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Camp Money des DP-Lagers Scheinfeld (1946)

Autorenbild: Uwe BronnertUwe Bronnert

Aktualisiert: 13. Nov. 2023

Im Mai 1945 herrschte in Europa das Chaos. Allein in den drei westlichen Besatzungszonen Deutschlands befanden sich 6,5 bis 7 Millionen entwurzelte jüdische Überlebende des Holocaust, ehemalige Zwangsarbeiter, KZ-Häftlinge, Kriegsgefangene sowie zivile osteuropäische Arbeiter, die freiwillig nach Kriegsbeginn die deutsche Wirtschaft am Laufen hielten oder 1944 mit der deutschen Wehrmacht vor der sowjetischen Armee nach Westen geflüchtet waren und nun häufig in Trecks auf eigene Faust durchs Land zogen, um nach Hause oder sonst wo hin zu gelangen.


Diesem Personenkreis, den „Displaced Persons“ (DPs), galt die besondere Aufmerksamkeit der „United Nations Relief and Rehabilitation Administration“, kurz UNRRA. Die Hilfsorganisation war bereits während des Zweiten Weltkrieges am 9. November 1943 in Atlantic City (New Jersey, USA) auf Initiative der USA, der Sowjetunion, Großbritannien und Chinas gegründet worden. Nach Kriegsende wurde sie von den neugegründeten Vereinten Nationen (UNO) übernommen. Die UNRRA war in Europa bis zum 31. Dezember 1946 tätig und wurde dann durch die „International Refugee Organization“ abgelöst.

Die UNRRA übernahm die Versorgung der DPs mit Nahrungsmitteln, Kleidung und Medikamenten aus den Beständen der Besatzungsarmee, leistete Hilfe bei der Errichtung von DP-Lagern und bei der Repatriierung von Personen in ihre Heimatländer. Ausgenommen von diesem Hilfsprogramm waren die deutschen Flüchtlinge, die nicht unter den DP-Status fielen.

Seit dem 15. November 1945 oblag der UNRRA die Verwaltung der DP-Lager in der US-amerikanischen Besatzungszone. Eines dieser Lager war das DP Camp in Scheinfeld (Mittelfranken). Es wurde vom UNRRA-Team 569 betreut und am 28. April 1946 eröffnet, als etwa 1.500 litauische DPs aus dem Regensburger Camp verlegt wurden. Erst im August 1949 wurde das Lager aufgelöst.


UNRRA TEAM 569, Scheinfeld, 1946, 10 Cents, Vorderseite.
UNRRA 569 DALINYS, Scheinfeld, 1946, 10 Centu, Rückseite.
UNRRA TEAM 569, Scheinfeld, 1946, 50 Cents, Vorderseite.
UNRRA 569 DALINYS, Scheinfeld, 1946, 50 Centu, Rückseite.
UNRRA TEAM 569, Scheinfeld, 1946, 1 Dollar, Vorderseite.
UNRRA 569 DALINYS, Scheinfeld, 1946, 1 Doleris, Rückseite.

In den frühen 1970er Jahren wurde in Großbritannien ein kleiner Hort bisher unbekannter Geldscheine des DP-Lagers Scheinfeld gefunden und angeboten.

Da sich die Exponate in einem unzirkulierten Zustand befanden, zweifelte mancher Sammler die Echtheit der Stücke an. Befragte ehemalige DPs erinnerten sich, dass deutsche und militärische Geldzeichen im Lager umliefen, aber niemand wollte jemals das Lagergeld gesehen haben. Später fand man jedoch in Akten des Lagers einen Bericht des Direktors des UNRRA-Teams 569, Anton A. Pritchard, der vom 15. Juni 1946 datiert, dass ein internes Geldsystem im Lager eingerichtet worden sei, mit dem von Lagerinsassen geleistete Arbeiten bezahlt wurden. Mit diesem Geld konnten Einkäufe in der Lagerkantine bezahlt werden. Aufgrund der akuten Warenknappheit wurde jedoch die Möglichkeiten, das Geld tatsächlich auszugeben, stark eingeschränkt, und das Währungssystem schließlich wieder aufgegeben. Wie es scheint, wurde das Camp Money nur von Mai bis Juli 1946 verwendet.

Aus gegeben wurden Scheine zu 10 und 50 Cents sowie 1 Dollar. Alle Werte sind bildgleich. Dies gilt auch für die Vorder- und Rückseiten, die sich in erster Linie durch die verwendete Sprache unterscheiden. Eine Seite ist Englisch, die andere Litauisch. Auf der englischen Seite findet sich ferner ein runder, blauer Handstempelabdruck [am oberen Stempelrand „SCHEINFELD“, am unteren Rand „(TEAM 569)“, dazwischen waagerecht „UNRRA“] und auf der litauischen eine mehrstellige Kontrollnummer.

Auf der englischen Seite wird als Emittent am oberen Rand „UNRRA TEAM 569, SCHEINFELD“, auf der litauischen „UNRRA 569 DALINYS, SCHEINFELD“ genannt. Es folgt in einem Schmuckrahmen die Wertangabe in Buchstaben und im Unterdruck in Ziffern sowie die Jahreszahl 1946 sowie in den Ecken jeweils der Wert in Ziffern. Am unteren Rand „CAMP MONEY“ bzw. „STOVYKLOS PINIGAI“. Beim Dollarschein ist links zusätzlich in einem Schmuckrahmen der Wert „1“ angegeben. Der Druck erfolgte in brauner Farbe auf sehr dünnem, wenig geeignetem Papier. Anzumerken ist noch, dass die Rückseite kopfstehend zur Vorderseite steht.


Vermutlich wurden alle Scheine des DP-Lagers vernichtet. Es sollen nur etwa fünfzehn Sets als Souvenir aufbewahrt worden sein, was ich persönlich anzweifele, da die Scheine gelegentlich im Fachhandel angeboten werden.

Bis zum Herbst 1945 waren vier Fünftel der DPs in ihre Heimat repatriiert. Aus Angst vor Repressalien in ihren Heimatländern weigerten sich immer wieder DPs – besonders viele kamen von ihnen aus der UdSSR – zurückzukehren. Im Winter 1945/1946 kam daher die Repatriierung der DPs fast vollständig zum Erliegen. Im Sommer 1948 lebten in den Westzonen noch rund 493.000 Displaced Persons.


Text und Abb. Uwe Bronnert

Literatur:

Frank Passic und Steven A. Feller, Displaced Persons Camp Money, in: The Numismatist 1984, S. 1602 – 1617. http://www.albionmich.com/history/histor_notebook/S_Camp.shtml. Stand: 10.07.2019, 11.10 Uhr.

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