Als in der Hyperinflation der Jahre 1922/23 die deutsche Markwährung zusammenbrach, suchten viele Kommunen nach kreativen Lösungen zur Finanzierung ihrer Infrastrukturmaßnahmen. Eine aus der Not geborene Finanzinnovation waren zu dieser Zeit sogenannte „wertbeständige Anleihen“. Neben Werten wie Roggen, Kohle und Holz wurde 1923 sogar eine Benzolwert-Anleihe begeben.
Die mecklenburgische Stadt Hagenow begab über sein Städtisches Gas- und Elektrizitätswerk am 20. Juli 1923 eine 5-prozentige wertbeständige Benzolwert-Anleihe über den Geldwert von 14.000 Tonnen Benzol.
Benzol ist ein flüssiger organischer Kohlenwasserstoff. Es besitzt einen charakteristischen aromatischen Geruch, ist farblos, leicht entzündlich und brennt mit stark rußender Flamme. Für den kommerziellen Einsatz bis zum Zweiten Weltkrieg wurde das meiste Benzol als Nebenprodukt bei der Produktion von Koks für die Stahlindustrie erhalten, meist aus der Destillation von bei der Koks-Herstellung erzeugten leichten Ölen. Für die Suche nach Verwertungsmöglichkeiten wurde schon 1918 ein Benzol-Verband gegründet. So wundert es nicht, dass der Ertrag der Anleihe zur Errichtung einer Benzolgewinnungs- und Abhitzeverwertungsanlage im Städtischen Gaswerk Hagenow bestimmt war.
Städtisches Gas- und Elektrizitätswerk Hagenow in Mecklenburg, Schuldverschreibung über den Geldwert vom 50 kg Benzol, ausgestellt in Hagenow am 20. Juli 1923, Stück entwertet durch zwei gekreuzte Rotstiftstriche.
Die Anleihestücke wurden in den Nominalwerten 5 (Litera A), 10 (Litera B) und 50 kg (Litera C) ausgegeben. Die Tilgung der Schuldverschreibungen sollte von 1924 bis 1930 erfolgen, Zinstermine waren der 2.1. und der 1.7. eines jeden Jahres. Zahlstellen für Zins- und Tilgung waren die Gaswerke und die Sparkasse in Hagenow. Die Wertpapiere hatten keine Börsenzulassung. Für die Anleihe hafteten die Stadt Hagenow und das Städtisches Gas- und Elektrizitätswerk gemeinsam. Die Anleihe wurde fristgerecht bis 1930 zurückgezahlt.
Hans-Georg Glasemann
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Bildquelle: HGG Privat (10/2020)
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