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AutorenbildHans-Georg Glasemann

Die Glogauer Holzwert-Anleihe von 1923

Aktualisiert: 26. März 2021

Als in der Hyperinflation des Jahres 1923 die deutsche Markwährung zusammenbrach, mussten viele Kommunen nach kreativen Lösungen zur Finanzierung ihrer Infrastrukturmaßnahmen sowie zur Schaffung von wertbeständigem Notgeld suchen. Eine aus der Not geborene Finanzinnovation waren zu dieser Zeit „wertbeständige Anleihen“, die auf der Basis von Gold, Dollar, Roggen, Weizen, Kohle, Holz, etc. zunehmend bis Ende 1923 – verbrieft in Form von Schuldverschreibungen und/oder Anteilscheinen – in den Umlauf kamen. Börsennotierte, wertbeständige Holzwertanleihen wurden 1923 nur von wenigen, waldreichen Städten begeben: Baden-Baden, Heidelberg, Löwenberg in Schlesien, Offenbach am Main, Sagan … und – wie hier berichtet – von der Stadt Glogau in Schlesien.


Im August 1923 beschloss der Magistrat der niederschlesischen Stadt Glogau (heute: Głogów in Polen) eine mit Mantel und Zinsbogen ausgestattete, wertbeständige 5%ige börsenfähige Holzwertanleihe zu folgenden Konditionen zu begeben:


5% Glogauer Holzwertanleihe vom August 1923


  • Anleihebetrag: 20.000 Festmeter (fm) Rundholz Klasse 1-4

  • Wertpapierart: Schuldverschreibungen

  • Stückelung: Litera A (1-1000) 10 fm, Litera B (1-1000) 5 fm, Litera C (1-4500) 1 fm und Litera D (1-1000) ½ fm, insgesamt 7.500 Schuldverschreibungen

  • Zinsfuß: 5%

  • Zinstermin: 1.4. und 1.10 (1. Zinsschein per 1.4.1924)

  • Zinszahlung: nach dem Durchschnittspreis für Rundholz Klassen 27-29 und 1-5 in den Stadtforsten des Regierungsbezirks Liegnitz in dem, dem Zinstermin vorangehenden Vierteljahr, zu sieben Terminen zwischen 1.10.1926 bis 1.10.1929 (umgerechnet 1 Festmeter in Reichswährung)

  • Tilgung: ab 1.10.1924 mit jährlich 5% durch jährliche Auslosung, spätestens 1938. Verstärkte Tilgung oder Gesamtkündigung vorbehalten.

  • Zahlstellen: Schlesische Landschaftliche Bank in Breslau und die Stadtbank Glogau

  • Börsenzulassung: Breslau

  • Emissionskurs am 3.8.1923: 3,5 Millionen Papiermark

  • Erster Börsenkurs am 7.11.1923: 4,5 Billionen Papiermark

Interims-Anteilscheine


Zweck der börsennotierten Holzwertanleihe war die Absicherung und die vorübergehende Ausgabe von wertbeständigem Notgeld in Form sog. Interims-Anteilscheine. Die Ausgabe der „einstweiligen“ Anteilscheine erfolgte am 1. November 1923 in den folgenden sechs Nominalwerten:


  • 1 Goldpfennig = 1/4000 Festmeter

  • 5 Goldpfennige = 1/800 Festmeter

  • 10 Goldpfennige = 1/400 Festmeter

  • 50 Goldpfennige = 1/80 Festmeter

  • 1 Goldmark = 1/40 Festmeter

  • 5 Goldmark = 1/8 Festmeter

Man ging bei den Nominalwerten der Interims-Anteilscheine bis auf 1/4000 Festmeter herunter. Die ausgegebenen Scheine waren im Buchdruck hergestellte, nicht durchnummerierte Inhaberscheine und dienten als wertbeständiges Notgeld insbesondere bei den täglichen Einkäufen, ohne die Notwendigkeit, sie mit Unmengen von täglich wertloserer Papiermark zu zahlen. Eine Annahmepflicht für diese Geldsurrogate bestand nicht. Wer freilich auf gesetzlichen Zahlungsmitteln bestand, musste sich mit der nicht gerade erwünschten Papiermark begnügen. Die Interims-Anteilscheine waren darauf angelegt, ab November 1923 zunächst als Notgeld zu zirkulieren. Gemäß den aufgedruckten Bedingungen sollten die Scheine wie folgt von der Stadtbank Glogau getilgt werden:

  • Einerseits sollten sie ab dem 1. April 1924 in Schuldverschreibungen der 5% Glogauer Holzwertanleihe von 1923 nach Maßgabe der Stückelung eingetauscht werden. Es wurde wohl dem Publikum überlassen, aus diesen Interims-Anteilscheinen ganze Schuldverschreibungen von mindestens ½ Festmeter im Umtausch zu erwerben. Die damit eingetauschten Schuldverschreibungen waren dann aber kein Geld mehr, sondern Vermögenswert. Die kleingestückelten Anteilscheine standen demnach im praktischen Gebrauch an der Grenze, gewissermaßen in einer Scharnierfunktion, zwischen Wertanleihe und Notgeld.

  • Andererseits war die Stadtgemeinde berechtigt, den Eintausch schon vorher und außerdem zum angegebenen Goldwertbetrag in Rentenmark (später ab November 1923 ausgegeben) oder in einer Goldanleihe des Deutschen Reichs vorzunehmen.

Das wertbeständige Notgeld


Interims-Anteilschein über 1/4000 Festmeter Rundholz (= 1 Goldpfennig) der 5% Glogauer Holzwert-Anleihe, ausgegeben vom Magistrat der Stadt Glogau am 1. November 1923.


Interims-Anteilschein über 1/800 Festmeter Rundholz (= 5 Goldpfennige) der 5% Glogauer Holzwert-Anleihe, ausgegeben vom Magistrat der Stadt Glogau am 1. November 1923.


Interims-Anteilschein über 1/400 Festmeter Rundholz (= 10 Goldpfennige) der 5% Glogauer Holzwert-Anleihe, ausgegeben vom Magistrat der Stadt Glogau am 1. November 1923.


Interims-Anteilschein über 1/80 Festmeter Rundholz (= 50 Goldpfennige) der 5% Glogauer Holzwert-Anleihe, ausgegeben vom Magistrat der Stadt Glogau am 1. November 1923.


Interims-Anteilschein über 1/40 Festmeter Rundholz (= 1 Goldmark) der 5% Glogauer Holzwert-Anleihe, ausgegeben vom Magistrat der Stadt Glogau am 1. November 1923.


Interims-Anteilschein über 1/8 Festmeter Rundholz (= 5 Goldmark) der 5% Glogauer Holzwert-Anleihe, ausgegeben vom Magistrat der Stadt Glogau am 1. November 1923.


Die Währungsreform 1923/24

Zur Bekämpfung der Hyperinflation wurde bereits vor Ausgabe der Glogauer Interims-Anteilscheine am 16. Oktober 1923 der Beschluss über die Errichtung der Deutschen Rentenbank verkündet, damit leitete die Reichsregierung die Rückkehr zu einer stabilen Währung ein. Mit der Währungsreform und der Ausgabe der Rentenmark gelang es ab November 1923 die Inflation im Deutschen Reich zu stoppen. Die Ersparnisse weiter Bevölkerungskreise waren vernichtet, Vermögenswerte dahingeschmolzen. Am 20. November 1923 war 1 Dollar 4,2 Billionen Papiermark (= 4,20 Rentenmark) wert. Eine Rentenmark bzw. eine Mark Gold entsprach an diesem Tag offiziell einer Billion Papiermark.


Im Hinblick auf die gespannte Lage der Reichsfinanzen und der Knappheit der neuen Banknoten wurde es jedoch gern gesehen, dass das wertbeständige Notgeld noch im Umlauf blieb. Öffentliche Kassen und die Reichsbank unternahmen erhebliche Anstrengungen, um es im Verkehr zu halten. Ende April 1924 hatte sich die finanzielle Lage des Reichs derartig gebessert, dass die Einziehung des wertbeständigen Notgelds erfolgen konnte. Die im Umlauf befindliche Summe des Goldnotgelds fiel von 240 Millionen Mark Gold am 31. Dezember 1923 schnell auf 24 Millionen Mark Gold am 31. Mai 1924.


Die endgültige Neuordnung der Währung wurde im Sommer 1924 realisiert. Am 30. August 1924 schuf das Währungsgesetz die Reichsmark als neues gesetzliches Zahlungsmittel und gab der für die Ausgabe zuständigen Reichsbank die volle Unabhängigkeit von der Regierung. Die Reichsmark galt zusätzlich zur Rentenmark im Verhältnis 1:1, mit beiden Währungen konnte nun bezahlt werden. Die noch immer umlaufende Papiermark wurde jetzt zum Kurs von 4,2 Billionen Mark = 1 Reichsmark eingezogen. Auch die verschiedenen wertbeständigen Notgeldarten verschwanden nacheinander durch Einziehung im Laufe des Jahres 1924.


Die Interims-Anteilscheine der 5% Glogauer Holzwertanleihe von 1923 ab 50 Goldpfennig aufwärts sind heute im Münzantiquariat selten zu finden, die Nennwerte darunter werden häufiger angeboten. Stücke der Schuldverschreibungen der 5% Glogauer Holzwertanleihe blieben bisher unbekannt.


Die Glogauer Interims-Anteilscheine sind katalogisiert bei:

  • Manfred Müller: "Deutsches Notgeld, Band 12: Das wertbeständige Notgeld der deutschen Inflation 1923/1924" (Nr. 1895)

  • Kai Lindman: "Das wertbeständige Notgeld von 1923/24" (G009)

Hans-Georg Glasemann

Abb. und Informationen: HGG, NK und Privat (8/2020)

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