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AutorenbildUwe Bronnert

Der Besitz dieser Banknote konnte den Tod bedeuten

Aktualisiert: 15. Sept. 2022

Anmerkungen zu einer französischen Propaganda-Collage


Nach den Kriegserklärungen von Frankreich und Großbritannien an Deutschland vom 3. September 1939 herrschte an der deutsch-französischen Grenze eine fast ununterbrochene Waffenruhe. Diesen monatelangen „Sitzkrieg“ beendete die Wehrmacht am 10. Mai 1940 mit einer für Frankreich überraschenden Offensive. In nur sechs Wochen überrannte die Wehrmacht die gut gerüstete französische Armee. Den Franzosen bot sich im Juni 1940 das Bild eines Landes am Abgrund: Die totale Auflösung der staatlichen Ordnung verursachte die größte Flüchtlingswelle, die das Land je gesehen hatte, 60.000 Gefallene waren zu beklagen und 1,8 Millionen Soldaten gingen in deutsche Kriegsgefangenschaft, aus der die meisten erst 1945 heimkehren sollten.


Rettung in dieser trostlosen Lage versprach ein Mann, der sich schon im Ersten Weltkrieg um das Vaterland verdient gemacht hatte: der Held von Verdun, Marschall Philippe Pétain. Der beendete am 22. Juni mit der Annahme der deutschen Waffenstillstandsbedingungen einen Krieg. Die französischen Unterhändler erreichten gewisse Zugeständnisse. So blieb der Süden Frankreichs, etwa 40 % Landes, als „zone libre“ unbesetzt. Frankreich durfte eine 100.000 Mann starke Freiwilligen-Armee, eine kleine Luftwaffe und einen bedeutenden Teil der Kriegsmarine unterhalten und behielt seine Kolonien, zumindest bis die meisten von der France Libre erobert wurden. Der größte Teil des Staatsgebietes wurde von deutschen Truppen besetzt und unterstand General Otto von Stülpnagel, dem Chef der Militärverwaltung in Paris. Es umfasste das Industriegebiet Nord- und Westfrankreichs sowie die gesamte Kanal- und Atlantikküste bis zur spanischen Grenze, während die Départments Nord und Pas-de-Calais unter dem deutschen Militärbefehlshaber, General Alexander von Falkenhausen, in Brüssel unterstellt waren. Das Territorium des ehemaligen Reichslandes Elsaß-Lothringen wurden als CdZ-Gebiete dem Reich eingegliedert.


Berittene deutsche Wehrmachts-Einheit vor dem Eiffelturm in Paris. Abb. Foto der Privat-Sammlung »Der Zweite Weltkrieg in Bildern«, DVD 2017, mit freundlicher Genehmigung von Reinhard Selzle, München.


Die Niederlage bot Pétain und seinen Anhängern die Möglichkeit die parlamentarische Republik zu beseitigen und ein autoritäres Regime zu etablieren. Am 10 Juli 1940 trat die Nationalversammlung im unbesetzten Kurort Vichy zusammen, verlieh dem Marschall die volle exekutive und legislative Macht und setzte damit de facto die Verfassung außer Kraft. Das Regime in Vichy ähnelte in Vielem dem der faschistischen Diktaturen in Deutschland und Italien: strenge hierarchische Gliederung der Gesellschaft, Presse-Zensur, massive Unterdrückung der Opposition, „Führerkult“ und extreme Feindlichkeit. Auch ohne deutschen Druck wurden Juden von allen öffentlichen Ämtern und zahlreichen freien Berufen ausgeschlossen und ab Sommer 1942 begann ihre systematische Deportation in die deutschen Vernichtungslager.


Bereits am 17. Juni 1940, Pétain hatte gerade um Waffenstillstand nachgesucht, meldete sich aus London über BBC der unbekannte Brigadegeneral Charles de Gaulle und forderte die französische Bevölkerung zur Fortsetzung des Krieges auf. Allerdings war von einem aktiven Widerstand zunächst nur wenig zu spüren. Die Anfänge der Résistance gehen auf das individuelle Engagement einiger Weniger zurück und beschränkten sich auf die Verbreitung von Flugblättern und improvisierter Untergrundzeitungen. Nach der widerstandslosen Besetzung Vichy-Frankreichs durch die Wehrmacht im November 1942 und 1943 die Dienstverpflichtung der Bürger in der deutschen Rüstungsindustrie oder Landwirtschaft zu arbeiten, schwand die anfängliche Unterstützung des Vichy-Regimes.


Bis 1943 bildeten sich in Frankreich zahlreiche Widerstandsgruppen, die aber kaum Kontakt untereinander oder zu de Gaulles Exilregierung in London hatten. Im besetzten Norden operierte die Libération Nord und im Süden ihr Pendant, die Libération Sud. Die Franc-tireur, die bereits 1871 Widerstand gegen die preußischen Truppen geleistet hatten, wurden von Jean-Pierre Levy neu gegründet und zur Anlaufstelle von Sozialisten. Die Kommunisten sammelten sich in der Gruppe Front National um Pierre Villon und in den Städten leistete Henri Frenays Gruppe Combat Widerstand.


Abb. 1: Banque de France, 20 Francs vom 24.09.1942, Vorderseite.


Der deutschen Wehrmacht, den Alliierten und der Résistance war die psychologische Kriegsführung nicht unbekannt, so suchte man auch die französische Bevölkerung mit unzähligen Flugblättern – einige als Banknoten getarnt – zu beeinflussen. Besonders hervorzuheben ist hierbei eine 20-Francs-Note der Banque de France, die wahrscheinlich von einzelnen französischen Bürgern aus Protest gegen die Besatzung ihres Landes verfremdet wurde. Der Schein wurde zwischen dem 12. Februar 1942 und 9. Februar 1950 gedruckt und ab 1. Dezember 1942 ausgegeben.[1] Er stammt aus einer Zeit, in der vom Vichy-Regime der Wahlspruch „TRAVAIL, FAMILLE, PATRIE“ (Arbeit, Familie, Vaterland) postuliert wurde. Lucien Jonas hat ihn sehr realistisch umgesetzt. Die Vorderseite des Scheins bildet einen bretonischen Fischer beim Einholen seines Netzes ab; im Hintergrund die Hafeneinfahrt von Concareau. Die glückliche Mutter mit ihren beiden Kindern beherrscht den linken Teil der Rückseite des Scheins. Unter dem Bild der Strafsatz „LE CONTREFACTEUR SERA PUNI DES TRAVAUX FORCES A PERPETUITE“ (Der Fälscher wird mit lebenslanger Zwangsarbeit bestraft). Ab 15. November 1950 wurden die Scheine schrittweise aus dem Verkehr gezogen und durch eine 20-Francs-Münze aus Aluminiumbronze ersetzt.


Abb. 2: Banque de France, 20 Francs vom 28.01.1943, Collage mit dem Hitlerkopf, Vorderseite.

Abb. 3: Banque de France, 20 Francs vom 28.01.1943, unveränderte Rückseite.


Dieser Schein wurde geschickt umgestaltet, indem das Porträt Hitlers aus einer Briefmarke der Reichspost ausgeschnitten und so auf die Banknote geklebt wurde, als würde das Seil in den Händen des Fischers den Führer strangulieren. Sicherlich sollte damit symbolisiert werden, dass Frankreich das Deutsche Reich (in absehbarer Zeit) "erwürgen" würde.

Der Hitler-Kopf auf den Banknoten kommt in verschiedenen Farben vor, da zu dieser Collage alle Briefmarken der Hitler-Serie verwendet worden sein können. Die Serie wurde ab 1941 im Postverkehr benutzt.[2]


Obwohl es kindisch erscheint, drohte Jedem, der mit einer solchen Banknote aufgegriffen wurde eine harte Bestrafung bis hin zum Todesurteil. Dennoch hat den hier abgebildeten Schein ein deutscher Soldat aus Frankreich als Souvenir mitgebracht.


Da die 20-Francs-Banknoten wie auch die Briefmarken der Hitler-Serie auch heute noch leicht zu beschaffen sind und in jedem Haushalt eine Schere vorhanden ist, ist die Authentizität der Collagen kaum nachweisbar, es sei denn, es gelingt ein lückenloser Nachweis der Vorbesitzer.


Bleibt noch anzumerken, dass sich nach der Invasion der Alliierten in der Normandie am 6. Juni 1944 die deutschen Truppen aus Frankreich zurückziehen mussten. Nach dem Krieg wurde rasch an einer Legende um den Freiheitskampf der Résistance gestrickt, hatte die blitzartige Niederlage gegen die Wehrmacht im Frühjahr 1940 doch stark am Selbstvertrauen der Grande Nation gerüttelt. Und auch die Kollaboration des Vichy-Regimes gehört nicht gerade zu den Sternstunden der französischen Geschichte.


Uwe Bronnert

Anmerkungen: [1] Claude Fayette, Les Billets de la Banque de France et du Trésor 1800 – 2002, 6 ème édition, Nice 2004, S. 218 f.

[2] Michel Briefmarken-Katalog Deutschland 1984, München, S. 90, Katalog-Nummern 781 – 798.

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