Die Gewerbe der thüringischen Stadt Pößneck waren schon seit Jahrhunderten durch Tuchmacher und Lohgerber geprägt. Um 1860 begann der Aufstieg Pößnecks als Industriestadt mit bedeutender Textil- und Lederindustrie. Hier wurde 1891 auch der Deutsche Textilarbeiterverband (später Gewerkschaft Textil-Bekleidung) gegründet.
Nachdem die Stadt 1922 Notgeldscheine zu 100 und 500 Mark aus dickem Pergamentpapier ausgegeben hatte, nutzte man mit Beginn der Hochinflation auch Leder und sogar Schuhsohlen für die Herstellung von städtischem Notgeld.
Gutschein der Stadt Pößneck über 100 Mark vom 13. September 1922 aus dickem Pergament,
Gültigkeit durch Stempel verlängert bis 5. Februar 1923, Druck einseitig.
Notgeld der Stadt Pößneck über 5 Millionen Mark vom 11. August 1923 aus Schafsleder, Vorderseite mit Ansicht der alten Gerberstadt und Rückseite mit Schabebaum.
Die Gestaltung übernahm der Pößnecker Grafiker Kühlborn, den Druck der Inflationsausgaben die Firma C. G. Vogel in Pößneck.
Das Stiefelsohlengeld
Das sog. "Stiefelsohlengeld" war wertbeständiges Notgeld der Stadt Pößneck, das auf dicke Lederformen für Absätze geprägt wurde. Eine zeitgenössische Zeitungs-Meldung dazu lautet:
Das Pößnecker "Stiefelsohlengeld" Eine der originellsten Notgeldschöpfungen dürfte das von der Stadt Pößneck i. Th. im September 1923 herausgebrachte Stiefelsohlengeld sein. Diese drei Tauschwertscheine, 1 Sohle zu 1,50 Goldmark, 1 Absatzstück 50 Goldpfennig u. 1 Absatzstück 25 Goldpfennig, aus unverwüstlichem Pößnecker Sohlenleder, sind die Vorläufer der wertbeständigen Währung gewesen. In den letzten Tagen der Inflation waren diese Stiefelsohlen ein gern genommenes Zahlungsmittel, welches bei Teillohnzahlungen in größeren und kleineren Betrieben Verwendung fand. Nach unseren Ermittlungen ist eine Gesamtauflage von 997 Sohlen zu 1,50 Goldmark, 997 Absatzstücke zu 50 und 997 Absatzstücke zu 25 Goldpfennig hergestellt worden. Der größte Teil dieser Scheine dürfte bei Eintritt stabiler Währungsverhältnisse seiner natürlichen Bestimmung zugeführt worden sein.
Pößnecker Stiefelsohlengeld, Originale zu 25 Goldpfennig (Damenabsatz) und 50 Goldpfennig (Herrenabsatz) mit Datum vom 27. September 1923.
Pößnecker Stiefelsohlengeld, Original zu 1,50 Goldmark (Stiefelsohle)
mit Datum vom 27. September 1923.
Die Originale wurden auf dickem Schuhsohlenleder (dunkelbraune Rindslederstücke) geprägt.
Vom höchsten Wert zu 1,50 Goldmark gibt es sowohl rechteckigen Stücke (wie abgebildet), als auch bereits als Sohle in Form geschnittene Stücke.
Die Auflagezahlen wurden lange Zeit, soch auch noch bei den Nachprägungen des Kulturbunds der DDR, mit knapp 1000 Stück je Nennwert angegeben. Zwischenzeitlich scheint aber sicher, dass je Wert 1.200 Stück Originale hergestellt wurden.
Nachprägungen des Kulturbunds der DDR
Aus Anlass des 20-jährigen Bestehens der Fachgruppe Numismatik Pößneck im Kulturbund der DDR ließ der Verein Ende der 1980er Jahre das "Sohlengeld" der Stadt mit dem Zusatz "Numismatik Pößneck" nachprägen. Für die Sohle wurde hierzu der Originaldruckstock verwendet. Die "Absätze" wurden nachempfunden.
Während die Originale auf dunkelbraunem Sohlenleder geprägt waren, wurden alle Ausgaben des Kulturbunds auf hellem Leder geprägt.
Die Nachprägungen wurden durch die Firma Schleizer Alben realisiert.
Jeden Wert gibt es in drei verschiedenen Ausführungen: als Blindprägung, Prägung in Silber und als Prägung in Gold. Die 1,50-Goldmark-Prägungen erfolgten im November 1988.
Die beiden kleineren Werte wurden dann im November 1989 geprägt.
Pößnecker Stiefelsohlengeld, Nachprägung der Fachgruppe Numismatik des Kulturbunds der DDR zu 25 Goldpfennig auf hellem Leder vom November 1989 als Bildprägung.
Folgende Stückzahlen wurden nachgeprägt:
25 Goldpfennig vom 27.9.1923 (Nachprägung im November 1989)
Blindprägung: 580 Stück
Silberprägung: 200 Stück
Goldprägung: 150 Stück
Pößnecker Stiefelsohlengeld, Nachprägung der Fachgruppe Numismatik des Kulturbunds
der DDR zu 50 Goldpfennig auf hellem Leder vom November 1989 als Bildprägung (links)
und Goldprägung (rechts).
50 Goldpfennig vom 27.9.1923 (Nachprägung im November 1989)
Blindprägung: 645 Stück
Silberprägung: 200 Stück
Goldprägung: 150 Stück
Pößnecker Stiefelsohlengeld, Nachprägung der Fachgruppe Numismatik des Kulturbunds
der DDR zu 1,50 Goldmark auf hellem Leder vom November 1988 als Bildprägung,
Vorder- und Rückseite mit Angaben des Kulturbunds.
1,50 Goldmark vom 27.9.1923 (Nachprägung im November 1988)
Blindprägung: 645 Stück
Silberprägung: 200 Stück
Goldprägung: 150 Stück
Pößnecker Stiefelsohlengeld, Nachprägung der Fachgruppe Numismatik des Kulturbunds
der DDR zu 1,50 Goldmark auf hellem Leder vom November 1988 als Goldprägung,
Vorderseite.
Damit der auf dunklen Originalsohlen nur schlecht lesbare Text auf den großen "Stiefelsohlen" auch zur Geltung kommt, möchte ich hier noch eine Nachprägung auf hellem Leder groß abbilden. Und wer die alte Frakturschrift nicht mehr lesen kann, dem sei das nette Gedicht auch in einer Transkription geboten:
Der Geldschein ist nur Scheingeld,
Das nicht mehr seinen Wert hält;
Doch Pößnecks Leder ihr achten sollt
Wie altes Geld von echtem Gold.
Vorm Kriege eine Mark ich galt,
Drob schätze hoch mich jung und alt,
Mir wuchs danach ein Nullenschweif.
Fürs Irrenhaus die Welt ist reif.
Die deutsche Mark kam auf den Hund,
Doch deutscher Arm ist noch gesund!
Was der an Werten täglich schafft,
Der Börsenschwindel an sich rafft.
Kauf'st Du ne Serie Sohlengeld,
Der Wuchrer nichts von Dir erhält!
Geschützt bist Du ein ganzes Jahr
Vor Schnupfen und vor Reißen gar,
Denn diese Sohlen zäh und dicht,
Die dulden kalte Füße nicht.
Verwiesen wird außerdem auf "Neptunio" (D.R.P. = Deutsches Reichspatent) – Das beste Sohlenleder der Welt und zwei Pößnecker Lederfabriken.
Die Unterscheidung zwischen Originalen und Nachprägungen dürfte Sammlern also keine Schwierigkeiten bereiten, bedenkt man die unterschiedlichen Lederarten.
Hans-Ludwig Grabowski
Literaturempfehlung:
Sämtliche Ausgaben des Pößnecker Ledergelds findet man in meinem Katalog zum Notgeld der besonderen Art.
Deutsches Notgeld, Band 9:
Notgeld der besonderen Art
Geldscheine aus Stoff, Leder und sonstigen ungewöhnlichen Materialien
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