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Das Geld von morgen – Der Europäische Friedensdollar des Josef Drach

Aktualisiert: 12. Juli 2022

Die Folgen des Ersten Weltkriegs führten nicht nur zum Sturz von drei Kaiserreichen in Europa und großen politischen Umwälzungen im Sog von linken und rechten Bewegungen, unmittelbar nach dem Krieg gab es auch eine Reihe von bedeutenden Initiativen, die eine neue dauerhafte Friedensordnung durch internationale statt nationale Lösungen schaffen wollten. Hierzu gehörte neben der Gründung des Völkerbunds sowohl eine Pan-Germanische Union, die einen wirtschaftlichen Zusammenschluss aller germanischen Staaten inkl. Großbritanniens und den USA vorsah, als auch eine Pan-Europäische Vision, die quasi als Vorbild für die spätere Europäische Union gelten kann, welche erst nach einem erneuten Weltkrieg Gestalt annehmen konnte.

Einer der wichtigsten Vertreter Pan-Europas war der österreichische Schriftsteller, Philosoph und Politiker Graf Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi (1894–1972). Nach dem Ersten Weltkrieg, den er als "Bürgerkrieg unter Europäern" und "Katastrophe erster Ordnung" empfand, entwickelte er seine visionäre Idee von "Pan-Europa", die 1922 für internationales Aufsehen sorgte und ihn sein ganzes Leben begleitete. Sein Buch "Pan-Europa" von 1924 gilt als wichtigstes Werk der ersten europäischen Einigungsbewegung, die die "Vereinigten Staaten von Europa" zum Ziel hatte. Zu den späteren Anhängern Kalergis, der 1950 erster Träger des Karlspreises war, aber heute in Deutschland fast vergessen ist, zählten solch bedeutende Persönlichkeiten wie Albert Einstein, Thomas Mann, Otto von Habsburg und Konrad Adenauer.



Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi (1894–1972), Foto um 1926,

Quelle: Wikipedia






Kalergis Ideen stießen auch damals schon in Wien auf offene Ohren.

Der Antiquitäten-Händler Josef Drach entwarf die Vision eines europäischen Friedens-Dollars, über den seinerzeit wiederholt in der Presse berichtet wurde:









"Die Börse", Zeitung für das gesamte Wirtschaftsleben, Wien, den 29. Juni 1922

"Drachs Europäische Friedensbank"

Interessante Gründungsgeschichte aus dem Zeitalter der Pläne, die die Menschheit retten wollen und niemals verwirklicht werden


Eine der interessantesten Erscheinungen, die sich zu der Kroneninflation auf ihrem Leidensweg als Begleiterin gesellte, ist die Inflation der Sanierungspläne. Ein Blick in die düsteren Amtsstuben der Ministerien, in die von emsiger Arbeit erfüllten Stätten der Bankgebäude, in verstaubte Bureaus von Rechtsanwälten und blinkende Ordinationszimmer weißbekittelter Ärzte, in Studentenstuben und Professorenzimmer, kurz überall, wo geistige Arbeit herrscht, werden Rettungs-, Sanierungs-, Stabilisierungs-, Devalvierungs- und ähnliche Pläne besprochen, beschrieben und ersonnen. Diese flutartige Überschwemmung mit volkswirtschaftlichen und finanziellen Projekten brachte es allmählich dazu, daß man jeden Glauben an die praktische Verwendbarkeit derartiger, mit der Wirklichkeit zumeist in gar keinem Kontakt stehenden geistigen Turnübungen verlor.


Von dieser Skepsis erfüllt, traten wir auch an das Projekt eines gewissen Josef Drach heran, der — wie sich einer seiner Mitarbeiter ausdrückte — in einem Augenblick der Erleuchtung einen Plan nicht nur zur Sanierung der österreichischen, sondern der gesamten europäischen Finanzen entwarf. Doch was diesem Plane schon auf den ersten Blick — unterschiedlich von seinen übrigen Gefährten — einen exzeptionellen und ernsteren Stempel aufdrückt, ist die Tatsache, daß Josef Drach nicht nur praktische Vorschläge entwarf, sondern bereits selbst an die Durchführung seines Planes schritt. Vor einigen Tagen wurde nämlich an die Adresse der zuständigen Behörden ein Gesuch zwecks Konzessionierung der Europäischen Friedensbank geleitet. Unter dem bei derartigen Gesuchen ungewöhnlichen Motto „Gegen Waffen und Grenzen!“ überreichte Josef Drach eine Eingabe an das Finanzministerium und das Ministerium des Innern, in der er um die Konzessionierung der oben genannten Bank mit

einem Aktienkapital von einer Milliarde Kronen ansuchte. Dem Ansuchen ist ein

mit anerkennenswertem volkswirtschaftlichen Wissen ausgearbeitetes umfangreiches Elaborat angeschlossen, das die Gründe, den zu erwartenden Effekt und die beabsichtigte Tätigkeit der neuen Bank zusammenfaßt.


Josef Drachs theoretische Betrachtungen.

In der Einleitung wird vorerst eine Lanze dafür gebrochen, daß nicht die Beseitigung der Defizitwirtschaft und die Herstellung des Gleichgewichtes im Staatshaushalt den Ausgangspunkt einer Sanierung bilden kann, sondern daß man in erster Reihe die Inflation beseitigen und die Währung wiederherstellen muß. Zu diesem Ziele aber führt laut dem Elaborat nur ein einziger Weg, der Weg der Devalvation und der Einführung einer neuen Währung, was als nächstes Ziel der zu gründenden Bank angegeben wird, mit der Bemerkung, daß das Endziel allerdings die Schaffung und Einführung einer einheitlichen Währung für ganz Europa und damit „das Wegräumen aller Schranken eines geregelten,

nur auf produktive Arbeit aufgebauten Lebens ist". Das Elaborat befaßt sich sodann mit der möglichen Einwendung, die auf die Gefahr des Abwanderns und der Thesaurierung eines neuen, mit realem Werte ausgestatteten Geldes hinweisen könnte, und meint, daß nur in einem Lande mit schlechtem Gelde gutes Geld gehamstert wird, somit die Gefahr des Abwanderns und Thesaurierens nicht bestehen kann, wenn die schlechte Währung verschwindet. Sodann wird dafür eingetreten, daß als neue Währung der Dollar gewählt werde, allerdings eine neue Art von Dollar, der „europäische Friedensdollar“, der in seiner Grundeinheit nicht effektiv höher, sondern nur gegenüber dem jetzigen Werte der Krone stabil sein wird.


Josef Drach wählt den Dollar schon aus dem Grunde als Muster der neuen Währung, da nach seiner Meinung Amerika ein größeres Vertrauen der neuen Währung gegenüber zeigen wird, wenn diese seiner Landeswährung gleich ist und die gleiche Fundierung besitzt. In den Vordergrund des Planes wird die Einführung von neuem Metallgeld gestellt, da dieses dem Fiskus große Vorteile bringt, der Gefahr der Thesaurierung weniger unterliegt und „vom Standpunkte der Volkspsychologie einen positiven Wert darstellt, so daß das Bewußtsein, sich mit einem „Cent“ etwas kaufen zu können, unbedingt die unheilvolle Vorstellung des „Fetzens“ verdrängen muß“, also auch der geringste Geldbetrag wieder gewertet wird.


Schließlich wird als zweiter Hauptpunkt der Betätigung der neuen Bank die Aufbringung von Mitteln zwecks Hebung der produktiven Arbeit angegeben. Diese Mittel sollen der Industrie und dem Handel zugeführt werden, um den privatwirtschaftlichen Antrieb zur Steigerung der produktiven Arbeit zu stärken. Auch ein ausgiebiges Bauprogramm und eine Kreditpolitik in dieser Richtung wird ein Hauptbetätigungsgebiet der Bank sein.


Die Konstruktion der neuen Bank.

Sodann folgt die Schilderung der Konstruktion der Europäischen Friedensbank. Sie wird eine internationale Aktiengesellschaft sein mit dem Hauptsitze in Wien und ist als eine internationale Finanzorganisation gedacht, die nach dem Grundriß des amerikanischen föderativen Reservesystems aufzubauen ist. Da für eine solche auf ganz Europa und Amerika sich erstreckende Organisation eine eigene Rechtsform der Inkorporierung — offenbar im Wege des Völkerbundes — geschaffen werden müßte, ehe sie ihre Tätigkeit in mehreren Ländern gleichzeitig beginnt, so soll vorläufig mit Rücksicht auf die Dringlichkeit der Sanierung der österreichischen Währung eine Eintragung des Instituts unter der obbezeichneten Firma nach den für österreichische Aktiengesellschaften geltenden Bestimmungen erfolgen. Die Bank projektiert, das österreichische Geschäft mit einem volleingezahlten Kapital von 80 Millionen Dollar zu beginnen. Zu diesem Behufe werden 800.000 Stück Aktien im Nominale von 100 Dollar emittiert. Eine Beteiligung an der Übernahme von Aktien hat zu erfolgen entweder in Gold oder in solchen Apports, die für den Aufbau der industriellen Betätigung der Bank als gleichwertig mit effektivem Gelde angesehen werden. Es wird als Grundsatz fixiert, daß die Hälfte des Reingewinnes, wenn er die Höhe von 100 % der Bankreserven erreicht hat, dem Staate abzuführen ist. Um diesem die Kontrollmöglichkeit für die Geschäftsführung der Bank zu bieten, wird in das Statut die Bestimmung aufzunehmen sein, daß in der Verwaltung ein von der Regierung designierter aktiver Staatsfunktionär Sitz und Stimme haben muß.


Europäische Friedensbank, Entwurf zur Münze zu 1 Cent von 1922, Vorder- und Rückseite.


Europäische Friedensbank, Entwurf zur Münze zu 1 Dollar von 1922, Vorder- und Rückseite.


Münzenprägung.

Die Bank projektiert, unmittelbar nach Erlangung der Konzession folgende Münzstücke ausprägen zu lassen:

  1. In Silber: 6 Millionen europäische 1-Dollar-Stücke, 15 Millionen ½-Dollar-Stücke, 24 Millionen ¼-Dollar-Stücke und 200 Millionen 10-Cent-Stücke. Die Silberprägung werde laut dem Projekt einen Münzgewinn von nahezu 100 Milliarden Kronen ergeben, bei einem Einlegungskurs von 5000 Kronen per Dollar.

  2. Aus Nickel werden die 5-Cent-Stücke geprägt, und zwar beabsichtigt die Bank eine Emission von 225 Millionen 5-Cent-Stücken, wobei sie einen Mehrertrag von nahezu 48 Milliarden erhofft.

  3. Schließlich beabsichtigt die Bank, 200 Millionen Einzelstücke in Kupfer prägen zu lassen, die ihr einen Mehrertrag von ungefähr 8 Milliarden sichern würden.


Was die Metallbeschaffung betrifft, so meint das Elaborat, daß es im Interesse der Regierung gelegen sein wird, von ihren Beständen gegen Abrechnung beizusteuern. Im übrigen übernimmt die Bank die Gesamtaufbringung aus eigenen Mitteln. Der hierfür verwendete Etat, der nach der Berechnung des Gründers ungefähr 120 Milliarden ausmacht, wird jedenfalls vom Staate durch Goldbons auf Friedensdollars zu garantieren sein, was einer entsprechenden Abmachung zwischen Bank und Regierung vorbehalten bleibt. Was die Hoheitsfrage betrifft, so anerkennt das Elaborat das Münzrecht als eine Prärogative des Staates, deren er sich nicht begeben kann, doch bezeichnet sich die Bank in diesem Falle

nur als Vollstrecker des vom Staate erhaltenen Auftrages, den sie überdies mit eigenen Mitteln durchführt.


Europäische Friedensbank, Entwurf zur Banknote zu 1 Friedensdollar von 1922, Vorderseite mit dem Porträt von Josef Drach.


Notenemission.

Diesbezüglich enthält das Elaborat folgende Ausführungen:

„Als Grundsatz für die Notenemission wird folgende Bestimmung anzusehen sein:

Drachs Europäische Friedensbank ist befugt, eigene Banknoten auszugeben, wobei das Vorhandensein einer Deckung von mindestens 20 % in Gold und 100 % in kurzfristigen

Papieren als unerläßliche Vorbedingung gilt. Die Papiere würden von gutsituierten Banken indossiert und durch marktfähige Güter garantiert sein, die ihrer Natur nach nicht zugrunde gehen können, ordnungsmäßig versichert sind und deren Rechtsansprüche durch Dokumente begründet erscheinen.


Nach der oberwähnten Aktienemission verbleibt, wenn man die Prägungskosten mit rund

40 Millionen Dollar beziffert, ein verfügbares Kapital von 30 Millionen Dollar. Zufolge des oben erwähnten Grundsatzes für unsere Notenemission ist daher auf diese Weise die

Möglichkeit zu einer Emission von mindestens 150 Millionen Dollar gegeben, somit auch für reichliche Bestände an vollgedeckten Banknoten vorgesorgt."


Sodann folgt der sogenannte Einlösungsplan, der von zwei Grundprinzipien ausgeht.

Das erste ist die Stillegung der Notenpresse am Tage der Einführung der neuen Währung, das zweite bestimmt, daß die Einlösung nur nach Maßgabe der bei Beginn der Einlösung umlaufenden Papierkronenmenge erfolgt, so daß der Bestimmung der Relation eine feste Grenze nach oben gezogen erscheint. Das letzte Kapitel ist ein pazifistisches Bekenntnis, doch gleichzeitig wird darauf hingewiesen, daß den größten Vorteil aus diesem Unternehmen die Stadt Wien haben wird, die dadurch, daß sie als Hauptsitz der Friedensbank gewählt wird, die Möglichkeit bekommt, die reichste Stadt der Welt zu werden. In den Schlußsätzen werden sozial-ethische Gesichtspunkte ins Treffen geführt und der Hoffnung Ausdruck gegeben,

daß „durch die neue Währung ein vereinigtes Europa geschaffen wird, daß die Geldspekulation aufhört und die vielen, die nicht von der Arbeit leben, gezwungen werden, redlich zu arbeiten.“


In einem mit prachtvollen Antiquitäten vollgestopften Geschäfte hatten wir Gelegenheit, Herrn

Josef Drach im Kreise seiner Mitarbeiter zu begrüßen. Er ist ein sympathischer, blonder, blauäugiger junger Mann von höchstens 35 Jahren. Seinen Plan überreichte er bereits anfangs April dem Ministerialrat Doktor Bartsch im Finanzministerium und er glaubt, durch seine Idee viel dazu beigetragen zu haben, daß man zur Errichtung einer neuen Notenbank aus eigenen Kräften geschritten ist. Er soll die Zusage des Finanzministeriums haben, mit der Notenbank kooperieren und auf diese Weise seine Pläne verwirklichen zu können.

Sein Projekt ist bis in die letzten Details ausgearbeitet, der akademische Maler Alfred Offner zeichnete bereits die Entwürfe sämtlicher neuer Geldtypen. Außer Josef Drach ist u. a. auch die Baronin Berta Suttner, Tolstoi, Lord Beakensfield und Christus auf den Banknoten abgebildet. (Das Bildnis der 1 Dollar-Note stellt Herrn Josef Drach dar.)


Auf unsere Frage, ob die eine Milliarde für die neu zu gründende Bank bereits beisammen ist, erwidert Josef Drach, ein wenig verächtlich lächelnd, daß der Betrag bereits mit 250 Millionen Kronen überzeichnet ist. „Geld,“ sagt er, „haben wir, soviel wir wollen. Für den Plan sind schwerreiche ausländische Kapazitäten gewonnen, so Sir Salomon Moses, Bankier in London

und New York, Samuel Mogendorff, Realitätenhändler in Amsterdam, der sich brieflich bereit erklärte, eine Filiale in Amsterdam zu errichten, Alexander Schenker, Kaufmann in London, Melech Liebsohn, Großindustrieller und Mühlenbesitzer aus Beßarabien, der auf einmal 1000 Waggons Mehl nach Wien zu schicken imstande ist, Sanders Samuel, Mitinhaber der Nähmaschinen-Weltfirma Singer & Co., Jacques Bronner aus Berlin u. a. Auch Österreicher

beteiligen sich an dem Unternehmen, doch die Namen dieser Herren kann ich Ihnen noch nicht nennen. Es sind alle Voraussetzungen da, die die Durchführung des Planes sichern.

Ich hoffe, daß auch die österreichische Regierung mir beistehen wird.“


Josef Drach ist von einem starken Geiste erfüllt, wie man ihn in Krämerläden nur selten findet. Er besitzt aber auch den starken Glauben, der in Krämerläden so häufig anzutreffen ist. Vielleicht wird dieser feste Glauben ihm dazu verhelfen, zum Siege seiner Ideen etwas beizutragen, wenn auch nur wenig Hoffnung vorhanden ist, daß die Form der Verkörperung dieser Ideen eben Drachs Europäische Friedensbank sein wird.

Dr. L. M.

 

"Neues Wiener Journal", Nr. 10.307, 19. Juli 1922

Der europäische Friedensdollar.

Ein Projekt zur Gesundung und Pazifizierung Europas.


Das große Problem unserer Zeit ist die aus dem Krieg hervorgegangene europäische Not.

Es ist überflüssig zu sagen, worin sie besteht. Sie hat in gleicher Weise wirtschaftlichen wie kulturellen Charakter. Die Staaten leiden in gleich heftiger Weise an ihr wie die einzelnen Gesellschaftsklassen und das Individuum. Ein solcher Notstand bringt die ideologischen Helfer und Propheten hervor, die, dem tätigen Leben fern, in stillen Studierstuben phantastische Pläne aushecken, Theorien der Verzweiflung, die niemals praktische Verwirklichung erfahren. Aber auch menschliche Energien werden in solchen Zeiten geweckt, die mit tiefem Einblick in das Notwendige neue Auswege aus dieser Not suchen und finden. Solche Energien und tiefe klare Einblicke scheint der Mann zu besitzen, dessen Projekt zur Sanierung Europas bereits in ernster öffentlicher Diskussion steht. Es ist da entstanden, wo die Not am heiligsten empfunden wird und nach Abhilfe am stärksten drängt. Herr Josef Drach, von dem das Projekt herrührt, ist ein Selfmademan, der vom einfachen Arbeiter bis zum angesehenen Kunsthändler sich emporschwang. Er ist Praktiker und Idealist zugleich und über persönliche Vorteile hinaus geht seine weit ausschauende Sorge. In dem stillen Kontor seines mit künstlerischen Kostbarkeiten vollgefüllten Geschäftshauses weiht er alle, die seiner Idee Interesse und Verständnis entgegenbringen, in seinen grandiosen Plan ein. Er breitet sein Exposé vor dem Besucher aus, das in seiner lichtvollen Darstellung und mit seinen Argumenten auch den Skeptiker überzeugt. Herr Drach verfügt bereits über eine Anzahl von theoretisch und praktisch bestbeschlagenen Mitarbeitern, die ihn in seiner rastlosen Propaganda unterstützen. Das Projekt wird von Ressortministern bereits ebenso ernst genommen wie in den sonstigen maßgebenden Kreisen. Es handelt sich um eine Friedensbank, deren Hauptstelle zunächst in Wien errichtet werden soll. Von hier aus soll der europäische Friedensdollar ausgehen, zu dem sogar schon die von Künstlerhand herrührenden Entwürfe bereits vorliegen. Die Modelle sind mit den Bildnissen der großen europäischen Geister geschmückt und tragen die Namen aller europäischen Länder.

Das Endziel der Bank ist die Schaffung einer europäischen Einheitswährung, eine Idee, die schon mehrfach erwogen wurde. Im Exposé werden die Durchführungsmöglichkeiten haarscharf dargelegt. Diese Sinnheitswährung soll ein Kampfmittel gegen alle künstlichen Mauern und Grenzen sein, die das Wirtschaftsleben in den Zustand einer hoffnungslosen Krise brachten und fortwährend unterbinden. Ein solcher Hemmschuh ist die so ungleiche Bewertung und die mangelnde Stabilität der Währungen. Der Friedensdollar soll, wie es im Exposé heißt, das Symbol gleichsam dafür sein, daß es, ähnlich wie jenseits des Ozeans auch in Europa nur einen einheitlichen Willen geben muß, den Willen zum Frieden und zu redlicher Arbeit. In ihm wird die Abhilfe des Nebels gesehen, das darin liegt, daß in dem einen Land sich die Rohstoffe ungenutzt häufen und in dem anderen bitter entbehrt werden müssen.

Ein vereinigtes Europa soll geschaffen werden; nur ökonomische Kräfte können es begründen. Das ist das ethische Grundmotiv des projektierten Geldinstituts. Dafür ist eine eigene Rechtsform im Wege des Völkerbundes erforderlich. Das vorläufig nötige Kapital steht Herrn Drach zur Verfügung. Er zeigt die schriftlichen Zusicherungen hinreichender finanzieller Unterstützung. Der Hauptsitz der Bank soll in Wien errichtet werden, das dadurch die Aussicht gewinnt, die reichste Stadt der Welt zu sein. Eine Utopie? Das Exposé setzt sich mit jedem Einwand auseinander und baut das als phantastisch erscheinende Projekt mit nüchternen Erwägungen auf. Und es zeigt die wirtschaftlichen Vorteile, die diesem notleidenden Staat in dem ganzen werktätigen Leben daraus erwachsen würden. Utopisch war Herzl's Judenstaat, der im alten verwüsteten Palästina nach Jahrtausenden jetzt seine Verwirklichung findet; utopisch ist alles, was zuerst nur reine Idee ist. Die geschichtliche Notwendigkeit, ist sie einmal erst erahnt und begriffen, setzt sie ins Reale um. Es ist zu wünschen, daß der europäische Friedensdollar nicht der unerfüllte Traum eines mit geschäftlicher Genialität begabten Menschen, nicht eine ungenützte Idee bleibt.

H. M.

 

Ganz so problemlos war die Umsetzung für Drach und seine Unterstützer dann doch nicht. Noch über Jahre wurde seine Idee des europäischen Friedensdollars immer wieder in den Gazetten aufgegriffen.

 

"Der Tag", Wien, 9. September 1924

Volkswirtschaft.

Eine europäische Friedensbank.


Nicht nur zum Kriegführen, sondern auch zur Begründung eines Friedens, der seinen

Namen wirklich verdient, gehört Geld. Der Unterschied ist nur der, daß das Geld, das der

Krieg verschlingt, vernichtet wird und vernichtet, das Geld, das den Frieden bringt,

tausendfältig Frucht trägt. Darauf beruht der Gedanke des Wiener Kaufmannes Josef

Drach, der durch die Gründung einer Europäischen Friedensbank und die Ausgabe einer einheitlichen europäischen Friedenswährung (Friedensdollar) den latenten Krieg, der an Europas Mark zehrt, beenden will.


Josef Drach will seinen Kampf gegen „Waffen und Grenzen" mit der goldenen Waffe seines Friedensdollars führen, für dessen reichliche Goldfundierung durch ausländisches Gold vorgesorgt sein soll.


Die Detaildurchführung der Idee, die bereits bis ins kleinste scharf und logisch durchdacht ist, zeigt ein klares Erfassen nicht allein aller wirtschaftlichen Möglichkeiten und Notwendigkeiten, sondern auch aller psychologischen Momente, die sich insbesondere in den Entwürfen für die einzelnen Noten deutlich zeigen. Der Proponent der Idee wünscht als Österreicher begreiflicherweise Wien zum Zentralsitz dieser europäischen Bank zu machen, was auch in den inneren Grundlagen des Planes seine volle Begründung findet. Bisher hat sich Drach die moralische und die materielle Hilfe einer Reihe von Persönlichkeiten gesichert, deren Namen guten Klang in der internationalen Finanzwelt besitzen. Nun wäre es gerade

jetzt vielleicht an der Zeit, wenn sich auch unsere Regierung mit dem Projekt eingehender beschäftigen wollte und es nicht bei einigen anerkennenden Worten bewenden ließe, um dann den Akt der Vergessenheit anheimfallen zu lassen.

C. G.

 

"Die Stunde", Wien, 24. Oktober 1925

Der Dollartraum eines Wiener Utopisten

Das Projekt einer europäischen Friedensbank und der Emission

des Friedensdollars vor der internationalen Währungskonferenz.


Vor kurzem erschien in den Blättern folgendes Communique: „Auf Vorschlag des Präsidenten Coolidge wird eine internationale Währungskonferenz einberufen werden, auf der auch das Projekt einer europäischen Friedensbank und einer einheitlichen europäischen Währung erörtert werden soll."


Josef Drach



Diese kurze telegraphische Nachricht,

an der wohl die meisten achtlos vorübergingen, hätte in Wien ein gewisses Interesse verdient.


Der Plan einer Europäischen Friedensbank und das Projekt der Emission von europäischen Friedensdollars stammt doch wie wir schon vor längerer Zeit berichtet haben von einem Wiener.







Ein Wiener Antiquitätenhändler, Josef Drach, entwickelte vor sechs Jahren in einem ausführlichen Memorandum ein Projekt, das geeignet sein solle, aus dem Elend der Inflation und dem Wirrwarr der schwankenden Valuten durch Schaffung einer einheitlichen europäischen Währung und Gründung einer europäischen Friedensbank herauszuführen.


Seine Memoranda verschwanden in Regierungsarchiven und in Papierkörben der Finanzkapazitäten. Seine Idee wurde und wird auch vielfach jetzt noch als Utopie und Phantasterei betrachtet. Josef Drach verlor aber nicht die Geduld, verfaßte immer neue Elaborate, trat mit führenden Persönlichkeiten des europäischen und amerikanischen Wirtschaftslebens in Korrespondenz und entfaltete für seine pazifistische Währungsform eine rührige Propaganda. Er hat sogar durch einen angesehenen Wiener Künstler, Alfred Offner, Entwürfe für die Dollarmünzen und Dollarnoten ausführen lassen. Als wir Josef Drach besuchten, zeigte er vor allem diese interessanten Entwürfe. Die Noten der europäischen Friedensbank sind geschmückt mit Symbolen des Pazifismus und den Porträts der Helden europäischer Kultur. Der Fünf-Dollar-Schein trägt in der Mitte das Bild Tolstois, rechts und links Sinnbilder der friedlichen Arbeit. Auf der Vorderseite der Fünfzig-Dollar-Note sehen wir den charakteristischen Kopf Jean James. Der Zehn-Dollar-Schein ist sogar mit dem Bilde Christus’ geschmückt.


Außer den Noten sind bereits auch die Entwürfe für die Metallmünzen (1 Dollar, ¼ Dollar, 10 Cent, 1 Cent), fertiggestellt. Eine vollkommene Serie. Haben diese Noten gegenwärtig zwar keinen valutarischen, so doch gewiß einen künstlerischen Wert. (Wie armselig und unkünstlerisch sind doch im Vergleich dazu unsere in Umlauf befindlichen Papiernoten der österreichischen Nationalbank!).


Josef Drach, der seit sechs Jahren an seinen Friedensdollar-Plänen arbeitet ein origineller erfinderischer Kopf war in seiner Jugend Handwerker, gelernter Maschinenbau-Meister.

(Er hat unter anderem auch eine Erfindung zur Verhütung von Eisenbahnzusammenstößen und Zugentgleisungen gemacht.) Wir fragten ihn über die Aussichten seiner Friedensdollar-Projekte: Ich bin Idealist, aber kein Utopist, sagte er. Ich hoffe, daß meine Pläne doch über kurz oder lang verwirklicht werden können. Die sechs Jahre, die seit der Veröffentlichung meiner Vorschläge verflossen sind, haben die Richtigkeit meiner Ansichten bewiesen. Die von mir vorgeschlagene Errichtung der europäischen Friedensbank hätte uns die richtige Sanierung gebracht. Wäre man mir gefolgt, so hätten wir den Zimmerman erspart, meint er.

Wie stellen Sie sich die Gründung der europäischen Friedensbank praktisch vor? Nach den Beratungen der internationalen Währungskonferenz sollte der Völkerbund die Konzession zur Errichtung der europäischen Friedensbank und der Emission von 80 Millionen Friedensdollar erteilen. Wo soll der Sitz der Friedensbank sein? In Wien natürlich. Im Schloß Schönbrunn.

Auf Grund der Ermächtigung des Völkerbundes sollte die österreichische Regierung die Friedensdollarmünzen im Hauptmünzamt, die Noten in der Banknotendruckerei der Notenbank herstellen lassen. Es wäre für Österreich auch ein glänzendes Geschäft.

Glauben Sie wirklich daran, daß Ihre Idee tatsächlich verwirklich werden kann, fragten wir skeptisch. Ja, ich glaube fest daran. Josef Drach faltet seine Friedensbank-Entwürfe und seine Patentschriften (zur Verhütung der Eisenbahnzusammenstöße und Entgleisungen) zusammen. Es scheint bei ihm ein Gedankenkomplex zu sein. Wird sein Patent zur Verhütung europäischer Zusammenstöße und diplomatischer Entgleisungen Erfolg haben?

Selig sind, die glauben!

 

"Badener Zeitung", Baden bei Wien, 28. September 1927

Der Friedensdollar.

Der Vorschlag eines Wieners zur Verhinderung künftiger Kriege.

Motto: Gegen Waffen und Grenzen.


Auf dem Dr. Karl Lueger-Platz in Wien befindet sich eine Antiquitätenhandlung. Josef Drach nennt sich der Firmainhaber. Im Beruf haust und verkauft er persische Teppiche, türkische Decken, indische Möbel, spanische Intarsien, japanische Netsukes, Alt-Wiener Porzellan.

Auf ein paar Jahrhunderte kommt es ihm bei dem oder jenem Stück nicht an. Im Nebenberuf ist er Politiker, Amateurpolitiker, der aber, wie wir gleich hören werden, Beruf und Nebenberuf geschickt zu verquicken versteht, seine Idee an seine Kunden und solche, die es mangels nötigen Kleingeldes nicht werden können, weiterzugeben weiß und, ein tüchtiger Geschäftsmann, auch wenn die Idee keine Verwirklichung findet, aus ihr Kapital schlägt.


Der Wiener Antiquitätenhändler Josef Drach will nichts Geringeres gefunden haben als ein Mittel, künftige Kriege unmöglich zu machen. Vom Kriegführen und davon, was man dazu braucht, dürfte er nicht viel mehr wissen, als der selige Montecuccoli. Wenn dieser gewiegte altösterreichische Politiker mit seinem Ausspruch, man benötige zum Kriegführen bloß dreier Dinge, Geld, Geld und wieder Geld, recht hat, und daß er es hat, beweist der große europäische Dalles selbst bei den Siegerstaaten, dann ist doch auch schon das Gegenmittel gefunden, das Mittel, das den Krieg unmöglich macht: Man entziehe den Völkern das Geld zum Kriegführen und der ewige Friede ist da. Gibt es etwas Einfacheres, Einleuchtenderes? Drach beteuert nein, und ich, der ich ihm glaube, daß die japanische Göttin Kwannon

8. Jahrhundert ist, glaube ihm auch das: weil ich von dem einen wie von dem andern gleichviel verstehe ....


„Mensch," sagt Herr Drach, „jetzt lassen Sie dem Buddha seine Weisheit und hören Sie auf mich." Ich reiße nur schwer den Blick vom sinnenden Gott, der seinen Nabel anstarrt. Täusche ich mich, oder lächelt er bei des Händlers Worten deutlicher, verständnisvoller? Herr Drach schleppt mich, den wildfremden Käufer und Sammler, in sein Allerheiligstes, drückt mich auf einen gotischen Kirchenstuhl des 14. Jahrhunderts, öffnet eine Lade eines entzückenden Empireschreibtisches und zieht kein vergilbtes Pergament, lieber Leser, sondern eine mit neuzeitlicher Maschinenschrift bedeckte Flugschrift heraus. Dann beginnt er (Buddha lächelt noch breiter): „Ein Mittel, jeden Krieg unmöglich zu machen, erblicke ich in der Schaffung einer einheitlichen Währung für alle Länder. Die Emission dieses neuen Geldes soll einzig und allein in die Hände des Völkerbundes gelegt werden. Alles Geld darf ausschließlich nur für Friedenszwecke in Umlauf gebracht werden und wird von der zu errichtenden„Welt-Friedensbank" hergestellt. Als Zentralsitz für den Völkerbund und die Friedensbank schlage ich Schönbrunn in Wien vor, dessen historische Bedeutung als Kulturstadt und Ort, wo der Gedanke zur Schaffung des Friedensdollars und die Umwechslung der Zahlungsmittel aller Staaten gegen diesen entstand, nachweisbar ist.


Ist einmal das Geld zur Erzeugung von Kriegsmaterial nicht mehr vorhanden, so hört automatisch die Bedrohung der Grenzen auf. Das Geld darf nur für Zwecke des Friedens und der Wirtschaft verwendet werden, die Erzeugung von Waffen und Munition unterliegt strengster Bestrafung und die Abrüstung aller Staaten muß unbedingt erfolgen. Welch ungeheure Mittel werden hierdurch frei und dem Wohle der Allgemeinheit zugeführt!


Die Volksvermögen, welche durch die Kriege vergeudet und buchstäblich verpulvert wurden, könnten künftighin dem Wiederaufbau der friedlichen Kulturarbeit, der Schaffung neuer Werte zugeführt werden. Die Grenzen würden geöffnet, die Handelsbeziehungen, die durch die unseligen Absperrungen erschwert sind, würden rege werden, Handel und Industrie zu neuer Blüte sich entfalten und die Völker in friedlichem Wettbewerbe zu Höchstleistungen auf allen Gebieten angespornt werden. Der Freihandel würde eine Verbilligung der Waren und eine Senkung der Kosten für die Lebensführung ermöglichen. Die Arbeitslosigkeit würde aufhören, sobald die Länder und Städte die Geldmittel zur Ausführung großzügiger Bauprojekte zur Verfügung stellen könnten."


Herr Drach ist zu Ende. Er blickt mich an: „Was sagen Sie dazu? Habe ich recht?" Ich blicke zu Buddha hinüber. Wer deine Weisheit hätte! Könntest du Allwisser die Frage beantworten? Gibt es ein Mittel gegen den Krieg? Buddha schweigt und lächelt. Und blickt den Nabel an. Kommt aus dem Nabel die Weisheit? Des halb sind wir so unweise, weil uns unsere Kleidung hindert.... Hat Drachs Idee nicht einen guten Kern? Ich glaube schon. Ein Größerer hat sie gangbar gefunden. Sie besteht im wesentlichen aus folgendem: Um dem chaotischen Zustand in den Weltwährungen mit einem Schlage ein Ende zu machen, propagiert Herr Drach die Einführung einer einheitlichen Währung für alle Staaten Europas. In dem Augenblick, da alle Europäer, wenn sie in ihr Portefeuille greifen, nur Dollars und keine Franken, Pfunde, Schillinge usw. herausnehmen können, ist Drachs Gedanke zur Wirklichkeit geworden. Die Schaffung dieser Währung ist in der Hauptsache darauf gerichtet, künftighin Kriege zu verhindern, da ihre Verwendung nur für Zwecke des Friedens erfolgen darf.

Drachs Devise „Gegen Waffen und Grenzen" sagt schon, daß für Kriegsrüstungen kein europäischer Staat auch nur einen Heller ausgeben darf. Zur Herstellung und Emission der einzelnen Teilwerte des Weltfriedensdollars soll die„Weltfriedensbank" gegründet werden.

In dem Augenblicke, wo alles Geld ausschließlich nur für Friedenszwecke ausgegeben werden darf, würden automatisch alle Zollschranken, die die Völker trennen und bedrücken, fallen, ebenso die Sprachenzwistigkeiten und die Paßschikanen ein Ende finden.


Ist einmal das Geld zur Erzeugung von Kriegsmaterial nicht mehr vorhanden, so hört automatisch die Bedrohung der Grenzen auf. Das Geld darf nur für Zwecke des Friedens und der Wirtschaft verwendet werden, die Erzeugung von Waffen und Munition unterliegt strengster Bestrafung und die Abrüstung aller Staaten muß unbedingt erfolgen. Welch ungeheure Mittel werden hierdurch frei und dem Wohle der Allgemeinheit zugeführt!


Herr Drach hat sich an den Völkerbund mit seiner Idee gewendet. Er hat keine Antwort bekommen, die Herren waren anscheinend mit der„Abrüstung" beschäftigt. Wo haben sie Zeit für Friedensvorschläge? Der Wiener ist nicht irre geworden: Er hat einen gewaltigen Folianten auf einem Tische liegen: „Schreiben Sie mir hier Ihre Meinung über meine Idee nieder," bittet er. Ich blättere in dem dicken Bande und traue kaum meinen Augen: Heerführer neben Politikern, Zeitungsmänner und Künstler, Gelehrte neben Koryphäen auf dem Gebiete des Handels haben sich hier verewigt und in wenigen Worten ebensoviel Schmeichelhaftes über Drachs Idee geäußert. Ich gerate da in keine schlechte Gesellschaft. Deshalb schreibe ich: „Von des Krieges Weh und Ach / Befreie uns Herr Josef Drach. / O, hört auf ihn, ihr Herr'n in Genf. Da bockte mein Pegasus, ich fand den Vers auf Genf nicht gleich. Schöne Blamage!

Da blickte ich zu Buddha hinüber. Jetzt lachte er vollends und schien zu sagen:„Auf deinen Senf kommts an!" Senf, Senf, da habe ichs! Und als Schlußvers schrieb ich: „Sein Plan ist mehr als bloßer Senf. Und nun lächelten wir alle, Buddha, Herr Drach und ich.

J. x. o.

 

"Badener Zeitung", Baden bei Wien, 31. August 1929

Friedensgeld.


Da war im Krieg in der Abteilung des Kriegsministeriums, der ich vorstand, ein Landsturmmann eingerückt, Titularkorporal mit Intelligenzbörtel, im zivilen Leben ein angesehener Geschäftsmann.


Er war mein Kanzleileiter; geschickt, diskret, voll rührender Ergebenheit für seinen Rittmeister. Und dann brach der Friede aus, ich verließ Wien und hörte nur selten von meinem, Kriegskameraden.


Neulich ging ich spazieren und kam durch Zufall in einen mondainen Kaffeegarten mit Jazz und furchtbar verruchten Großstadtmädeln. Plötzlich rief mich jemand an. Hochelegant,

12 Jahre älter, gewichtig aber nach zwei gewechselten Worten war die alte Zusammengehörigkeit wieder hergestellt. Der Herr Kommerzialrat lud mich zu seinen Tisch. Dort saß ein gedrungener Herr in den besten Jahren, unauffällig für die Maße, nur in seinen Augen sah ich etwas glühen, was mir verwandt schien, Künstlerfeuer oder Phantasie mit einen Schuß Besessenheit. Sein Name wurde mir genannt – Josef Drach.


Da setzte ich mich interessiert hin, denn mit diesem Namen verband ich die dunkle Erinnerung an einen Fanatiker des Friedens, eines wirklichen, echten, heiligen Gottesfriedens, unbeschwert von Versailles, St. Germain und Trianon. Überstürzt war seine Rede, ringend mit dem Worte, immer aber kehrte das Bekenntnis wieder zu einem tiefen Glauben an eine Mission, an ein Werk, umwälzender und revolutionärer als alle Bewegungen der christlichen Aera. Denn dieser Mann will das Engelwort der Weihnacht in die Tat umsetzen: Und Friede den Menschen auf Erden.


Nicht durch papierene Vorträge, an die sich kein Mensch hält, nicht durch Pakte, die mit goldner Feder unterzeichnet und endlich nur bequeme Fragen für Kanditaten der Staatswissenschaft werden; nicht durch Demonstrationen, die nur zu Leitartikeln Anlaß geben, nicht durch genferne Diners und Empfänge oder durch sensationell aufgezäunte Pan-Europa-Vorträge gräflicher Utopisten [gemeint ist Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi] – sondern durch das einzige, was in dieser entgötterten Welt allein idealen Wert darstellt, an dem alles hängt, nach dem alles drängt – durch das Geld.


Und dann war ich in Wien in seinen Milieu. Unter Boulemöbeln, Maria Theresien-Sekretären, Biedermaierkomoden, gotischen Heiligen und steiflehnigen Chippendalestühlen, unter alten italienischen und niederländischen Bildern, umweht von einer Vision von Gabriel Max und den preziösen Frauen einer Angelika Kaufmann sitzt er an einem mächtigen Empiretisch und holt aus einer grellbemalten Bauerntruhe einen Stoß mächtiger Bände hervor – sein Stammbuch.


Jedes Blatt ein Dokument ehrlichster Menschlichkeit, Zeugen von fast religiösen Fanatismus für Ueberbrückung und Verständigung, Namen aus allen Weltteilen, Namen, die jeder kennt und achtet.


In allen Sprachen der Welt, in arabischer, türkischer, chinesischer, kyrillischer und armenischer Schrift leuchtet aus diesen Folianten das Bekenntnis zum Erdenparadies, Hoover steht neben Hindenburg und Pflanzer-Baltin. Ueber den Schreibtisch ein großes Tableau, die Entwürfe zur Einheitswährung der Welt, zum „Friedensdollar".


Nicht Regentenbildnisse schmücken die Note, die großen Apostel und Bahnbrecher der Menschheit grüßen vom Zahlungsmittel der Zukunft, Christus, der Erlöser der Seele, und Abraham Lincoln, der Befreier aus körperlicher Sklaverei und Marconi, der Weltumspanner.

Drach erzählt :» Eine Weltfriedensbank sieht er im Geiste aufgestellt, sieht Grenzen verschwunden, Zölle aufgehoben, sieht Völker verbunden mit einheitlichem Schaffen unter einheitlichen, wirtschaftlichen Bedingungen, nicht Pan-Europa, sondern Pan-Univers und sieht Wien, sein geliebtes Wien, als glückliches, zufriedenes Kultur- und Kunstzentrum der Welt.


Erschüttert steht man vor diesem Glauben, der, wie der Apostel sagt, Berge versetzen kann,

nein. Schwereres vollbringen, Haß zerstören und die Vernunft auf den Thron erheben.

Im Ausland kennt man Drach und seine Idee. Hervorragende Politiker und Wirtschaftler

ziehen mit ihm an einem Strang. Hier in der Heimat ereilt ihn das österreichische Los.

Erst wenn Deutschland und England, wenn Amerika und das ferne Japan von Drach und seinem Werke als einen selbstverständlichen Evolutionsschritt sprechen, werden die Oesterreicher darauf kommen, daß es einer der Ihrigen ist, der in Wien die Fäden einer Weltbewegung in der Hand hält.

Richard Kühnelt

 

"Bergland", Illustrierte alpenländische Monatsschrift. XIII. Jg., Heft 12, 1931

Das Geld von Morgen:

Der europäische Friedensdollar – Die Einigung Europas


Der Plan einer europäischen Friedensbank und das Projekt der Emission von europäischen Friedensdollars stammt von einem Wiener Antiquitätenhändler, Josef Drach, der bereits vor acht Jahren in einem ausführlichen Memorandum ein Projekt entwickelte, das geeignet ist, den europäischen Kontinent mit neuen, verjüngenden Kräften zu erfüllen, die Produktion zu heben, allgemeinen Wohlstand herbeizuführen. Das Projekt einer europäischen Friedenswährung ist bis ins Detail ausgearbeitet und allen Regierungen der europäischen Staaten unterbreitet worden. Finanzgrößen, Herrscher, Minister, Diplomaten, Bankfachleute haben es geprüft und für gut befunden. Die Friedensdollars sollen neben autonomen Währungen aller europäischen Staaten anerkannt werden; gleichzeitig soll eine Friedensbank gegründet werden, der die metallische Deckung der in Umlauf zu setzenden Währung vorbehalten bleibt. Warum man noch immer nicht auf die Lösung der Finanzprobleme durch Schaffung einer zwischenstaatlichen Währung verfallen ist, wobei alle Zollgrenzen fallen und die Zinsverhältnisse auf gesunder Basis geregelt werden? Josef Drach besitzt ein interessantes Buch, in dem sich unter anderen großen Männern der Öffentlichkeit auch der Franzose Herriot und der Präsident der Vereinigten Staaten Hoover eingetragen haben, also sichtbar für seine Idee eingetreten sind. Trotzdem bleibt man vorerst bei dem alten, komplizierten Währungssystem, das die ohnedies hohen Produktionskosten steigert, die Staaten durch einen komplizierten Kreditverkehr, durch Zollschranken gegeneinander absperrt.

Bei Einführung des Friedensdollars würde der Güteraustausch ständig zunehmen, Perspektiven für den Freihandel würden sich eröffnen, die Verbindlichkeiten der Kaufmannswelt könnten reibungsloser und günstiger liquidiert werden. Der Friedensdollar soll, wie es im Exposé heißt, das Symbol dafür sein, daß es, ähnlich wie jenseits des Ozeans, auch in [Europa]…"

 

Fakt ist, dass Josef Drach sich nicht nur mit der Idee zufrieden gab, sondern diese auch in die Tat umsetzen wollte. Hierzu beauftragte er den vom Jugendstil geprägten Maler, Grafiker und Plakatkünstler Alfred Offner (1879–1947) mit der Herstellung von Entwürfen. Offner hatte sich auch mit der Gestaltung von Plakaten und Wertpapieren für die Wiener Kommerzial-Bank und das Rote Kreuz beschäftigt.

Nachstehend übernehme ich die Beschreibung der einzelnen Motive der Entwürfe aus dem Artikel von 1931, die heute wohl nur noch wenigen Numismatikern und Historikern bekannt sein dürften.


Die 1-Dollar-Note zeigt besonders sinnvoll die Zerstörung des Krieges durch die Friedensarbeit, die Friedensgöttin, die das Elend lindert, im Hintergrund das Aufblühen

von Handel und Gewerbe. [Rückseite]


Die 2-Dollar-Note zeigt die bekannte Wiener Vorkämpferin gegen den Krieg

Berta von Suttner. [Vorderseite]


Die 5-Dollar-Note weist als Symbol zwischen den Allegorien der Freundschaft und der Arbeit das Porträt des Friedensapostels Leo. Tolstoi. [Vorderseite]

Eine andere 5-Dollar-Note zeigt den Erdball von Ketten des Friedens und der Freiheit umschlungen. [Rückseite]


Christus mit dem Lamm zwischen den Symbolen der Freundschaft und des Fleißes ist der Schmuck der 10-Dollar-Note. [Vorderseite]


Auf der 20-Dollar-Note sieht man Goethe als einen der ersten Wegbahner des europäischen Einigkeitsgedankens. [Vorderseite]

Auf der 50-Dollar-Note kann man das Porträt Jean Jaurés, des großen europäischen Sozialpolitikers, erkennen. [Vorderseite]


Von der 100-Dollar-Note blickt Lord Beaconsfield, der große Wirtschaftsphilosoph, als einer der Pioniere des europäischen Friedensgedankens. [Vorderseite]



Die ursprünglich handgezeichneten Entwürfe sind alle auf Wien, den 1. Juli 1922 datiert und als Emittent ist die "Europäische Friedensbank" bzw. "Drach's Europäische Friedensbank" angegeben. Der Druck erfolgte in unbekannter, aber wohl sehr kleiner Zahl.

Die Entwurfsdrucke im Format von ca. 130 mm x 60 mm wurden auf dünnem Zeitungspapier aufgeklebt. Einzelne Entwürfe (5, 10 und 100 Friedensdollar) sind rechts unten mit der Künstlersignatur "OFFNER" versehen.

Ob es tatsächlich auch einen Entwurf mit dem Porträt von Abraham Lincoln gab, wie im Artikel der "Badener Zeitung" vom 31. August 1929 behauptet, oder ob es sich um eine Verwechslung des Berichterstatters z. B. mit dem Porträt von Lord Beaconsfield auf dem Entwurf zum 100-Friedensdollar-Schein handelt, bleibt offen.


Die Gültigkeitsklausel, die man so auf den Entwürfen zu 1 und 5 Friedensdollar findet, besagt:

"Die Drach'sche Europäische Friedensbank zahlt sofort auf Verlangen gegen diese Note den vollen Gegenwert in ihrem gesetzlich anerkannten Metallgelde bei ihrer Hauptanstalt in Wien. 1 Juli 1922." Woher die Einlagen zur Deckung der Ausgaben der Friedensdollars in gesetzlichem Metallgeld kommen sollten, war wohl neben der Anerkennung als alternatives Zahlungsmittel und der Festlegung von Umtauschverhältnissen zu fortbestehenden nationalen Währungen eines der Hauptprobleme Drach's gewesen sein. Immerhin hatte er bereits einige, hauptsächlich jüdische Geschäftsleute, für seine Idee gewinnen können.


Drach unterbreitete seine Idee vom Friedensdollar zahlreichen einflussreichen Personen, ein angeblicher Kontakt zum damals größten Kunsthändler Wiens, Ferdinand Spany (1897–1983), dürfte aber eher unbedeutend gewesen sein, auch wenn Spany selbst ein Verfechter des Pan-Europa-Gedankens und einer europäischen Einheitswährung war. Es ist natürlich ein Unterschied, ob man von einer echten Einheits- oder von einer Alternativwährung spricht, die sich vorerst neben fortbestehenden nationalen Währungen behaupten muss.

Eine europäische Einheitswährung haben wir mit dem Euro, zumindest für dessen Gültigkeitsbereich, erst seit 2002, also 80 Jahre nach den Ideen von Josef Drach in der Praxis verwirklichen können.


Über Drach selbst, einen selbstbewussten Visionär, dessen Idee an der harten Realität einer Zeit scheiterte, in der Reparationsforderungen in klingender Münze den vermeintlichen Siegern und die Bewahrung nationaler und Verteidigung wirtschaftlicher Interessen den vermeintlichen Verlierern wichtiger waren als der europäische Einheitsgedanke, ist wenig bekannt. Seine Idee vom Friedensdollar sollte dennoch nicht ganz in Vergessenheit geraten und Drach selbst in der Geschichtsschreibung der Europäischen Union einen gebührenden Platz erhalten.


Fest steht aber auch, dass Josef Drach nicht ganz allein mit seiner Idee einer einheitlichen europäischen Bank war, aus den USA kam bereits im Frühjahr 1922 eine entsprechende Initiative, die aber noch keine europäische Einheitswährung vorsah.



"Wiener Zeitung", Wien, den 8. März 1922

Das Projekt einer Europabank


Aus Berlin, 7. d. M., wird gemeldet: Der amerikanische Senator Robert L. Owen, der sich zurzeit in Berlin aufhält und heute nach Paris und London abreisen wird, erklärte in einer Unterredung mit dem Vertreter der "Zeit" über seinen Plan, mit amerikanischer Hilfe eine Europabank zu gründen, u. a.: Die Bank, die den Namen Federal Reserve Foreign Bank erhalten soll, soll ihren Hauptsitz in New-York und Zweigniederlassungen dort haben, wo solche von den Banken und Regierungen in Europa gewünscht werden. Die Bank soll über ein Kapital von 500 Millionen Golddollar verfügen, das von den 12 großen Federal Reserve-Banken der Vereinigten Staaten beigestellt würde. Die Bank werde sich einzig und allein mit der Diskontierung von Handelspapieren befassen, die auf greifbare Waren begründet seien. Die Reservebank werde den europäischen Banken auch Goldkredite gegen solche Papiere geben und so mit Unterstützung europäischer Banken Goldkreditreserven ansammeln, die sie bis zu einer Höhe von 2-5 Milliarden bringen will. Amerika werde auf diese Weise seinen Goldschatz nutzbringend für die europäische Produktion verwenden. Sollten die europäischen Bank dem Plane zustimmen, so würde er sein Äußerstes tun, den amerikanischen Kongreß zur Annahme des Gesetzes zu bewegen.

 

Auch diese Idee aus den USA verlief wohl im viel zitierten Sande. Aller wohl gemeinte Idealismus muss sich letztlich an den politischen Realitäten jeder Zeit messen lassen und Europa war in der Zwischenkriegszeit noch weit von einer umsetzbaren Vision einer Einheit entfernt. Erst die jüngsten Ereignisse im Zusammenhang mit dem Krieg Russlands gegen die Ukraine haben so manche Naivität im politischen Alltag auch von heute schwinden lassen.


Interessant ist, dass der Gestalter der Entwürfe Alfred Offner, der 1879 im damals österreichischen Tschernowitz in der Bukowina (heute Ukraine) geboren wurde, jüdische Wurzeln hatte und während des Zweiten Weltkriegs Zuflucht vor Verfolgung ausgerechnet

in der Burg Ronsperg des Adelsgeschlechts Coudenhove-Kalergi in der Nähe von Taus in Westböhmen (Sudetenland) fand. So schließt sich wieder der Kreis der frühen Pan-Europäer und Vorkämpfer einer europäischen Einheitswährung.


Hans-Ludwig Grabowski


Danksagung:

Herzlichen Dank an Rudolf Richter aus Salzburg für die Bereitstellung von Informationen sowie für die Abbildungen der Entwurfsdrucke aus seiner Sammlung.


Anmerkungen:

Der Großteil der Zitate aus österreichischen Presseveröffentlichungen wurde erst durch die Digitalisierungen der Österreichischen Nationalbibliothek möglich. Es hat sicher noch weitere Veröffentlichungen zu Drachs "Friedensdollar" – auch in Deutschland und anderen Ländern – gegeben.



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