Vor 100 Jahren –Ende 1918 – waren die Völker Europas kriegsmüde. Der jahrelange Stellungskrieg hatte Millionen Menschenleben gekostet, halb Europa war verwüstet und in Deutschland verhungerten die Menschen. Ein Waffenstillstand beendete schließlich die Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts, in Deutschland kam es zur Revolution, die Monarchie brach zusammen. Der jungen "Weimarer Republik", die mit dem Versailler Vertrag politisch ohnmächtig die Willkür der ehemaligen Gegner über sich ergehen lassen musste, wurden nicht nur Verluste an Gebieten und Bevölkerung abverlangt, sondern auch unzumutbare Forderungen wirtschaftlicher und finanzieller Art. Deutschland sollte von einer einstigen Weltmacht in ein unterentwickeltes Agrarland zurückkatapultiert werden. Die gigantischen Kriegsreparationen ließen die deutsche Währung bald zusammenbrechen. Aus dem Zahlungsverkehr verschwanden die Reichsmünzen und bald gab es nur noch Papiergeld, das immer weniger Wert war.
Die Preise waren schon während des Krieges kräftig gestiegen, doch durch die Rationierung von fast allen Waren und Lebensmitteln war der Wertverlust der Mark nicht sofort für jeden offenkundig geworden. Am Ende des Ersten Weltkriegs hatte aber die Mark schon die Hälfte an Kaufkraft verloren. Schließlich kam es zu einer gigantischen Inflation, die Ende 1923 ihren Höhepunkt fand und Deutschland eine derart große Zahl an regionalen, kommunalen und privaten Notgeldausgaben bescherte, dass selbst das Wort „Notgeld“ bei Sammlern in aller Welt zu einem festen Begriff wurde. Die zur Kaiserzeit in Goldmark ersparten Vermögen auf Konten oder als Papiergeld wurden völlig wertlos, genauso wie die während des Kriegs massenhaft in der Bevölkerung angekauften Kriegsanleihen. Nur die alten Goldstücke und Sachwerte, Grund und Boden oder „harte Devisen“ hatten Bestand. Der Staat selbst entledigte sich seiner Schulden mit der Druckpresse.
Mit der wachsenden Inflation war die Reichsbank bald nicht mehr in der Lage, ausreichende Mengen an Geldscheinen zu drucken. Hatte man Anfangs die lokalen Notgeldausgaben bekämpft oder toleriert, so wurde dieses Notgeld bald zur Regel und im Einvernehmen mit der Regierung und Reichsbank ausgegeben. Unterdessen liefen die Notenpressen auf Hochdruck. Ende 1923 arbeiteten schließlich 133 Druckereien und 30 Papierfabriken an der Herstellung von Reichsbanknoten. 29 galvanoplastische Anstalten stellten 400.000 Druckplatten her und mit dem produzierten Banknotenpapier hätte man 1700 Eisenbahnwaggons beladen können. Aus diesem Papier fertigten die Druckereien 10,1 Milliarden Reichsbanknoten mit einem Gesamtwert von 3.877 Trillionen Mark.
Die Reichsbank konnte trotz gewaltiger Anstrengungen den immer größeren Bedarf an Banknoten nicht abdecken.
Schließlich waren Ende 1923 mehr als 30.000 Menschen in allen Großdruckereien im gesamten Reich nur mit der Herstellung von immer wertloser werdenden Reichsbanknoten beschäftigt. Die Nullen auf den Geldscheinen wurden immer mehr und Löhne und Gehälter wurden täglich gezahlt, da das Geld bereits am nächsten Tag nicht mehr viel wert war. Menschen rannten mit Wäschekörben voller Geldscheinen zum Einkauf. Jedermann war plötzlich Millionär und bald schon Milliardär.
Im Jahre 1923 soll allein an Reichsbanknoten die unvorstellbare Summe von 456.507.424.771.974.000.000 Mark im Verkehr gewesen sein, dazu kam das Doppelte an Notgeldscheinen. Mit den „kleinen Scheinen“ unter 10 Milliarden Mark Nennwert konnte man bald nur noch den Ofen heizen, zu kaufen gab es dafür nichts mehr. Zugleich stiegen die Preise für alle Waren und für ausländische Währungen immer rasanter.
Ein US-Dollar stand im Januar 1919 noch bei 7,95 Mark, im Januar 1921 waren es schon 74,50 Mark und im November 1923 kostete er dann schließlich 4,2 Billionen Mark.
Die finanzielle Katastrophe hatte aber bereits mit dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs begonnen. Jeder Kriegsmonat kostete anfangs 1,2 Milliarden Goldmark. Schnell war der Reichskriegsschatz aufgebraucht und die Ausgabe an Darlehnskassenscheinen wurde mehrfach erhöht. Gegen Ende des Kriegs kostete jeder Monat schon 5 Milliarden Goldmark! Bereits in den ersten zwei Kriegswochen des Jahres 1914 stieg der Notenumlauf um rund 2 Milliarden Mark, also um ein Drittel des gesamten Friedensgeldumlaufs. Bis Kriegsende schwoll er nochmals um 20 Milliarden Mark an. Vom November 1918 bis November 1922 versiebenfachte er sich und kletterte dann 1923 um mehr als das Hundertmillionenfache! Diese nüchternen Zahlen geben keinen Aufschluss darüber, wieviel Leid diese Inflation den Menschen gebracht hat. Wer keine Waren oder Werte besaß, war dieser Entwicklung schutzlos ausgeliefert. Die Menschen hungerten und froren und die Selbstmordrate stieg rapide an. Das Land wurde von Streiks, Unruhen und Aufständen überzogen. Politisch radikale Parteien von Links wie von Rechts nutzten diesen Nährboden, aus dem später mit dem Nationalsozialismus eine neue Menschheitskatastrophe seinen Anfang nehmen sollte.
Zum Ende der Hochinflation lautet der höchste je ausgegebene Wert einer Reichsbanknote auf 100 Billionen Mark. Der höchste Nennwert der Inflation überhaupt war ein Notgeldschein der Stadt Duderstadt über 1 Billiarde Mark.
Um derartige Zahlen, mit denen wir im täglichen Leben kaum zu tun haben, besser verstehen zu können, nur noch eine kleine Anmerkung zum Them Inflation.
100 Billionen Mark ist eine Summe, die man sich eigentlich nicht vorstellen kann.
In Ziffern sieht das so aus: 100.000.000.000.000.
Doch in Ungarn sollte es nach dem Zweiten Weltkrieg und während sowjetischer Besetzung noch viel „dicker“ kommen. Im Mai 1946 wurde ein Schein über 100 Millionen Adópengö (Steuerpengö) ausgegeben Ein Adópengö waren 2 Trillionen Pengö. In Pengö ausgedrückt waren dies also 200 Quadrillionen Pengö – eine „2“ mit 26 Nullen: 200.000.000.000.000.000.000.000.000.
Damit brachte die ungarische Inflation die höchsten Nennwerte hervor, die es jemals in einer Inflation gegeben hat.
Doch kehren wir wieder in das Deutschland der 1920er Jahre zurück. Wenn die ungarische Inflation nach dem Zweiten Weltkrieg die Zahlen mit den meisten Nullen bringen sollte, so bescherte die deutsche Inflation nach dem Ersten Weltkrieg die meisten Notgeldausgaben der Welt.
Die Geldscheine der Inflationszeit, also von 1919 bis Anfang 1924, sind ein sehr interessantes Sammelgebiet, vermitteln sie doch noch heute einen Eindruck von einer Zeit, die auch als "Tollhaus der Proportionen" bezeichnet wird.
Hans-Ludwig Grabowski
Abb. Battenberg Gietl Verlag, Bildarchiv
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