Vom Notgeld der Sächsischen Staatsbank 1945 sind Scheine der Serie D mit 6-strahligem Stern seit etwa 25 Jahren bekannt. Drei Exemplare sind bis heute belegt: 003825, 004500 und 006617. Wie die Ergebnisse jüngster Recherchen zeigen, sind das keine Varianten! Es handelt sich um Fehldrucke!
Es war üblich, dass beim Einstellen von 6-stelligen Nummerierwerken bei den Ziffernrädern die erste, linke Null heruntergedrückt wurde, wenn eine Auflage nur im 5-stelligen Bereich gedruckt werden sollte.
Alle bekannten Kontrollnummern der sächsischen Zwanziger zeigen eine 5-stellige. Wie kam es zu einer 6-stelligen Nummer? Der Grund hierfür ist ein Versehen des Druckers: Er vergaß, die erste Null des 6-stelligen Apparats herunterzudrücken. Es war also kein technisches Versagen, sondern menschliches Verschulden. Das Problem ist bei folgendem Beispiel eines Gaststätten-Gutscheins aus Ahrenshoop erkennbar: Hier wurde ebenfalls vergessen, beim mittleren Apparat die linke Null herunterzudrücken. Durch das Herabdrücken wird die Ziffer nicht mitgedruckt.
Gutschein mit Fehldruck: falsch eingestelltes Nummerierwerk – in der Mitte sieht man eine 6-stellige statt der vorgesehenen 5-stelligen Kontrollnummer
20 RM 26. April 1945, 60 × 80 mm. Vs. Fehldruck mit 6-stelliger statt der vorgesehenen 5-stelligen Kontrollnummer. Rs. mit Strafsatz im Rahmen und Herstellerangabe: AKTIENGESELLSCHAFT FÜR KUNSTDRUCK NIEDERSEDLITZ BEI DRESDEN
Somit handelt es sich um keine Variante und Katalogangaben sollten korrigiert werden. Standardnoten sind demnach alle mit einer 5-stelligen Kontrollnummer. Bekannt ist die 00127 als niedrigste und die 36936 als höchste KN – beide sind aus der Serie H. Das lässt den Schluss zu, dass sämtliche Scheine dieser Serie ausgegeben wurden. Die Plunger der Apparate sind folgenden Serien zuzuordnen, die in Nutzen zu 3 × 7 nummeriert wurden:
Anfängliche Zuordnung der Sternzeichen zu den jeweiligen Serienbuchstaben.
Aus technischen Gründen wurde später das Nummernwerk der Serie V ersetzt und durch Q ausgetauscht. Häufigkeit der verwendeten Nummerierwerke: R 2 ×, Q 5 ×, k 14 × (die Serien I, W, X und Z wurden nicht gedruckt)
20 RM 1945, Vorderseiten mit den drei unterschiedlichen Nummernwerken
Die 20-RM-Banknoten der Sächsischen Staatsbank mit dem Datum 26. April 1945 wurden in Druckbogen (Hochformat mit 42 Scheinen = 6 × 7 Scheine) hergestellt, aber nur in Halbbogen nummeriert. Der Druckauftrag wurde Ende April 1945 an die Großdruckerei in Niedersedlitz vergeben und lief dort unter der Nummer 7145; er enthielt außerdem die Herstellung von 5- und 50-RM-Banknoten. Der Druck der Zwanziger erfolgte zwischen dem 29. April und 4. Mai 1945. Dazu hatte die Druckerei 36.000 Bogen Wasserzeichenpapier von der Papierfabrik Hoesch aus Königstein/Elbe erhalten. Das Wasserzeichen war identisch mit dem der Reichsbanknoten zu 20 RM 1929/vereinfachter Kriegsdruck.
Ausschnitt des etwa 3 cm breiten Ornament-Wasserzeichens.
Die Bogen waren 104 × 64 cm groß; am 5. Mai 1945 wurden nochmals 36.000 Bogen aus Königstein nach Niedersedlitz geliefert
Am 5. Mai 1945 erfolgte die Auslieferung an die Reichsbankhauptstelle Dresden: vormittags 93.000 Banknoten, nachmittags nochmals 200.000 Stück. Im „Freiheitskampf“ vom 6. Mai informierte man die Dresdner Bevölkerung unter der Überschrift „Aus der Gauhauptstadt/Banknoten der Sächsischen Staatsbank“:
Aus kriegsbedingten Gründen werden neben den bereits in Umlauf befindlichen gesetzlichen Zahlungsmitteln Banknoten der Sächsischen Staatsbank durch die Reichsbank in den Verkehr gebracht, die in voller Höhe durch gesperrtes Guthaben bei der Reichsbank gedeckt und ebenfalls gesetzliches Zahlungsmittel sind.
Noch am selben Tag wurden das sog. „Mutschmann-Geld“ ausgegeben.
Aufstellung der Druckerei vom 5. Juli 1945 für die Sächsische Staatsbank über den Druck der drei Wertstufen
Aufgrund der Schäden in der Dresdner Innenstadt durch die Bombenangriffe vom Februar wurde ein Teil der Banknoten in die Landeshauptkasse nach dem nahen Kreischa ausgelagert. Außerdem wurden Bankrat Strauch von der Reichsbank in Chemnitz am 11. Mai 1945 weitere 462.000 Scheine für den Raum Westsachsen ausgehändigt. In der Druckerei verblieben 1000 Stück. Das waren insgesamt 756.000 Scheine, die rechnerisch den nummerierten 18.000 Bogen entsprechen (2 × 18.000 Halbbogen) und in der Aufstellung vom 5. Juli 1945 aufgelistet sind.
Die Mengenangaben stimmen mit den ausgelieferten Scheinen vom 5. und 11. Mai 1945 überein. Demnach kann man die gelieferten 756.000 Banknoten durch 21 teilen (Anzahl der Nutzen auf den Halbbögen); das ergibt 36.000 und stellt die Druckmenge je Serie dar. Da aber Kontrollnummern über 36000 belegt sind (36142 U, 36936 H), muss es nach dem 5. Juli weitere Nummerierungen gegeben haben. Diese Vermutung wird durch den belegten 50-RM-Schein mit der KN C 01853 erhärtet, den es lt. Aufstellung nicht geben dürfte. Oder aber man druckte 37.000 Stück je 21 Serien und entnahm einige Scheine als Ersatz für Makulatur-Scheine.
Außerdem sind von der Serie G (nicht ausgegeben) KN im 50000er Bereich nachweisbar – diese sind seit Jahrzehnten in bankfrischer Erhaltung auf dem Markt. Von der Serie E mit lichtem Stern ist die Nummer 51615 belegt. Hier handelt es sich ebenfalls um spätere Drucke nach dem Juni 1945. Es ist unklar, ob es sich hierbei um einen geplanten Nachdruck handelte.
Im Mai 1945 wurde dem Dresdner Bürgermeister Dr. Meißner vom Stadtkommandanten der Roten Armee befohlen, das vorhandene Notgeld zu beschlagnahmen. Bis zur Errichtung der SMAD am 6. Juni 1945 in Ostdeutschland hatte Generalleutnant Nikita F. Lebedenko als Kommandeur des 33. Gardeschützenkorps der 5. Garde-Armee die militärische und politische Macht in Dresden inne. Das Geld war für die Versorgung der Stadt vorgesehen. Auch die Lockwitzer Druckerei Paul Welzel war von sowjetischen Soldaten besetzt, wo sich noch im August 1945 fertige ungeschnittene 2000 Halbbogen zu 5 Reichsmark befanden, von denen schon 611 nummeriert waren. Das waren 3 × 10 Scheine in 30 Serien (A … AD). In einem Brief der Druckerei vom 8. August 1945 an den Bankdirektor Christoph K. Zirkel wurde nach der Vorgehensweise mit dem vorhandenen Banknotenpapier in fertiger und unfertiger Ausführung gefragt.
Gebäude der Sächsische Staatsbank am Dresdner Albertplatz, um 1930 (Bild: Bundesarchiv Nr. 183-1988-1027-504)
Auf den Geldscheinen sind die Unterschriften von Bankpräsident Kurt Nebelung und Bankrat Christoph Zirkel vorhanden. Nebelung starb 1947 im sowjetischen Speziallager Nr. 2 Buchenwald.
Die Sächsische Staatsbank, ab Mai 1945 am Platz der Roten Armee, bestand bis zum 14. August 1945 und wurde aufgrund des Befehls Nr. 10 der SMAD in die Sächsische Landesbank umgewandelt. Im Befehl vom 23. Juli 1945 wurde die Schließung aller Privatbanken und Versicherungen in der sowjetischen Besatzungszone angeordnet.
Verordnung über die Gründung der Sächsische Landesbank am Dresdner Albertplatz 1945
Die SLB wurde im Sommer 1947 zur Sächsischen Landeskreditbank und ging mit der im selben Jahr gegründeten Emissions- und Girobank Sachsen am 1. Januar 1950 in der Deutschen Notenbank, Fil. Dresden, auf.
Auch beim Geltungszeitraum für den 20-RM-Schein (DEU-260a, Grabowski, Deutsche Banknoten ab 1871) muss korrigiert werden. Die 20-RM-Banknoten galten vom 6. Mai 1945 bis nach dem 15. Februar 1946 in ganz Sachsen und wurden von der sowjetischen Militärregierung nicht eingezogen oder vernichtet. Denkbar ist, dass sie sogar bis zur 1948er Währungsreform in der Ostzone umlauffähig waren bzw. bis dahin nach und nach aus dem Umlauf genommen wurden. In der Verordnung über die Gründung der Sächsischen Landesbank und die Abwicklung der bisher bestehenden Banken und sonstigen Geldinstitute hieß es:
Alle Geldzeichen, die in den Jahren 1924–1942 in Umlauf gesetzt wurden, sowie die Rentenbankscheine in Abschnitten von 5, 2 und 1 RM, die Notgeldbanknoten der Sächsischen Staatsbank vom 26. April 1945 und die Geldzeichen der Alliierten Militärbehörde bleiben in vollem Umfange umlauffähig.
Und im Interview mit dem Präsidenten der Sächsischen Landesbank wird das nochmals ausdrücklich bestätigt:
[…] ebenso wie die Notgeldbanknoten der Sächsischen Staatsbank vom 26. April 1945 […] im vollem Umfange ihre Gültigkeit behalten. ... [1]
Einer Pressenotiz von 1946 konnte man unter der Überschrift »Notgeldscheine über 20 RM bleiben Zahlungsmittel« entnehmen:
In letzter Zeit mehren sich die Fälle, daß die Notgeldscheine zu 20 RM, ausgegeben auf Grund der Verordnung des Reichsstatthalters in Sachsen, Landesregierung Sachsen, vom 26. April 1945, Sächsische Staatsbank, von Geschäftsleuten und Dienststellen als Zahlungsmittel zurückgewiesen werden. Wie das Landesnachrichtenamt auf Grund einer Rückfrage beim Ressort Finanzen und Steuern der Landesverwaltung Sachsen hierzu erfährt, sind die Notgeldscheine der Sächsischen Staatsbank durch Verordnung vom 14. August 1945 als gesetzliche Zahlungsmittel erklärt worden. Eine Annahmeverweigerung ist daher nicht zulässig.[2]
Über die sächsischen Notgeldbanknoten sind noch nicht alle Fragen beantwortet; viele werden wohl offen bleiben. So konnte der Name des Grafikers nicht ermittelt werden. Auffallend ist jedoch, dass die 20-RM-Notgeldscheine nicht nur im Format, in der Farbgebung und dem selben Wasserzeichen den entsprechenden Reichsbanknoten von 1929 (vereinfachter Kriegsdruck von 1945) sehr ähneln.
Der 20-RM-Reichsbanknote ist die Gestaltung des 20-RM-Notgeldscheins nachempfunden
Bis 1975 waren die beiden anderen Notgeldbanknoten zu 5 (mit KN) und 50 Reichsmark (ohne KN) unbekannt; und erst seit 1987 wissen wir vom bisher einzigen 50-RM-Schein, der eine Kontrollnummer (s. o.) zeigt. Und in den letzten Monaten kam ein Makulatur-Schein auf den Markt, der sichtlich aus einem Bogen herausgeschnitten wurde. Die Herkunft ist fraglich. In der Aufstellung vom 5. Juli 1945 werden zumindest Ausschussbogen sowie ein- und zweiseitig gedruckten, aber nicht nummerierte Bogen genannt.
20 RM 26. April 1945, Vs., Makulatur-Schein, ohne Kontrollnummer, Herausschnitt
Für den gesamten Druck, einschließlich Plattenherstellung und Nummerieren, entstanden der Sächsischen Staatsbank bis zum Juli 1945 Kosten in Höhe von 5.975,00 Reichsmark. Das war ein vergleichsweise günstiger Preis: etwa 40,87 Reichsmark für je 1000 zweifarbig gedruckter Bogen – ohne Nummerierung.
Rechnung vom 5. Juli 1945 mit 3 Anlagen
Eine Rechnung der Königsteiner Papierfabrik für das Banknotenpapier konnte nicht gefunden werden. Über den Verbleib der unbedruckten Bogen (78.973 Bogen für die 5-RM-Scheine, 27.205 Bogen für die 20-RM-Scheine sowie 42.243 Bogen für die 50-RM-Scheine) ist nichts bekannt; die Druckerei fragte am 8. August 1945 beim Bankpräsidenten Chr. Zirkel an, was mit dem Papier passieren sollte: „[…] Wir wären Ihnen sehr dankbar, wenn wir recht bald von Ihnen hören würden, was mit den bei uns liegenden Banknoten und dem unbedruckten Papier geschehen soll.“
Möglicherweise wurde das Papier „zweckentfremdet“ weiterverwendet – zum Beispiel für fehlendes Verpackungsmaterial im Groß- und Einzelhandel, wie die seit langem bekannte Papiertüte aus 5-RM-Wasserzeichenpapier.
5-RM-Wasserzeichenpapier, als Papiertüte weiter verwendet
Michael H. Schöne
Quellen
Sächsisches Staatsarchiv Dresden, Bestand 11814, Akten 194, 514 und 515
[1] „Sächsische Volkszeitung“ Nr. 20 vom 24. August 1945
[2] „Sächsische Volkszeitung“ Nr. 38 vom 15. Februar 1946
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