Im November 1918 überschlugen sich die Ereignisse. In Kiel verweigerten die Matrosen die Befolgung des sinnlosen Befehls zum Auslaufen der Flotte. Am 9. November rief Phillip Scheidemann die deutsche Republik aus, am 10. November floh der Kaiser aus dem Hauptquartier in Spa in die Niederlande, am 11. November unterzeichneten im Wald von Compiègne Abgesandte des Reichs den Waffenstillstandsvertrag. Er bestimmte u. a., dass Elsaß-Lothringen innerhalb von 15 Tagen vom deutschen Militär zu räumen war. Am 11. November rief Eugen Ricklin die unabhängige Republik Elsaß-Lothringen aus, die international jedoch keine Anerkennung fand, da die Kriegsziele der Alliierten den Anschluss des Gebiets an Frankreich vorsahen. Bereits am 17. November rückten französische Truppen in Mühlhausen, dann in Colmar und Metz und am 21. November in Straßburg ein. Das Reichsland beziehungsweise die Republik Elsaß-Lothringen wurde am 17. Oktober 1919 aufgelöst und fortan von einer Generaldirektion in Paris verwaltet.
In den letzten Kriegswochen vor Unterzeichnung des Waffenstillstandsvertrags gaben auf Bitten der Reichsbank Länder- und Provinzverwaltungen sowie kommunale Behörden und Unternehmen im gesamten Reich Notgeld über 5 Mark und darüber aus. Dies galt auch für Elsaß-Lothringen, wo die drei Bezirke erstmals notgeld-technisch aktiv wurden: Der Bezirk Unter-Elsaß (Straßburg) emittierte am 25. Oktober 1918, der Bezirk Ober-Elsaß (Colmar) am 30. Oktober 1918 und der Bezirk Lothringen (Metz) am
5. November 1918 jeweils Scheine zu 5, 50 und 100 Mark. Der National-Ausschuss von Elsaß-Lothringen in Straßburg folgte am 13. November 1918 noch mit Scheinen zu 5, 20, 50 und 100 Mark, die äußerst selten sind.
Schon wenige Tag nach der französischen Übernahme erlies der französische Ministerpräsident und Kriegsminister Clémenceau am 26. November 1918 ein Dekret, nachdem die deutschen Scheidemünzen, Banknoten, Kassenscheinen sowie alle sonstigen, von öffentlichen Kassen ausgegebenen Noten und Scheine, die auf Mark lauteten, ab 15. Dezember 1918 ihre gesetzliche Zahlungskraft verloren. In Geltung blieben bis zum 26. Juli 1920 nur die deutschen Nickelmünzen, und zwar war die 10-Pfennig-Münze bei Zahlungen mit 10 Centimes anzunehmen. Diese Regelung hatte zur Folge, dass die deutschen Nickelmünzen zu 5 und 10 Pfennig nach Elsaß-Lothringen abflossen und ein reger Schmuggel dieser Scheidemünzen einsetzte. Über Goldmünzen enthält das Dekret keine Reglung, sie waren eh nicht mehr im Umlauf.
Nach obiger Verordnung wurde allen Elsässern und Lothringern das im Umlauf befindliche deutsche Geld zum Kurs von 1,25 Fr. für die Mark umgetauscht. Dieser Kurs war auch bei dem damals noch günstigeren Stand der Mark (etwa 70 Centimes) höchst vorteilhaft. Die gleiche Regelung galt für Alliierte und Neutrale, die vor dem 1. August 1914 ihren Wohnsitz im Reichsland hatten. Als „elsass-lohringisch“ betrachtete man Personen, die vor dem 20. Mai 1871 geboren und die französische Staatsangehörigkeit infolge des Frankfurter Vertrags verloren hatten, sowie diejenigen nach dem 20. Mai 1871 geborenen, bei deren Eltern wenigstens für einen Teil diese Voraussetzung zutraf. Die anderen „deutschen“ Elsaß-Lothringer waren vom Umtausch ausgeschlossen und mussten in der Regel das Gebiet verlassen.
Der Bargeld-Umtausch wurde zum größten Teil in der Zeit vom 15. – 23. Dezember 1918 durchgeführt. Dabei wurden etwa eine Milliarde Mark in bar eingeliefert, die sich dann über zwei Jahre lang wohl bewacht, aber unverzinst in Straßburg befunden haben. Schwierigkeiten entstanden für die zahlreichen, nach der Anmeldezeit (1. – 6. Dezember 1918) aus der Gefangenschaft oder sonst wie aus Deutschland oder anderen Staaten zurückkehrenden Elsaß-Lothringer. Ihnen wurde der Umtausch ihres Bargelds in Aussicht gestellt; später jedoch in der Regel nur 2000 Mark in Franken umgewechselt.
Für die Banken und Kreditinstitute traf das Dekret in Artikel 8 besondere Bestimmungen. Sie waren verpflichtet, eine besondere Zwischenbilanz auf den 30. November 1918 aufzustellen. Sie wurden ferner verpflichtet, die Guthaben ihrer Kunden, einerlei ob sie fällig oder erst nach Kündigung zahlbar waren, zum Kurs von 1,25 Franken für die Mark zurückzuzahlen, soweit die betreffenden Kunden am 1. August 1914 schon in Elsaß-Lothringen gewohnt hatten. Anders als beim Bargeldumtausch galt dies auch für Franzosen aus dem bisherigen Frankreich. Deutsche blieben von der Umwandlung und Auszahlung ihrer Bankguthaben ausgeschlossen.
Die Vorschriften des Dekrets blieben so lange leere Worte, „als den Banken, die an sich ja nur im Besitz sehr bescheidener Frankenbeträge sein konnten, nicht die Mittel geliefert wurden, aus denen sie die Auszahlungen der Guthaben in Franken vornehmen konnten; und der Besitz an Mark, den die Banken hatten, wurde mit der fortschreitenden Entwertung der deutschen Währung immer weniger geeignet als Grundlage für von den Banken selbst im Inneren Frankreichs aufzunehmenden Vorschüsse in Franken zu dienen. Dazu kam, daß die Banken während des Krieges immer mehr ihre Mittel in deutschen Werten, vorzüglich auch in Kriegsanleihen angelegt hatten, und daß diese Werte für die Beschaffung von französischen Krediten nicht in Betracht kamen, im übrigen sich auch vielfach außerhalb des französischen Machtbereichs befanden.“[1] Die französische Regierung sah sich 1919 schließlich gezwungen den Banken bis zu 60% der umzutauschenden Guthaben zinslos vorzustrecken.
Wie im übrigen Frankreich, so herrschte auch in Elsaß-Lothringen ein Mangel an Münzgeld, dem einzelne Kommunen und auch Unternehmen durch Ausgabe von Notgeld begegneten.[2] So sind u. a. Scheine der Stadt Colmar zu 50 Centimes und ein Franc mit der Abbildung des Kléber[3]-Denkmals und dem Datum 15. Dezember 1918 bekannt.
Die Stadt Kaysersberg gab unter dem Datum vom 5. Januar 1919 einseitig bedruckte Scheine zu 50 Centimes und ein Franc auf farbigen Kartonpapier aus.
Die Scheine zu 50 Centimes, einem Franc und zwei Francs mit dem Datum 27. Dezember 1918 der Stadt Metz zeigen auf der Rückseite das Denkmal eines stehenden Soldaten, der ein Gewehr in den Händen hält.
Die Stadt Mühlhausen ließ Scheine zu 50 Centimes und ein Franc mit 18. Dezember 1918 drucken.
Das Notgeld zu 50 Centimes und ein Franc der Stadt Straßburg trägt das Datum des Waffenstillstands, den 11. November 1918. Die Rückseite soll wohl eine Szene darstellen, in der die Mutter Frankreich ihre verlorenen Kinder empfängt.
Eine Besonderheit stellt das Notgeld zu 50 Centimes und ein Franc der Handelskammer Belfort vom 4. November und 21. Dezember 1918 dar. Beide Ausgaben erhielten durch den Aufdruck „Circulation Légale dans toute l’Alsace-Lorraine“ Umlauffähigkeit im gesamten Gebiet von Elsaß-Lothringen.
Bleibt noch anzumerken, dass die Stadt Thann achteckige Aluminiummünzen zu 10 Centimes mit der Jahreszahl 1918 prägen ließ.
Text und Abb. Uwe Bronnert
Anmerkungen:
[1] Dr. Bruno Weil, Die Einführung der französischen Währung in Elsaß-Lothringen, Monographien zum Friedensvertrag, hrsg. V. Dr. Bruno Weil, Berlin 1921, S. 9 f.
[2] S. Jean Pirot, Les Billets de Nécessité des Communes et des Villes 1914-1918, Eigenverlag, Argenteuil 2006 und Les Billets des Chambres de Commerce 1914-1925, Eigenverlag, Argenteuil 2002.
[3] Jean-Baptiste Kléber (* 9. März 1753 in Straßburg; † 14. Juni 1800 in Kairo) war ein General der französischen Revolutionsarmeen. Er diente bei der Niederschlagung des Aufstands der Vendée, im ersten Koalitionskrieg gegen Österreich und Preußen und der Expedition Bonapartes nach Ägypten und Syrien.
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