Die Goldmarkscheine zur Westfälischen Goldanleihe, Reihe I, der Landesbank der Provinz Westfalen 1923
Im Herbst 1923 drehte sich das Inflations-Karussell immer schneller. Von einem auf den anderen Tag halbierte sich der Wert der Mark. Weite Bevölkerungsschichten waren nicht mehr in der Lage, sich das Nötigste zu kaufen, da die Lohnerhöhungen mit den Preissteigerungen bei weitem nicht Schritt hielten. Fast im gesamten Reich kam es zu Lebensmittelunruhen und Demonstrationen, zu Plünderungen und Raubzügen, die an vielen Orten zu blutigen Zusammenstößen mit der Polizei führten. Der Ruf nach wertbeständigem Geld wurde in der Bevölkerung immer lauter.
Das Gesetz vom 14. August 1923 ermächtigte die Reichsregierung zur Emission einer wertbeständigen Anleihe in Höhe von 500 Millionen Goldmark, deren Tilgung in den folgenden 12 Jahren erfolgen sollte. Die Anleihestücke vom 25. August 1923, die mit „Schatzanweisung des Deutschen Reiches“ überschrieben sind, lauten sowohl auf Mark Gold als auch auf Dollar. Ausgegeben wurden Stücke über 1 bis 1000 Dollars gleich 4,20 bis 4.200 Mark Gold. Ihre Zeichnung erfolgte entweder in Papiermark zum jeweiligen Dollarkurs oder in Devisen. In diesem Fall mussten nur 95 % des Zeichnungspreises entrichtet werden. Die kleinen Werte zu 1, 2 und 5 Dollars, die ohne Zinsscheine ausgegeben wurden, sollten planmäßig mit 70 % Aufgeld am 2. September 1935 eingelöst werden. Sie wurden schon bald im Zahlungsverkehr verwendet, ohne gesetzliches Zahlungsmittel zu sein.
Durch Erlass vom 23. Oktober 1923 gestattete die Reichsregierung Unternehmen und Kommunen die Ausgabe von wertbeständigem Notgeld, wenn es auf Teile der Goldanleihe lautete und durch solche gedeckt war. Die Bestimmungen des Finanzministers vom 24. Oktober und eine am 26. Oktober 1923 erlassene Verordnung der Reichsregierung zur Änderung des Gesetzes über die Ausgabe und Einlösung von Notgeld vom 17. Juli 1922 regelten die Ausgabe und Einlösung des Gold-Notgelds. Danach mussten die Scheine neben der Bezeichnung „Notgeldschein“ den Vermerk „Ausgegeben mit Genehmigung des Reichsministers der Finanzen“ tragen; auch sollten sie nicht über einen höheren Betrag als 2 Dollars gleich 8,40 Mark Gold lauten.
Die Landesbank der Provinz Westfalen,
„die es von jeher als eine ihrer Hauptaufgaben betrachtet hat, den Westfälischen Gemeinden nicht nur kurzfristigen, sondern in erster Linie langfristigen Kredit zur Verfügung zu stellen,“[1]
suchte nach einem Weg, dies auch in Zeiten der galoppierenden Inflation in und der damit verbundenen „Flucht in die Sachwerte“ zu ermöglichen. Um die notwendigen Mittel für langfristige Kommunalkredite aufbringen zu können, emittierte sie auf Grund des Beschlusses des Provinzialausschusses vom 17. September 1923 die 6%ige Goldanleihe, die von der Provinz Westfalen garantiert wurde. Ab 1. Oktober 1923 konnte die Anleihe gezeichnet werden.
Die großen Anleihestücke zu 10, 25 und 100 Dollars der Reihe II der Westfälische Goldanleihe waren mit 6 % verzinslich und wurden mit Zinsbögen versehen. Die Tilgung sollte jährlich mit 3 ½ % erfolgen und spätestens 1940 zurückgezahlt sein.
„Von … [ihr] wurden bis zum 3. März 1924 insgesamt 1.236.212 Dollar = 5.395.490 Rentenmark abgesetzt. Die entsprechenden 6%igen Goldanleihe-Darlehen wurden in 157 Posten nur solchen Darlehnsnehmern [vorwiegend Kommunen, kommunale Versorgungsbetriebe und sonstige öffentlich-rechtliche Stellen] gegeben, die mit dem Darlehnskapital Sachwerte schufen, deren Erträgnisse sich dem wechselnden Dollarkurs anpassen konnten.“[2]
Die Auszahlung der Darlehen erfolgte in entsprechenden Anleihestücken, die der Darlehensnehmer entweder durch die Landesbank verkaufen ließ oder zur eigenen Verwendung übernahm.
Die Stücke der Reihe I waren dagegen unverzinslich und bestanden ausschließlich aus solchen zu 1 Dollar.[3] Sie sollten am 31. Dezember 1929 eingelöst werden.
25 Anleihestücke der Reihe I konnten in Anleihestücke der Reihe II umgetauscht werden. Auch diese sollten also der langfristigen Finanzierung der Kommunalkredite dienen.
Die Stücke haben das Format 125 mm x 180 mm. Gedruckt wurden sie auf Papier ohne Wasserzeichen. In einem braunen Zierrahmen und auf einem braunen Unterdruck nennt der schwarze Text der Vorderseite den Wert, die Laufzeit, Einlösungsbedingungen und das Ausgabedatum vom 15. Oktober 1923. Unter „Die Direktion der Landesbank der Prov. Westfalen“ finden sich die gedruckten Unterschriften des Generaldirektors Reusch sowie der Landesbankdirektoren Greve und von Bruchhausen. In der oberen linken Ecke der rote Steuerstempel mit den Reichsadler und Umschrift: „WERTPAPIERSTEUER . STEUER… 22“. Dieser Stempelaufdruck hat einen Durchmesser von 30 mm. In der unteren linken Ecke befindet sich das Siegel der Landesbank als Trockenstempel mit einem Durchmesser von 35 mm. Am unteren Scheinrand die grüne Kennnummer mit vorgesetztem „No“. Auf der Rückseite der Anleihe werden die Bedingungen der Einlösung ausführlich erläutert.
Abb. 1.1/2: Westfälische Goldanleihe, 15. Oktober 1923, 1 Dollar (= 4,20 Goldmark), Vorder- und Rückseite.
Abb. 1.3: Gedrucktes Siegel der Landesbank. Ausschnitt aus dem Notgeldschein zu einer Billion Mark vom 7. November 1923.
Eine zweite Art der Westfälischen Goldanleihe Reihe I wurde mit den unverzinslichen „Westfälischen Goldmarkscheinen“ zu einem Dollar geschaffen. Ihre Laufzeit betrug nur bis zur zweiten Hälfte des Februars 1924. Sie sollten dann entweder in gesetzliche Währung zum Durchschnittskurs der Berliner Börse für Auszahlungen New York eingelöst oder gegen Lieferung von 6 % Westfälische Goldanleihe Reihe II umgetauscht werden.
Zur Emission der Goldmarkscheine war die Landesbank von führenden Wirtschaftskreisen der Provinz gedrängt worden, weil die Bauern nur noch bereit waren, ihre Erzeugnisse gegen wertbeständiges Geld abzugeben. Da die Landesbank nicht in der Lage war, die Bedingungen des Finanzministeriums zu erfüllen, ging man einen anderen Weg und gab die Goldmarkscheine als Anleihen aus. Von vornherein dachte man daran, diese kleinen handlichen Papierscheine als Geld umlaufen zu lassen. „Entsprechend den Roggenscheinen der Provinz Hannover wurden die Goldmarkscheine nicht ‚ausgegeben‘, sondern solchen Gemeinden und Sparkassen, die darum nachsuchten, zur Ausgabe leihweise überlassen. Die Gemeinden und Sparkassen mußten sich der Landesbank gegenüber verpflichten, die von ihnen geliehenen Scheine oder deren Gegenwert zum Einlösungstermin zurückzuliefern.“[4]
Aus dieser Regelung sollten sich schon bald einige Probleme ergeben.
Durch die Herstellung in verschiedenen Druckereien sind bei den Goldmarkscheinen diverse Unterschiede festzustellen. Sie wurden auf Papier mit und ohne Wasserzeichen gedruckt. Die Kontrollnummern kommen mit und ohne vorgesetzten Buchstaben und „No.“ vor, sowie mit und ohne nachfolgendem, sechsstrahligem Stern (Plunger), zudem variiert ihre Größe. Grundsätzlich sind zwei Emissionen zu unterscheiden: Ausgabedaten 10. November 1923 sowie 19. November 1923. Der Entwurf zu den Scheinen stammt wohl von Heinrich Benkler. Sein Signum „HB“ findet sich auf der Vorderseite der Scheine rechts unten am Rand.
Abb. 2.1/2: Westfälische Goldanleihe, sog. Goldmarkschein, 10. November 1923, 1 Dollar (= 4,20 Goldmark), ohne Angabe der Druckfirma, Vorder- und Rückseite.
Abb. 3.1/2: Westfälische Goldanleihe, sog. Goldmarkschein, 19. November 1923, 1 Dollar (= 4,20 Goldmark), Druckfirma: OFFSETDRUCK THOMAS, KONTO STADTSPARKASSE, Vorder- und Rückseite.
Abb. 4.1/2: Westfälische Goldanleihe, sog. Goldmarkschein, 19. November 1923, 1 Dollar (= 4,20 Goldmark), Druckfirma: OFFSETDRUCK E. GUNDLACH A.-G. * KONTO STADTSPARKASSE * BIELEFELD, mit Entwertungslochung, Vorder- und Rückseite.
Abb. 5.1/2: Leinenschein, Westfälische Goldanleihe, sog. Goldmarkschein, 19. November 1923, 1 Dollar (= 4,20 Goldmark), Druckfirma: OFFSETDRUCK E. GUNDLACH A.-G. * KONTO STADTSPARKASSE * BIELEFELD, Vorder- und Rückseite.
Auf einigen Scheinen wird auf der Vorderseite am unteren Rand die Druckerei genannt: „G. A. HÜLSWITT, MÜNSTER i. W., SCHILLERSTR“, „OFFSETDRUCK THOMAS, KONTO STADTSPARKASSE, BIELEFELD“ bzw. „OFFSETDRUCK E. GUNDLACH A.-G. * KONTO STADTSPARKASSE * BIELEFELD“. Die Scheine mit dem Ausgabedatum 19. November 1923 warten mit einigen Botschaften auf. Im Unterdruck der Vorderseite steht am oberen Rand links kaum lesbar „SIRACH31“ und rechts „VERS 23“. Bei dieser Angabe handelt es sich um den folgenden Bibelvers:
„Und wenn der Magen mäßig gehalten wird, so schläft man sanft; so kann einer des Morgens früh aufstehen, und ist fein bei sich selbst.“
Rund um die Wertbezeichnung ein Schriftband in Microschrift: „Jeder schau der Nachbarin / In die Augensterne, / Daß er den geheimen Sinn / Dieses Lebens lerne.“ Der Text ist Teil des Gedichtes „Schlußchor“. Wilhelm Busch veröffentlichte es 1874 in dem Sammelband „Dideldum!“ im Heidelberger Bassermann Verlag. Auf der Rückseite der zweiten Ausgabe findet sich ebenfalls ein Hinweis auf ein Bibelzitat. In den nach oben gerichteten Verlängerungen der Buchstaben „D“, „E“ und „h“ klein „JESAIA 5“, „VERS“ und „11“:
„Wehe denen, die des Morgens früh auf sind, des Saufens sich zu fleißigen, und sitzen bis in die Nacht, daß sie der Wein erhitzt.“
Abb. 6.1: Angabe der Druckfirma (Offsetdruck Thomas …) auf der Vorderseite am unteren Rand.
Abb. 6.2: Angabe der Druckfirma (Offsetdruck E. Gundlach …) auf der Vorderseite am unteren Rand.
Abb. 6.3: Angabe zu den Bibelzitaten auf der Vorderseite am oberen Rand.
Abb. 6.4: Hinweis auf das Bibelzitat auf der Rückseite.
Der Text auf der Rückseite nennt die Einlösungsbedingungen:
„Die Einlieferung hat, falls nicht Fristverlängerung oder Fristverkürzung eintritt vom 16. bis 28. Febr. 1924 [bei Scheinen mit dem Ausgabedatum 19. November 1923: 16. bis 31. März 1924] zu erfolgen. Die Einlösung geschieht nach Wahl der Landesbank zum Durchschnittsbriefkurse der Berliner Börse für Auszahlung New York an den drei dem Beginn der Einlösungsfrist vorangehenden Börsentagen in gesetzlicher Währung oder gegen Lieferung von 6%iger Westfälischer Goldanleihe Reihe II. Mit Ablauf der Einlösungsfrist verliert dieser Schein seine Gültigkeit.“
Obwohl die 112 mm x 61 mm großen Goldmarkscheine mit „Westfälischer Goldanleihe“ überschrieben sind, nutzten sie die Gemeinden und Sparkassen als wertbeständiges Notgeld bei ihren Zahlungen. Auch vom Publikum wurden sie als solches wahrgenommen.
Am 4. Dezember 1923 unterrichtete Generaldirektor Reusch in einem Schreiben die westfälischen Kommunen und Sparkassen darüber, dass man die Gewährung von Kommunalkrediten eingestellt habe, da sich die Geldverhältnisse vollständig verändert hätten.
„Während noch bis vor kurzem die Landesbank durch ihren Depositenverkehr, durch den Absatz ihrer wertbeständigen Anlagen und in erheblichen Umfange durch die Ausgabe von Notgeld über genügende Mittel verfügte, ist sie jetzt zum ersten Male seit Beendigung des Krieges in die Zwangslage versetzt, keine weiteren Kredite irgendwelcher Art mehr gewähren zu können. Seitdem die Papiermark nicht mehr fällt, sind unsere wertbeständigen Anleihen unverkäuflich geworden. Die geringen uns aus anderen Quellen zur Verfügung stehenden Mittel haben wir nötig, um dringende Verpflichtungen der Landesbank zu erfüllen. Wie lange dieser Zustand dauert, lässt sich nicht überblicken. Für den Rest des laufenden Jahres rechnen wir aber bestimmt mit keiner Besserung.“
Sehr schwierig wurde die Lage auch dadurch, dass das das Publikum nicht mehr bereit war, die westfälischen Goldmarkscheine bei Zahlungen anzunehmen.
„Im Gegenteil, man bietet der Landesbank solche Scheine zum Rückkauf an. Die Landesbank ist dazu aber nicht in der Lage, da die Gemeinden pp. welche seinerzeit die Goldmarkscheine leihweise abgenommen haben, den Gegenwert erst Mitte Februar zur Verfügung stellen. Die Ausgabe von Goldmarkscheinen muss deshalb eingestellt werden.“[6]
Auch im Schreiben vom 14. Januar 1924 betonte Reusch nochmals,
„dass die Landesbank die Goldmarkscheine nicht selbst ausgegeben hat. Die Landesbank hat vielmehr im Auftrage des westfälischen Provinzialausschusses diese Scheine lediglich herstellen lassen und alsdann an die westfälischen Kommunen ausgeliehen, damit diese in die Lage kämen, die Lebensmittelversorgung vorzunehmen. … Es muss unbedingt erreicht werden, dass die Goldmarkscheine bis zum Einlösungstermin im Umlauf bleiben.“[7]
Im selben Schreiben informierte der Generaldirektor darüber, dass man damit rechnete, dass die Goldmarkscheine in Kürze von allen Reichs- und Staatskassen, insbesondere auch von den Kassen der Eisenbahn und der Post in Zahlung genommen würden.
Von der Möglichkeit, die Goldanleihestücke Reihe I gegen Goldanleihe Reihe II umzutauschen, wurde kaum Gebrauch gemacht. Daher entschloss sich die Landesbank im Januar 1924 sowohl die Goldmarkscheine als auch die Goldanleihe Reihe I, die ebenfalls als Geld genutzt wurden, aus dem Verkehr zu ziehen und zum Kurs von 4,20 Goldmark einzulösen.
Zur Ausgabe waren insgesamt 1.101.283 Goldmarkscheine zu einem Dollar und 139.000 Goldanleihestücke Reihe I gelangt. Bis zum 31. März 1924 waren die Goldmarkscheine bis auf 38.571 Dollar in die Landesbank zurückgeflossen. Zur Zeichnung auf die 6%ige Westfälische Roggenanleihe wurden 61.853 Dollar Westfälische Goldmarkscheine und 26.286 Dollar Westfälische Goldanleihe Reihe I eingeliefert.[8]
Uwe Bronnert
Anmerkungen: [1] Jahresbericht der Landesbank der Provinz Westfalen zu Münster i. Westf. 1922/23 und 1923/24, S. 13.
[2] Landesbank für Westfalen-Girozentrale Münster (Hrsg.), 125 Jahre Landesbank für Westfalen Girozentrale 1832 – 1957, Münster 1957, S. 37.
[3] Bei Bedarf hätten man auch unverzinsliche Anleihen zu 2 bis 5 Dollar ausgegeben dürfen.
[4] Jahresbericht der Landesbank der Provinz Westfalen zu Münster i. Westf. 1922/23 u. 1923/24, S. 13 f.
[5]Varianten, insbesondere bei den Kennziffern, siehe: Hans-Ludwig Grabowski, Deutsches Notgeld, Band 10: Das Papiergeld der deutschen Länder 1871 – 1948, Die Banknoten und Notgeldscheine der deutschen Länder, Provinzen und Bezirke, 2. Auflage, Regenstauf 2006, S. 507 ff., Kat.-Nr. WFA 40 – WFA 44.
[6] Staatsarchiv Münster, Kreis Siegen, Kreisausschuss Nr. 787, Bl. 220.
[7] Ebenda, Bl. 253.
[8] S. Landesbank für Westfalen-Girozentrale Münster (Hrsg.), S. 37.
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