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AutorenbildHans-Ludwig Grabowski

Deutsche Notgeld-Epochen im Überblick

Aktualisiert: 25. März 2021


Kreissparkasse von Preußisch Holland in Ostpreußen: Notausgabe über 1 Mark vom 1. August 1914.

1914er Notgeld

Zu Beginn des Ersten Weltkriegs kam es zu ersten Notgeldausgaben in Deutschland, da kurzzeitiger Mangel an Kleingeld herrschte, der aber schnell behoben werden konnte. Wir sprechen bei diesen Emissionen vom sog. 1914er Notgeld, das damals von Dr. Arnold Keller katalogisiert wurde und das aktuell im Katalog Deutsches Notgeld, Band 11: Das deutsche Notgeld von 1914/1915 aufgeführt wird. Viele dieser frühen Notgeldscheine waren sehr einfach gestaltet oder gar handgeschrieben und gestempelt.

Ausgegeben wurden sie hauptsächlich in den bedrohten deutschen Grenzgebieten sowie im Ruhrgebiet und im Industrierevier um Bremen.


Städt Cöln (Köln), Gutschein über 10 Pfennig vom 1.6.1918 mit Unterschrift des Oberbürgermeisters Adenauer.

Kleingeldscheine, Verkehrsausgaben

Nach einer vorübergehend stabilen Geldwirtschaft kam es dann ca. ab 1916 wieder zu ernsthaftem Kleingeldmangel, was erneut zu Notausgaben in großem Umfang von Städten und Privatfirmen führte.

Von sog. Kleingeldscheinen – Verkehrs- oder Bedarfsausgaben spricht man, wenn man Notgeldscheine in Pfennig-Beträgen meint, welche tatsächlich auch als Notgeld umliefen. Die amtlichen und halbamtlichen Ausgaben sind in den Bänden Deutsches Notgeld, Band 5+6: Deutsche Kleingeldscheine: Amtliche Verkehrsausgaben 1916–1922 zusammengefasst.

Zu derartigen Ausgaben echter Kleingeld-Ersatzscheine kam es etwa bis zu Beginn des Jahres 1921. Mit diesen Kleingeldscheinen, welche von vielen Städten nun auch in grafisch ansprechenden Gestaltungen ausgegeben wurden, begann auch das Sammeln von Notgeldscheinen in Deutschland zu einem beliebten Hobby zu werden. Schon damals gab es etwa 15.000 Sammler, die die Stadtverwaltungen mit Anfragen nach deren Notgeld überhäuften. Wenn sich Sammler heute also wieder den Verkehrsausgaben der deutschen Städte und Gemeinden zuwenden, so ist dies gleichsam auch eine Rückkehr zu den Wurzeln des deutschen Geldscheinsammelns als Massenbewegung. Darüber hinaus gab es auch noch private Verkehrsausgaben.

Kleingeldscheine gibt es aus dem gesamten ehemaligen Reichsgebiet.


Serienschein (Abstimmungsschein) der Stadt Tingleff in Nordschleswig über 1 Mark vom 1. April 1920.

Serienscheine

Sieht man einmal von den privaten Ausgaben ab, so sind die meisten, der nicht als Verkehrsausgaben katalogisierten Kleingeldscheine sog. Serienscheine, die in den zwei Bänden Deutsches Notgeld, Band 1+2: Deutsche Serienscheine 1918 – 1922 zusammengefasst wurden.

Da das Interesse an den bunten Kleingeldscheinen bei den Sammlern sehr groß war, wurden verstärkt ab dem Frühjahr 1921 von vielen Städten bis hin zu Vereinen eine Vielzahl von Kleingeldscheinen in Auftrag gegeben, die allerdings nicht mehr für den Zahlungsverkehr, sondern ausschließlich für den Verkauf an Sammler bestimmt waren. Ausgehend von den meist in Serien angebotenen und überwiegend grafisch reizvoll gestalteten Scheinen spricht man denn auch von „Serienscheinen“ oder „Bildernotgeld“. Serienscheine sind also streng genommen gar kein Notgeld, auch wenn Notgeld drauf steht. Die Zuordnung der Kleingeldscheine zu Verkehrsausgaben oder Serienscheinen an der Bezeichung (Notgeld, Gutschein, Kleingeldersatz usw.) festmachen zu wollen, ist unmöglich. Die Wahl der Bezeichnungen erfolgte damals nach Gutdünken in den Amtsstuben der Städte und Gemeinden oder blieb gar dem Künstler überlassen, der die Scheine entwerfen sollte. Lediglich Bezeichnungen wie „Kriegsnotgeld“ lassen in den meisten Fällen den richtigen Schluss auf Verkehrsausgaben aus der Zeit des Ersten Weltkriegs zu. Aber auch hier bestätigen Ausnahmen die Regel. So datierten manche Orte auch ihre Serienscheinausgaben einfach zurück, um den Eindruck echten Notgelds zu erwecken und dadurch die Scheine besser an Sammler verkaufen zu können, während einige Ausgabestellen Bezeichnungen wie „Kriegsgeld“ auch noch nach Ende des Krieges weiter verwendeten. Andere Ortschaften gaben ihre Serienscheine erst in „Umlauf“, als die auf den Scheinen angegebene Einlösungsfrist bereits überschritten war um zu vermeiden, dass Ansprüche an die Stadt geltend gemacht werden konnten, wie z.B. bei allen Reutergeld-Ausgaben.

Die künstlerische und oft farbenprächtige Gestaltung der Serienscheine sollte hauptsächlich den Verkauf fördern, erzählt aber auch viel deutsche Regional-, Kultur- und Zeitgeschichte.

Das Hauptausgabe-Gebiet der Serienscheine lag in Norddeutschland, Thüringen, der preußischen Provinz Sachsen sowie in den sog. Abstimmungsgebieten in Ostpreußen, Oberschlesien und Nordschleswig.

Die heutige Zuordnung zu Verkehrs- bzw. Serienschein-Ausgaben geht im wesentlichen ebenfalls auf Dr. Arnold Keller zurück. Dennoch ist es wahrscheinlich, dass zumindest ein kleinerer Teil der Serienscheine auch tatsächlich im Umlauf war, besonders wenn diese immer wieder in gebrauchtem Zustand vorkommen, während sicher einige von Keller den Verkehrsausgaben zugerechneten Emissionen nie in den Umlauf gelangten und eher Serienscheine sind. Die beiden Bände zu den amtlichen Verkehrsausgaben zeigen eine gültige Abgrenzung zu den Serienscheinen auf und können viele diesbezügliche Fragen von Sammlern klären.


Stadtmagistrat Würzburg, Gutschein über 20 Mark vom 8. Oktober 1918.

Großnotgeld

Alle Scheine in Nennwerten von 1 bis 100 Mark werden Großnotgeldscheine genannt. Auch diese Bezeichnung geht auf Dr. Keller zurück und ist besser verständlich, wenn man bedenkt, dass die zu gleicher Zeit ausgegebenen Pfennig-Beträge von ihm Kleingeldscheine genannt wurden. Alle Großnotgeldscheine im damaligen Deutschen Reich inkl. der in der Hochinflation mit anderen Nennwerten überdruckten Scheine werden im aktuellen Katalog Deutsches Notgeld, Band 3: Das deutsche Großnotgeld 1821–1921 aufgeführt.


Kreisausschuss des Kreises Rendsburg, Gutschein über 10.000 Mark vom 25. Februar 1923.

Inflation 1922/1923 (Vorinflation)

Dem Großnotgeld schlossen sich die Ausgaben der Inflation an. Nennwerte über 100 Mark wurden ca. ab August 1922 als Notgeld von Städten und Firmen ausgegeben. Diesen Ausgaben sowie in der Hochinflation überdruckte Scheine sind im Katalog Deutsches Notgeld, Band 4: Die Notgeldscheine der deutschen Inflation aufgeführt. Der Katalog behandelt die Notausgaben bis zum Juni 1923.


Ruhr-Lippe-Bergbau-AG Bochum, 5 Millionen Mark vom 15. August 1923.

Hochinflation 1923

Ab dem Juli 1923 sprechen wir von der sog. Hochinflation, welche den größten Teil des deutschen Notgelds ausmacht. Erst jetzt kommen auch Scheine in Millionen-, Milliarden- und gar Billionen-Beträgen in den Umlauf. Hierzu gibt es leider noch kein aktuell überarbeitetes Katalogwerk, wenn man vom Notgeld der Bahn und Post absieht, für das der aktuelle Katalog Deutsches Notgeld, Band 13: Das Papiergeld der deutschen Eisenbahnen und der Reichspost verfügbar ist. Im Rahmen der Katalogreihe „Deutsches Notgeld“ wird jedoch mit den Bänden 7 und 8 ein Nachdruck des Standard- und Zitierwerks von Dr. Arnold Keller Das Notgeld der deutschen Inflation 1923 angeboten, das viele Jahre kaum zu beschaffen war und eine der wichtigsten Grundlagen für den Sammler deutschen Notgelds darstellt.


Handelskammer Ludwigshafen, Notgeldschein über 1 US-Dollar = 4,20 Goldmark vom 18. Dezember 1923.

Wertbeständiges Notgeld

Gegen Ende der Inflation gab es zahlreiche Bestrebungen, die Währung zu stabilisieren, was zu den Ausgaben des sog. Wertbeständigen Notgelds führte. Auch diese Bezeichung geht auf Keller zurück und ist verständlich, wenn man sich vor Augen hält, dass die „normalen Notgeldausgaben“ jener Zeit am Abend als Arbeitslohn gezahlt oft schon am nächsten Morgen wertloses Papier waren. Beim wertbeständigen Notgeld versuchte man, die Wertbeständigkeit durch die Deckung z.B. in Gold oder in landwirtschaftlichen Produkten (wie bei Roggengeld) oder durch Anbindung an den Dollar zu erreichen, was letztlich auch zum Erfolg mit der Einführung der Rentenmark in Deutschland führte. Hierzu empfehlen wir das aktuelle Katalogwerk:


Stadtsparkasse Bielefeld, Notgeld über 100 Mark vom 15. Juli 1921 aus Seide mit Goldborte.
Ledergeld (Schafsleder) der Stadt Pößneck über 5 Millionen Mark vom 11. August 1923, Vorderseite.
Ledergeld (Schafsleder) der Stadt Pößneck über 5 Millionen Mark vom 11. August 1923, Rückseite.

Notgeld der besonderen Art

Schließlich soll auch das sog. Notgeld besonderer Art nicht unerwähnt bleiben.

Hierbei handelt es sich um Notgeld, bei deren Herstellung besondere Materialien zum Einsatz kamen, z.B. Leinen, Seide oder Samt von Bielefeld sowie Leder und Schuhsohlen von Osterwieck und Pößneck und sogar Aluminiumfolien oder Holz.

Zu diesem Thema gibt es folgenden Katalog:


Landkreis Aalen, Notgeldschein über 10 RM vom 15. April 1945, Vorderseite.
Landkreis Aalen, Notgeldschein über 10 RM vom 15. April 1945, Rückseite.

Notgeld 1945 und zur Währungsreform 1948

Kriegsbedingt kam es im Frühjahr 1945 zur Zahlungsmittelknappheit. Die Reichsbank konnten nicht mehr alle Gebiete des Reichs mit Zahlungsmitteln versorgen und so kam es zu zahlreichen Notgausgaben von ganzen Regionen (z.B. Reichsgau Kärnten), von Kommunen, aber auch privaten Geschäftsleuten.

Zur Währungsreform 1948 herrschte vor allem Mangel an Kleingeld, weshalb viele Geschäftsleute eigene Kleingeld-Ersatzscheine als Wechselgeld nutzten.

Das Gebiet des Notgelds nach dem Zweiten Weltkrieg hat Michael H. Schöne katalogisiert.


Anmerkungen

Für einige Notgeldbereiche wie die Hochinflation bilden nach wie vor die nach dem Zweiten Weltkrieg in geringer Auflage entstandenen Kataloge von Dr. Arnold Keller die einzige Grundlage für den Sammler, sieht man einmal von den Regional-Katalogen ab, die in sich alle Notgeldausgaben eines begrenzten Gebiets vereinen, aber keineswegs flächendeckend für das ganze ehemalige Deutsche Reich vorliegen. Hier gibt es in der Tat viele „weiße Flecken“, manche Gebiete wie das Rheinland, Westfalen, Franken, Danzig etc. sind in der Vergangenheit umfassend neu bearbeitet worden, für andere Gebiete liegen nur Übersichtskataloge der Ausgaben vor, ohne auf Varianten einzugehen. Wieder andere Regionen sind aktuell überhaupt nicht in einem Regional-Katalog dokumentiert, was auch das teilweise geringe Interesse für Scheine dieser Gebiete mit verursacht. Wo Sammler auf Kataloge zugreifen können, wächst auch das Sammelinteresse.


Hans-Ludwig Grabowski

Abb. Battenberg Gietl Verlag, Bildarchiv

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