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AutorenbildUwe Bronnert

Der "Sternberger Hostienfrevel" von 1492

Der Sternberger Hostienschändungs-Prozess von 1492 im Spiegel der Serienscheine der Stadt von 1922


Die Stadt Sternberg liegt innerhalb des Städtedreiecks Schwerin – Wismar – Güstrow inmitten grüner Auen und blauer Seen, saftiger Wiesen und wogender Kornfelder im Naturpark Sternberger Seenland. Das kleine Städtchen, das heute 4.000 Einwohner hat, war bis zur Revolution 1918 Sitz des mecklenburgischen Landtags. Darüber hinaus war sie im ausgehenden Mittelalter ein weit über die Grenzen Mecklenburgs bekannter Wallfahrtsort.

Original-Lithografie "Der Marktplatz in Sternberg" des Verlags der Tiedemann'schen Hof- und Steindruckerei zu Rostock aus dem Jahr 1845.


Der Ursprung der wundersamen Geschichte des heiligen Blutes von Sternberg wird auf eine Überlieferung zurückgeführt, in der der Priester Peter Däne – ein Vikar an dem Altare Aller Heiligen in Sternberg – ein armer Schlucker ist und in seiner Geldnot seinen eisernen Kochtopf dem Juden Eleasar verpfändet. Eleasar verspricht dem Priester die sofortige Rückgabe des Topfes sowie einen größeren Geldbetrag, falls er ihm geweihte Hostien verschaffen würde. Däne geht in seiner Not auf diesen schlimmen Handel ein und übergibt am 10. Juli 1492 zwei Hostien, die er in ein seidenes Altartuch gewickelt hatte. Zwei weitere Hostien kommen aus Penzlin hinzu. Am Morgen des 20. Juli, dem Hochzeitstag der Tochter des Eleasar, versammelten sich fünf Männer in einer Gartenlaube des Hauses und begannen die Sternberger Hostien mit Nadeln zu bearbeiten. Nach christlichem Verständnis ein Sakrileg.


Die Geschichte greift hierbei eine Stereotype auf. Die Legenden eines im Judentum angelegten, zwanghaften und antichristlichen jüdischen Hostienfrevels standen wie die zuvor aufgekommenen Ritualmord-Legenden im Zusammenhang mit dem antijudaistischen Vorwurf des Gottesmordes, der sich seit dem 2. Jahrhundert im Christentum verbreitet hatte.

Bei der Transsubstantiation wandeln sich bei der Heiligen Messe die eucharistischen Gestalten von Brot und Wein in den Leib und das Blut Jesu Christi. In der Bibel heißt es „Nehmt, dies ist mein Leib.“ und „Wer von mir isst, wird Leben“. Die Schändung oder das Wegwerfen einer Hostie gilt nach kirchlichem Recht als schwere Verfehlung.


Am Hochzeitsabend kam es zu einer weiteren Schändung. Als man die zwei anderen Hostien mit Messern bearbeitete, welch ein Wunder, floss ein Strom Blut aus den Schnitten. Während dies die jüdischen Gemeinden des Landes mit Freude und Genugtuung aufnahmen, so die Überlieferung, wurde den Tätern angst und bange. Eleasar selbst flüchtete mit zwei Hostien, während seine Frau die beiden anderen Hostien dem Priester auf dem Hof der fürstlichen Residenz mit den Worten zurückgab: „Da hast du deinen Gott!“ Dem Priester war es jedoch unmöglich, die Hostien fortzuschaffen, sodass er sie an Ort und Stelle vergrub.


Von Gewissensbissen gequält, zeigte er die Tat an. Daraufhin wurden alle Mecklenburger

Juden verhaftet, verhört und sofern sie mit dem angeblichen Hostienfrevel in Verbindung gebracht werden konnten, nach peinlicher Befragung angeklagt. Auf Veranlassung weltlicher und geistlicher Würdenträger wurde ihnen am 24. Oktober 1492 nach kanonischem Recht der Prozess gemacht. 25 Juden und 2 Jüdinnen wurden wegen des Hostienfrevels vor den Toren der Stadt verbrannt, die übrigen 247 des Landes verwiesen, ihr Vermögen von den Mecklenburger Herzögen eingezogen und sämtliche Schulden bei Juden für ungültig erklärt. Der Hügel, auf dem der Scheiterhaufen stand, wird noch heute Judenberg genannt.

Peter Däne wurde nach Rostock gebracht, zum Feuertod verurteilt und endete dort am

13. März 1493 auf dem Scheiterhaufen.


Die angeblich geschändeten Sternberger Hostien mit dem „Heiligen Blut“ und die Tischplatte, auf welcher der Hostienfrevel begangen worden sein soll, bewahrte man in der dafür an die Sternberger Stadtkirche angebauten Kapelle des Heiligen Blutes als Objekte religiöser Verehrung auf. Jährlich besuchten tausende Pilger die Kapelle und brachten der Stadt die gewaltige Summe von 400 Gulden ein, bis die Reformation dem Treiben ein Ende machte.


Noch 1492 wurden Druckschriften über den angeblichen Sternberger Hostienfrevel in Magdeburg, Köln und Lübeck herausgegeben und der Nürnberger Hartmann Schedel nahm die Ereignisse sogar in seine weit verbreitete Weltchronik auf.


Abb. 1: Stadt Sternberg i./Mecklbg., 23. Januar 1922, 100 Pfennig, gemeinsame Vorderseite


Abb. 2: Stadt Sternberg i./Mecklbg., 23. Januar 1922, 100 Pfennig,

Rückseite 1: Priester Peter Däne verkauft den Juden geweihte Hostien 1492.


Abb. 3: Stadt Sternberg i./Mecklbg., 23. Januar 1922, 100 Pfennig,

Rückseite 2: Die Hostienschändung durch die Juden zu Sternberg 20 Juli 1492.


Abb. 4: Stadt Sternberg i./Mecklbg., 23. Januar 1922, 100 Pfennig,

Rückseite 3: Der Feuertod der Hostienfrevler zu Sternberg 24. Okt. 1492


Abb. 5: Stadt Sternberg i./Mecklbg., Verkaufsmappe


Das spätmittelalterliche Ereignis diente den Stadtvätern Sternbergs als Vorlage für drei dekorative Serienscheine zu je 100 Pfennig. Sie tragen das Ausgabedatum vom 23. Februar 1922 und sind 105 mm x 80 mm groß. Den Druck auf gelbbraunem Papier ohne Wasserzeichen in schwarzer Farbe besorgte die Firma „Gebrüder Jänecke Druck- und Verlagshaus Hannover“. Nur einige wenige Partien wurden in Rot ausgeführt.


Die Darstellung der Vorderseite ist einheitlich gestaltet und zeigt die Stadtansicht im Jahr 1922 mit der altersgrauen Kirche, flankiert von der Jahreszahl „14 – 92“. Die Rückseiten-Darstellungen thematisieren die Geschichte: „1. Priester Peter Däne verkauft den Juden geweihte Hostien 1492“, „2. Die Hostienschändung durch die Juden zu Sternberg 20. Juli 1492“, „3. Der Feuertod der Hostienfrevler zu Sternberg 24. Okt. 1492“. Illustriert werden sie durch entsprechende Holzschnitte des Jos. Dominicus aus Paderborn. Die Scheine wurden in einer Schutzhülle aus Papier verkauft, in deren Innerem die Geschichte erzählt wird.


Uwe Bronnert


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