Wer mit älteren Bürgerinnen und Bürgern in der Tschechischen Republik oder der Slowakei ins Gespräch über die Geschichte des Landes kommt und dabei den Begriff „Tuzex“ erwähnt, erntet regelmäßig ein Lächeln: „Ah, Tuzex …“. Und dann werden oftmals Erinnerungen erzählt, die denjenigen von Bürgern der DDR ähneln, die noch im Intershop einkaufen konnten.
Tuzex – das waren die Devisenläden in der Tschechoslowakei, ein Fenster zur (westlichen) Konsumwelt, vergleichbar mit dem Intershop der DDR, und doch ein anderes System.
Das 1957 gegründete staatliche tschechoslowakische Außenhandelsunternehmen Tuzex (abgekürzt von tuzemský export, übersetzt „Inlandsausfuhren“) war Nachfolgeunternehmen des Anfang der 1950er-Jahre gegründeten ebenfalls staatlichen Unternehmens Darex.
Ziel von Tuzex (wie von Darex) war es, durch ein nur gegen Devisen erhältliches Angebot zunächst an hochwertigen Konsumgütern, insbesondere Lebensmitteln und Alkoholika, Fremdwährungen von ausländischen Besuchern als auch aus dem Besitz von tschechoslowakischen Bürgern abzuschöpfen. Zwar durften Bürger der Tschechoslowakei offiziell keine Devisen besitzen und mussten etwaige Bestände innerhalb kurzer Fristen zum offiziellen Umtauschkurs an die tschechoslowakische Nationalbank verkaufen, doch konnte der Staat den Besitz von Devisen seiner Bürger de fakto nicht kontrollieren und wollte deswegen Anreize schaffen, etwaige Bestände an sich zu ziehen. Durch Reisen ins Ausland und Zuwendungen von im Ausland lebenden Familienangehörigen, sowie durch ausländische Besucher kamen seit den 1960er-Jahren verstärkt Devisen ins Land.
Tuzex-Geschäft in Prag, 1980er Jahre (im Web verfügbar).
Die Tuzex gab ab 1957 auf tschechoslowakische Kronen lautende Gutscheine (bezeichnet als odberni poukaz) aus, mit denen in den Geschäften von Tuzex in der ČSSR bezahlt werden konnte. Diese „bony“ genannten Gutscheine sind heute ein beliebtes Sammelgebiet in den Nachfolgestaaten der Tschechoslowakei. Seltene Stücke, insbesondere höhere Nennwerte älterer Ausgaben, erreichen auf Auktionen in der Tschechischen Republik und der Slowakei Preise von deutlich über 1000 Euro.
Es gibt Tuzex-Gutscheine in den Nennwerten von 50 Haleru (0,50 Kronen) bis 500 Kronen in diversen Ausgaben. Sie waren nur im Umtausch gegen konvertierbare Devisen in den Filialen der staatlichen Zivnostenska Banka (Handelsbank) erhältlich. Zunächst nur in der ČSSR selbst, wurden Gutscheine später auch in den ausländischen Niederlassungen der Zivnostenska Banka in London und Wien, oder von im westlichen Ausland ansässigen Handelsgesellschaften mit Handelsbeziehungen zur ČCSR verkauft, etwa der Palatinus GmbH in Zürich, die auch den Genex-Geschenkedienst für die DDR betrieb, oder der Firma Bezenek in Wien. Sie konnten ohne Beschränkungen in die Tschechoslowakei eingeführt werden.
Gutschein über 1 Krone Serie 2 Ausgabe 1967/XI – Format 8,5 x 5 cm, Offsetdruck ohne Wasserzeichen. Druckerei STC (Staatliche Wertpapierdruckerei, Prag).
Die Gültigkeit der Gutscheine war zeitlich beschränkt. Auf jedem Schein wurde oben links das Ausgabedatum, ab Mitte der 1960er-Jahre der Ausgabemonat eingedruckt bzw. eingestempelt. Gedruckt wurden die Scheine bei der Staatlichen Wertpapierdruckerei Statni Tiskarna Cenin (STC) in Prag. Gutscheine zu 10 – 500 Kronen der 6. Serie 1988–1992 wurden zudem auch bei der VEB Deutsche Wertpapierdruckerei in Leipzig hergestellt. Letztere sind erkennbar an einem abweichenden Zifferntyp der Nummerierung sowie an den der Kontrollnummer vorangestellten Buchstaben TU.
Gutschein über 10 Kronen Serie 5 Ausgabemonat X. (Oktober) 1986 – Format 12 x 7 cm, Offsetdruck, Wasserzeichen Blättermuster. Druckerei STC (Staatliche Wertpapierdruckerei, Prag).
Gutschein über 0,50 Kronen Serie 65 Ausgabe 1/1989 – Format 8,5 x 5 cm, Offsetdruck, Wasserzeichen Blättermuster. Druckerei STC (Staatliche Wertpapierdruckerei, Prag.
Für tschechoslowakische Bürger war es zudem möglich, bei der Zivnostenska Banka ein Konto zu eröffnen, auf die im Ausland lebende Personen Zahlungen in Devisen überweisen, die dann in der ČSSR in Tuzex-Gutscheinen abgehoben werden konnten. Das System der Tuzex-Gutscheine ist damit vergleichbar den – allerdings auf US-Dollar – lautenden Gutscheinen der polnischen Bank Polska Kasa Opieki (Bank Pekao), die zum Einkauf in den sogenannten Pewex-Geschäften in Polen verwendet werden konnten. Es unterscheidet sich insoweit von den Gutscheinen der Forum Handelsgesellschaft zum Einkauf in den Intershop-Läden der DDR, als dass Bürger der DDR keine Möglichkeiten zur Führung von Konten für Forum-Gutscheine hatten.
In den Geschäften von Tuzex, die es Ende der 1980 in praktisch jeder Stadt in der Tschechoslowakei gab, waren einerseits Importwaren aus westlichen Ländern erhältlich (insbesondere Jeans und Unterhaltungselektronik waren beliebt), andererseits hochwertige Produkte aus heimischer Produktion – von Schokolade über „weiße Ware“ bis hin zu Autos der einheimischen Marke Škoda. Im Gegensatz zu den teilweise jahrelangen Wartezeiten im staatlichen Handel für die Zuteilung hochwertiger Konsumgüter wie etwa Autos waren entsprechende Waren hier sofort verfügbar.
Nicht "Bonnie und Clyde", aber "Bony a Klid"! Filmplakat aus dem Jahr 1988.
Die Tuzex-Gutscheine bildeten effektiv eine Parallelwährung zur umlaufenden tschechoslowakischen Krone (Kčs). Sie wurden auch auf dem Schwarzmarkt gehandelt. Der unterhaltsame tschechoslowakische Spielfilm „Bony a klid“ („Bons und Ruhe“, deutscher Titel: Der Boss kennt auch den Staatsanwalt) von 1988, Regie Vit Olmer, gibt einen Einblick in die Praktiken des Schwarzhandels mit diesen Gutscheinen und der Tätigkeit der „veksláci“ (Wechsler).
Diese tauschten insbesondere bei Touristen westliche Währungen gegen tschechoslowakische Kronen zum Schwarzmarktkurs um. Mitte der 1980er-Jahre erhielt man für 100 DM in Prag ca. 1000 Kčs zum Schwarzmarktkurs (zum offiziellen Wechselkurs waren es 400 Kčs), wechselten diese dann bei der Zivnostenska Banka gegen Tuzex-Gutscheine, die sie vor den Tuzex-Geschäften zu Kursen von 1:4 bis 1:5 gegen tschechoslowakische Kronen anboten. Die so erhaltenen tschechoslowakischen Kronen fanden dann wieder im Umtausch gegen Devisen zum Schwarzmarktkurs ihren Weg in die Taschen von Touristen – ein Kreislauf, der zwar illegal war, aber ordentliche Gewinne abwarf.
Die Ausgabe von Tuzex-Gutscheinen wurde im Juni 1992 eingestellt und die Tuzex-Geschäfte Ende 1992 geschlossen. Das Unternehmen selbst ging 1998 in die Liquidation.
Hinsichtlich der Ausgaben von Tuzex-Gutscheinen unterscheidet man grundsätzlich sechs Serien, wobei die Ausgabedaten von Scheinen der Vorläuferserie sich mit denen der Folgeserien teilweise um einige Monaten überlappen, vermutlich da bei den Bankfilialen Restbestände der Vorgängerscheine aufgebraucht und parallel mit Gutscheinen der neuen Serie ausgegeben wurden. Es gab also keinen Austausch der einzelnen Serien.
Die Serie 1 (Ausgabe 1957–1960) gibt es in den Nennwerten 0,50, 1, 5, 10, 20, 50, 71,50 (!) und 100 Kronen in drei Varianten, die sich im Text unterscheiden. Die einseitig auf Papier ohne Wasserzeichen gedruckten Scheine sind heute sehr selten.
Mit der Serie 2 (Ausgabe 1960–1969) erhielten die Scheine das bis 1987 gültige Design. Alle Nennwerte der Serie 2 (0,50, 1, 5, 10, 20, 50 und 100 Kronen) haben eine Gültigkeitsdauer von sechs Monaten ab Ausgabedatum. Als Emittent ist auf den Scheinen die Tuzex Podnik Zahranicniho obchodu (Tuzex Außenhandelsunternehmen) in Prag genannt.
Ab der Ausgabe 1966 fällt für die beiden Nennwerte zu 0,50 Kronen und 1 Krone die Beschränkung der Gültigkeitsdauer weg. Scheine mit einem „Z“ (für zahraničí – Ausland) auf der Vorderseite wurden im Ausland verkauft.
Die Serie 3 (Ausgabe 1969–1973) nennt als Emittent nunmehr die Tuzex Aktiengesellschaft (Akciova Spolecnost); die Aktien befanden sich im Staatsbesitz. Die Nennwerte sind unverändert 0,50, 1, 5, 10, 20, 50 und 100 Kronen. Auch bei dem Gutschein zu 5 Kronen ist jetzt keine Beschränkung der Gültigkeitsdauer mehr vorgesehen.
Die Gutscheine der 4. Serie (Ausgabe 1973–1980) geben als Emittent wieder die Tuzex Podnik Zahranicniho obchodu (Tuzex Außenhandelsunternehmen) in Prag an. Die Nennwerte bleiben unverändert, ab ca. Mitte der 1970er-Jahre kommt der Nennwert von 500 Kronen hinzu. Bei den Scheinen der 5. Serie (Ausgabe 1980–1988, Nennwerte 0,50 – 500 Kronen) beträgt das Gültigkeitsdatum der Nennwerte ab 10 Kronen nunmehr 1 Jahr ab Ausgabemonat.
Mit Ausgabe der 6. und letzten Serie 1989–1992 (Nennwerte wieder 0,50 Kronen – 500 Kronen) ändert sich das Design. Die Scheine haben jetzt einen farbigen Rand, abgebildet auf der Vorderseite wird auch das Logo der Tuzex – ein stilisierter Globus.
Insbesondere bei der 2. bis 4. Serie gibt es Varianten (es gibt Ausgaben mit und ohne Wasserzeichen sowie Gutscheine mit einseitig perforiertem Rand, die aus Gutscheinheften stammen), auf die hier einzugehen den Rahmen sprengen würde.
Die Gutscheine der Tuzex sind im Standard Catalogue of World Paper Money Specialized Issues (12. Auflage 2013) unter den Nummern FX1–FX 78 erfasst. Allerdings ist diese Katalogisierung teilweise fehlerhaft. Es gibt über das Sammelgebiet der Tuzex-Gutscheine seit einigen Jahren einen Spezialkatalog von Michál Pelikan, Darexové a tuzexové poukazy z pohledu sberatele, 157 Seiten, 2. Auflage Bratislava 2022.
Dr. Sven Gerhard
Comments