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AutorenbildUwe Bronnert

Die fünfte Jahreszeit – Bonner Serienscheine mit Bezug zum rheinischen Karneval

Es wird marschiert, gesungen, getanzt und geschunkelt. Die Narren stürmen die Rathäuser und Karnevalsprinzen übernehmen die Macht, von Weiberfastnacht bis zum Aschermittwoch. Nach einer zweijährigen Corona-Pause sind seit dem 11.11. 11:11 Uhr wieder die Jecken in Stadt und Land unterwegs.


Je nach Region in Deutschland verwendet man unterschiedliche Begriffe für die fünfte Jahreszeit. Doch welchen Ursprung haben Karneval, Fastnacht, Fassenacht, Fasnacht, Fasnet, Fasching, Fastabend, Fastelovend oder Fasteleer? Karneval war ursprünglich wohl ein heidnisches Fest, das nach dem Winter den Übergang zum Frühling markierte. Das Tragen von Kostümen und Masken sollte die bösen Wintergeister verjagen. Nach einer anderen Meinung leite sich der Ursprung aus einem Fest zu Ehren des Gottes Dionysos (später Bachus) ab. Im antiken Griechenland feierte man Ende Februar ein dreitägiges Fest zu Ehren des Gottes des Weines, der Landwirtschaft, der Fruchtbarkeit, des Spaßes und des Tanzes.


Die Christen adaptierten so manchen heidnischen Brauch und gaben ihm eine neue Bedeutung. Vom 12. bis zum Ende des 16. Jahrhunderts wurden in Klöstern sog. Narrenfeste gefeiert. Niedere Kleriker übernahmen vorübergehend die Privilegien der höheren Geistlichkeit. Kirchliche Rituale wurden in Narren- und Eselsmessen parodiert. Allmählich verlagerte sich das Geschehen aus den Kirchen in die Städte. Die Bürger nahmen an den Festen mit Prozessionen, Musik und Spottgedichten teil.


Belustigungen, Tanz, Ess- und Trinkgelage waren am Aschermittwoch vorbei. Nun begann „die sechswöchige Fastenzeit, und vorbei war es mit dem Genuss von Wein und Fleisch und allen aus Tieren gewonnenen Lebensmitteln. Vorbei war es auch mit anderen weltlichen Freuden: Zu den Fastengeboten gehörten auch die sexuelle Enthaltsamkeit und der Verzicht aufs Tanzen und Singen.“[1]


Der Narr ist Jemand, der Gottes Schöpfungswerke nicht anerkennt. Die Masken stehen für Laster wie Hochmut oder Geiz und der Mummenschanz diente dazu, auf die Zeit der Buße und der vierzigtägigen Fastenzeit vor Ostern einzustimmen. „Mit Fasching oder Karneval wird der Fastenzeit eine Art Anti-Schöpfung vorangestellt, um die Ablehnung eines gottlosen, erdverbundenen Lebens zu begründen. Der gewöhnliche Mensch konnte ein paar Tage lang erleben, was es bedeutet, wenn an Gottes Stelle der Teufel und der Mensch selbst regieren. Das Fest sollte also eine erzieherische Funktion auf die Gläubigen ausüben.“[2]


Wie die Bezeichnung so sind auch die Bräuche des Karnevals in den einzelnen Regionen unterschiedlich. Während meist ein Prinzenpaar über das närrische Volk regiert, ist es in Köln das Dreigestirn, bestehend aus dem Prinzen, dem Bauer und der Jungfrau. Im rheinischen Karneval sind die Garden als Begleiter des Prinzenpaars/Dreigestirns ein unverzichtbarer Bestandteil.


Die Karnevalsgarden entstanden mit dem Wiederaufleben des Straßenkarnevals in den 1820er und 1830er Jahren als Persiflage auf das Militär. Die erste derartige Garde waren die Kölner "Rote Funken". Uniformen und Organisation der Garden orientieren sich noch heute an historischen Vorbildern, in der Regel des 17. Und 18. Jahrhunderts.


Während des Ersten Weltkriegs wurde das Sammeln von Notgeldscheinen in Deutschland populär. Dieser Trend setzte sich Anfang der 1920er Jahre fort, nur war nun für die Ausgabe häufig nicht mehr der Zahlungsmittelmangel verantwortlich, sondern Stadtkämmerer erkannten, dass sich mit bunten Scheinchen vortreffliche Geschäfte machen ließen.

„Das aus der Not geborene Geld entartete zum bunten Sammelobjekt. Geld wurde selbst zur Handelsware.“[3] Auch einzelne Personen und Institutionen, die niemals eine Begründung für derartige Ausgaben gehabt hatten, beteiligten sich daran: Kirchengemeinden, Stiftungen, Hilfskomitees, Denkmalsausschüsse, Turn- und Sportvereine, Freiwillige Feuerwehren, Ausstellungen usw. Manche von ihnen schlossen die Einlösungspflicht bewusst von vornherein aus. Es ist erstaunlich, wie es scheint beteiligte sich nur ein Karnevalsverein an der Ausgabe von Serienscheinen: das "Bonner Stadt-Soldaten-Corps".


Abb. 1: Bonner Stadt-Soldaten-Corps, 1. Juli 1922. Gemeinsame Vorderseite der Scheine zu 50 Pfennig.


Abb. 2: Bonner Stadt-Soldaten-Corps, 1. Juli 1922. Rückseite, Marketenderin.


Abb. 3: Bonner Stadt-Soldaten-Corps, 1. Juli 1922. Rückseite, Rosenmontagsparade.


Abb. 4: Bonner Stadt-Soldaten-Corps, 1. Juli 1922. Aschermittwoch.



Abb. 5: Bonner Stadt-Soldaten-Corps, 1. Juli 1922. „Dagenvesen“.


Abb. 6.1: Bonner Stadt-Soldaten-Corps, 1. Juli 1922. Vorderseite des Scheins zu einer Mark.


Abb. 6.2: Bonner Stadt-Soldaten-Corps, 1. Juli 1922. Rückseite, ein Arrestant.


Abb. 7.1: Bonner Stadt-Soldaten-Corps, 1. Juli 1922. Vorderseite des Scheins zu zwei Mark.


Abb. 7:2: Bonner Stadt-Soldaten-Corps, 1. Juli 1922. Rückseite, ein Drückeberger.


Der am 23. Februar 1872 gegründete Verein emittierte unter dem Datum vom 1. Juli 1922

eine Serie von sechs Scheinen. Die einheitliche Vorderseite der vier 50-Pfennig-Scheine wurde vom Bonner Kunstmaler Carl Nonn [* 29. April 1876 in Bonn; † 25. Juni 1949 ebenda] entworfen. Auch die Vorderseite der Scheine zu einer und zwei Mark sind einheitlich gestaltet. Sie sind mit EM signiert. Nach dem Text der Ausgabe handelt es sich bei den Scheinen um Schecks, die bis zum 31. Juli 1922 bei der Rhenania-Annoncen-Expedition Johannes Tinner, Bonn, einlösbar waren. Wahrscheinlich wurden sie jedoch erst nach diesem Termin an Sammler und Interessenten abgegeben, denn sie enthalten auch den Vermerk „Dieser Scheck ist nur zu Sammelzwecken bestimmt“. Während die 50-Pfennig-Scheine die faksimilierte Unterschrift des Kommandanten des Bonner Stadt-Soldaten-Corps Jean Riek tragen, wird er bei den Markwerten nur genannt.


Die Rückseiten wurde vom Genre- und Porträtmaler und Grafiker Emil Krupa-Krupinski [* 10. März 1872 in Barmen (heute Stadtteil von Wuppertal); † 28. Mai 1924 in Bonn] entworfen. Die Bilder greifen humoristisch-karnevalistische Motive auf, z. B. zum Spottgedicht

„Die Marketenderin“, zu Karnevalsverweigerern, Rosenmontagsparade und Aschermittwoch.


Gedruckt wurden die Scheine auf wasserzeichenlosem Papier bei der Rhenania-Druckerei, Bonn.


Nach diesem Abstecher in die Geschichte des Karnevals, genießen Sie das tolle Treiben.

In diesem Sinne „Alaaf, Helau …“


Ergänzung

Die drei 50-Pfennig-Scheine der Stadt Köln vom 12. Januar 1922, zeigen drei Episoden aus dem Leben der „kölnischen Funken“. Josef Stolzen meinte bei seinen „Rotröcken“ jedoch nicht die Karnevalsgarde der "Roten Funken", sondern die historischen Stadtsoldaten der Stadt Köln. Dies wird klar, wenn man sich die Abbildungen genauer ansieht.


Abb. 8: Köln, Stadt, 12. Januar 1922, 50 Pfennig, Vorderseite.


Abb. 9: Köln, Stadt, 12. Januar 1922, 50 Pfennig, Rückseite.


Abb. 10: Köln, Stadt, 12. Januar 1922, 50 Pfennig, Rückseite.


Abb. 11: Köln, Stadt, 12. Januar 1922, 50 Pfennig, Rückseite.


Uwe Bronnert


[3] Hans Joachim und Jutta Kürtz, Für Gold und Silber nimm den Schein …, Aus einem Kapitel norddeutscher Geldgeschichte, Lübeck 1981, S.11.

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