strikes einen US-Dollar. Auf dem Schwarzmarkt erzielte man dafür über 1000 Reichsmark. Dieses Geld tauschten die US-Soldaten wie ihren Sold, den sie in Marknoten der Alliierten Militärbehörde ausbezahlt bekamen, zum Kurs von 10 Mark pro US-Dollar.


Ein GI lebte nicht nur gut in Deutschland und hatte praktisch keine Ausgaben, sondern schickte auch enorme Summen nach Hause. In einem einzigen Monat im Jahr 1945 überwiesen die in Berlin stationierten US-Soldaten allein 3.163.519 US-Dollars, über 100.000 Dollars mehr als ihren Sold und dies selbst, nachdem sie etwa 300.000 US-Dollars in den PX-Läden ausgegeben hatten! Die in Deutschland stationierten Soldaten überwiesen eine halbe Milliarde US-Dollars, euphemistisch „Pokergewinne“ genannt, nach Hause.[5]


Natürlich war dies aus unterschiedlichen Gründen bei der US-amerikanischen Militärverwaltung unerwünscht. Verschiedene Maßnahmen sollten den Schwarzmarkthandel der GIs einschränken. Ab November 1945 war der unbeschränkte Umtausch von Reichsmark nicht mehr in US-Dollar und Überweisungen nur noch in Höhe des Soldes möglich.

Ab 16. September 1946 erfolgte die Soldzahlung in auf US-Dollars lautende „Militär Payment Certificates“ und am 26. Mai 1947 verbot die US-Armee die kostenlose Einfuhr von Zigaretten aus den USA durch ihre Soldaten in Deutschland.


Abb. 3.1: Military Payment Certificate, Series 461, o. D. (1946), 1 Dollar, Vorderseite.


Abb. 3.2: Military Payment Certificate, Series 461, o. D. (1946), 1 Dollar, Rückseite.


Wenn man den Schwarzmarkthandel schon nicht beseitigen konnte, so wollte man ihn zumindest regulieren. Der Plan des kommandierenden Generals der US-Streitkräfte in Berlin, Lucius D. Clay, sah die Eröffnung einer Tauschzentrale vor, in der Waren aus legalem Besitz getauscht werden konnten, indem der Verkäufer nach Begutachtung der Ware spezielles „Ladengeld“ – Barter Units – erhielt, mit dem er seinerseits Waren erwerben konnte.

Am 20. Juni 1946 wurde in Berlin ein Tauschhandelszentrum eröffnet, in dem Barter Units mit den Wertstufen 1, 5, 10, 25, 50 und 100 Einheiten (Units) benutzt wurden. Die Scheine, die mit „O.M.G.U.S. Barter Center“ überschrieben sind, wurden in einer lokalen Druckerei hergestellt. Nur wenige Exemplare haben die Zeit überdauert und gelangten in Sammlerhände. Anfangs wurde die Stange Zigaretten mit 20 Einheiten bewertet, später stieg der Wert auf 45 und schließlich auf 95 Einheiten. Im September 1946 legte das Office of Military Government for Germany (U.S.), kurz OMGUS[6], den Wert auf 55 Einheiten fest.[7]


Dieser willkürliche Versuch einer Währungspolitik mit einem Zigarettenstandard brachte die Barter-Mart-Werte in etwa auf das Niveau des Schwarzmarktes, hatte aber grundsätzlich den Vorteil, dass die Tauschtransaktionen legal waren, anders als die der Schwarzmarktwirtschaft. Weder US-Amerikaner noch Deutsche liefen Gefahr, dass ihre Waren von der Polizei beschlagnahmt wurden.


Der kommandierende U.S.-General in Frankfurt am Main, Joseph T. McNarney, griff die Berliner Idee auf und ließ in einem leerstehenden Ladenlokal in der Kaiserstraße 48-50 (Ecke Weserstraße), nur wenige Straßen vom Bahnhof entfernt, auf zwei Etagen eine Tauschzentrale unter dem Namen „Barter Mart“ einrichten. Die Leitung übernahm Robert D. Branagan, Leutnant des Transportkorps. Die Einrichtung nahm am 14. Oktober 1946 ihre Arbeit auf.[8]


Der Frankfurter Barter Mart nutzte ebenfalls ein eigenes Ladengeld, das auf B.U.T.E. lautete. Die Wertstufen waren die gleichen wie in Berlin. In Frankfurt am Main kostete ein Pfund Butter 16 BUTEs, ein Pfund Kaffee 18, die in den USA besonders geschätzte Leica-Kamera hatte den Gegenwert von 5.000 Zigaretten, etwa 22 US-Dollars und 50 Cent, die dann in den USA für 600 US-Dollars verkauft wurde. Für 600 US-Dollars bekam man 134.000 Zigaretten, also 26 4/5 Leicas. Ein lukratives Geschäft für die GIs.


Zur Ausgabe gelangten vier Serien von „Barter Unit Certificates“:

Die Scheine der ersten Ausgabe tragen auf der Vorderseite den roten Aufdruck „Series 1946“ und eine sechsstellige Kontrollnummer mit angefügtem Stern. Bis auf die Wertangabe in Deutsch ist der Schein in englischer Sprache ausgeführt. Emittent ist das „Headquarters Command Barter Center“. Die Rückseite zeigt nur einen fünfzackigen Stern mit einem Wappenschild mit einem Schwert vor einer Flamme. Die Scheine wurden auf überschüssigem Kartenpapier von einer lokalen Druckerei gedruckt.


Abb. 4.1: Headquarters Command Barter Center, Series 1946, 1 B.U.T.E., Vorderseite.


Abb. 4.2: Headquarters Command Barter Center, Series 1946, 1 B.U.T.E., Rückseite.



Die zweite Serie ist bis auf die Serienbezeichnung „Series 1947“ mit der vorherigen identisch. Sie wurde nötig, weil die Vorräte der 1946er Serie zur Neige gingen. Beide Ausgaben wurden am 16. Juli 1947 durch die dritte Serie – „Series 1947“ – in neuer Zeichnung ersetzt. Auf der Rückseite sind die Initialen von Leutnant Branagan (R.D.B.) in Ecken der Verzierung eingraviert und auf der Vorderseite die Jahreszahl 1947.


Abb. 5.1: Headquarters Command Barter Center, Series 1947, 1 B.U.T.E., Vorderseite.


Abb. 5.2: Headquarters Command Barter Center, Series 1947, 1 B.U.T.E., Rückseite.


Als Fälschungen auftauchten, wurden die Scheine durch die vierte Serie ersetzt. Sie trägt die Serienbezeichnung „Series 1947 A“. Auf ihr findet sich erstmals die Unterschrift von Robert D. Branagan über seiner Dienstbezeichnung „1st. Lt. T. C. and Barter Center Mgr.“.

Der Druck dieser Ausgabe ist anspruchsvoller, so wird der Nennwert und die Bezeichnung sowohl auf der Vorder- als auch auf der Rückseite genannt. Beim Papier verwendete man nun sogar solches mit einem Wasserzeichen.


Abb. 6.1: Headquarters Command Barter Center, Series 1947 A, 1 B.U.T.E., Vorderseite.


Abb. 6.2: Headquarters Command Barter Center, Series 1947 A, 1 B.U.T.E., Rückseite.

Eine „Series 1947 B“ wurde zwar für eine mögliche Verwendung vorbereitet, aber nicht mehr ausgegeben.


Anfang Januar 1948 gab Clay bekannt, dass die Tauschzentralen in Berlin und Frankfurt am Main nach dem 1. April keine Waren mehr annehmen und am 1. Mai ganz schließen würden. Danach würden die ausstehenden Scheine wertlos. Nach Schwan und Boling wurde der Markt in Frankfurt aber erst im Oktober 1948 geschlossen, womit auch die Scheine der Serie 1947 A ungültig wurden.[9]


Die Lagerbestände wurden in einem großen Ausverkauf aufgelöst. Die verbliebenden Bestände konnten von den Angehörigen des Militärs gegen Militärscheine zum Preis von 5 Cent pro BUTE erworben werden. Der Erlös belief sich auf 38.000 US-Dollars, die zur Förderung der deutschen Jugend verwendet wurden.


Uwe Bronnert


Anmerkungen [1] Die deutsche Geldmenge stieg während des Krieges sprunghaft an; Bargeld und Einlagen, die 1938 bei 56,4 Milliarden Reichsmark lagen, erreichten zum Zeitpunkt der Kapitulation im Mai 1945 etwa 300 Milliarden Reichsmark. Hinzu trat nun noch die in Umlauf gesetzte Alliierte Militärmark.

[2] Vgl. Hans Roeper, Geschichte der D-Mark, Frankfurt am Main und Hamburg 1968, S. 11.

[3] Am 28. August 1939, wenige Tage vor Beginn des Zweiten Weltkriegs, wurden im Deutschen Reich Lebensmittelmarken und Bezugsscheine für Benzin ausgegeben. Nur wenig später folgte die Reichskleiderkarte. Z. B. berechtigten Lebensmittelkarten und Bezugsscheine zum Empfang bestimmter Warenmengen, soweit die Waren zur Verfügung standen. Die Warenbewirtschaftung sollte eine „gerechte“ Warenverteilung gewährleisten. Dieses System behielten die Alliierten nach Kriegsende bei. Die letzten Lebensmittelkarten wurden in der Bundesrepublik am 1. Mai 1950 abgeschafft und in der DDR im Mai 1958.

[4] „PX“ steht für „Post Exchange“ und bezeichnet ein Einkaufszentrum mit US-amerikanischem Angebot, das nur von US-Soldaten und deren Angehörigen mit speziellen Ausweisen besucht werden konnte.

[5] Loren Gatch, From Black Market to Barter Mart in Postwar Germany, <https://paperzz.com/doc/8112798/from-black-market-to-barter-mart-in-postwar-germany> (20.12.2022)

[6] Das Office of Military Government for Germany (U.S.) war die höchste Verwaltungseinrichtung der US-amerikanischen Besatzungszone Deutschlands und des

US-amerikanischen Sektors von Berlin in den ersten vier Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg. Hauptsitz von OMGUS war Berlin, zusätzlich gab es auch Außenstellen in Frankfurt am Main. [7] Vgl. Loren Gatch.

[8] Weitere Zentren sollen in München und Heidelberg existiert haben.

[9] C. Frederick Schwan u. Joseph E. Boling, World War II Remembered, history in your hands – a numismatic study, Port Clinton 1995, S. 269 f.

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