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AutorenbildSven Gerhard

Die Heimschaffung, Teil 2

Aktualisiert: 24. Sept.

Wie die Versorgung der Schweiz mit Banknoten während des Zweiten Weltkriegs gelang


Fortsetzung von Teil 1


Zunächst war überlegt worden, dass ein Mitglied der Schweizer Gesandtschaft in London

die Scheine bei seiner nächsten Reise zurück nach Bern einfach im Kuriergepäck mitnehmen könne. Angesichts der Mengen an Banknoten, die in 20 hölzernen Kisten verpackt auf die Reise in die Schweiz warteten und die insgesamt 2.500 kg wog, erwies sich dieser Vorschlag als völlig unpraktikabel.


Die Suche nach einem anderen Transportweg ging weiter. Schließlich verfiel man seitens der SNB im Februar 1941 auf die Idee, die Banco de Portugal und die Bank von England einzuschalten und anzufragen, die Scheine von London zunächst in das neutrale Portugal in die Tresore der Banco de Portugal zu schaffen. Von dort sollten sie per Schiff nach Genua in Italien und weiter per Bahn in die Schweiz reisen. Entsprechend wurde dann auch die Banca d’Italia angeschrieben. Alle angeschriebenen Notenbanken sagten der SNB ihre Unterstützung zu; die Schweizer Gesandtschaften in London, Lissabon und Genua wurden über die Pläne informiert. Die Vorbereitungen zum Versand konnten beginnen.


Gebäude der Banco de Portugal in Lissabon, um 1950. Quelle: https://restosdecoleccao.blogspot.com/2010/05/banco-de-portugal.html


Auf dem englischen Dampfer „City of Lancaster“, gebaut 1924, traten die Notenformulare

den ersten Teil der Reise von Liverpool nach Portugal an.


Die Banknoten wurden am 11. Februar 1941 in Gegenwart eines Vertreters der Schweizer Gesandtschaft in London bei Waterlow & Sons verpackt[1] und machten sich am 25. Februar auf die gefährliche Reise zunächst per Zug nach Liverpool und weiter per Schiff „City of Lancaster“ nach Lissabon, wo sie am 10. April 1941 – das Schiff hatte deutliche Verspätung – eintrafen und vom Schweizer Gesandten im Empfang genommen wurden. Von dort ging es am 28. April 1941 in einem verschlossenen Gepäckabteil weiter mit dem portugiesischen Dampfer „Villa Franca“ Richtung Genua; auch hier nahm der Schweizer Gesandte die Sendung in Empfang und begleitete die Zwischenlagerung in die Tresore der örtlichen Filiale der Banca d’Italia. Von Genua aus traten die Noten am 8. Mai 1941 schließlich den letzten Teil ihrer Reise per Zug in die Schweiz an, wo sie am 10. Mai 1941 in Bern eintrafen und als Expressgut an die SNB ausgeliefert wurden. Der Transport hatte 2 ½ Monate gedauert, die Schweizer Gesandschaften in Lissabon und Genua erheblich beschäftigt, und war unverschämt teuer gewesen – die Transport- und Versicherungskosten betrugen 2,7 Rappen je Schein, gut ein Drittel der Druckkosten. Doch immerhin war die erste Notenlieferung aus London seit Mai 1940 sicher in der Schweiz eingetroffen.


Zeugnis eines abenteuerlichen Transportes: Frachtbrief für die Beförderung der Noten von Genua per Bahn nach Bern. Quelle: Archiv der Schweizerischen Nationalbank.


Der Transportweg über das ebenfalls neutrale Portugal war zwar umständlich und teuer, hatte sich aber grundsätzlich bewährt. Eine Zwischenstation im Krieg führenden Italien wollte die SNB jedoch aus Sicherheitsgründen zukünftig vermeiden. Auch schienen angesichts der Entwicklung der Kriegsverhältnisse die Risiken eines Seetransportes von England nach Portugal zu hoch. Für den folgenden Transport im Mai 1942[2] wurde daher an der Transportroute über Lissabon festgehalten, allerdings wurden die Scheine nunmehr per Luftfracht von England nach Lissabon verschickt. Der Weitertransport der Scheine von Lissabon nach Bern erfolgte nunmehr bei LKW quer durch das neutrale Spanien sowie durch Südfrankreich. Der Transport verlief reibungslos; die Scheine trafen schließlich am

10. Juni 1942 in Bern ein. Doch auch dieser Transport kam mit Kosten von rund 3,4 Rappen pro Schein insbesondere wegen der Luftfrachtkosten und der hohen Versicherungsprämien der SNB sehr teuer.


Nachdem sich dieser Transportweg als belastbar herausgestellt hatte, wurden 1942 weitere Druckaufträge an Waterlow & Sons erteilt, obwohl Bedenken bestanden, dass die Transporte wegen der Kriegsentwicklung zukünftig schwieriger durchzuführen und mit höheren Risiken behaftet sein könnten. Alternativen gab es für die SNB allerdings keine, da man auch in der Folgezeit auf die von Waterlow & Sons gelieferten Noten insbesondere der Wertstufen zu 50 und 100 Franken nicht verzichten konnte, weil sich die Anfertigung einer 50-Frankennote in der Schweiz verzögerte[3]. Diverse weitere Transporte über Lissabon erfolgen ab Juli 1942.


Reservenote zu 50 Franken mit Datum 15. März 1945, gedruckt bei Orell Füssli in Zürich. Entwürfe zu diesem Schein lagen ab Ende 1943 vor. Die Note wurde nie ausgegeben.


Im April 1943 teilte Waterlow & Sons der SNB mit, dass Luftfrachtkapazitäten nach Lissabon nicht zur Verfügung ständen und nur noch Transporte per Schiff möglich seien, worauf – wegen der Risiken des U-Boot-Krieges – der Versand von Noten aus London erneut unterbrochen wurde. Anfang Oktober 1943 konnten Transporte per Luftfracht von London bis Lissabon wieder aufgenommen werden; sie wurden bis Februar 1944 fortgesetzt.


Die Landung alliierter Truppen in Frankreich am 20. Juni 1944 und die dadurch entstehende Westfront mit Kampfhandlungen in Frankreich unterbrachen den Notentransport erneut.

Ein Landtransport von Notenformularen durch Frankreich in die Schweiz schien jetzt völlig ausgeschlossen. Zu diesem Zeitpunkt lagerten in Lissabon noch 100.000 Noten zu 1000 sowie 700.000 Noten zu 100 Franken in insgesamt 40 Transportkisten und warteten auf ihren Abtransport in die Schweiz. Wieder wurde bei der SNB überlegt, wie man unter den sich veränderten Kriegsverhältnissen in Westeuropa nunmehr einen sicheren Transport würde bewerkstelligen können. Überlegt wurde, einzelne Kisten per Flugzeug aus Lissabon in die Schweiz bringen zu lassen. Die SNB fragte daraufhin die Swissair an, die unverzüglich ein Angebot unterbreitete. Der Haken daran war: Swissair bediente nicht die Route aus der Schweiz direkt nach Lissabon. Daher schlug Swissair vor, die Notenformulare zunächst auf der von der Deutschen Lufthansa noch bedienten Strecke von Lissabon nach Stuttgart mitnehmen zu lassen, und sie von dort auf der von der Swissair bedienten Route nach Zürich in die Schweiz weiterzubefördern – ein Angebot, dass die SNB angesichts der Kriegsverhältnisse im Sommer 1944 nicht annahm. Man konnte in Bern aktuell nichts weiter tun, als die Entwicklung abzuwarten. Wenige Monate später war Frankreich von deutschen Truppen befreit, dennoch dauerte es, bis sich wieder Transportmöglichkeiten ergaben.  


Erst Ende März 1945 gelangte ein weiterer Transport von 3,1 Millionen Notenformularen zu 100 Franken, verpackt in 80 Transportkisten von Lissabon nach Bern. Es dürfte sich um große Teile der Serien 12Q bis 13Z mit Ausgabedatum 23. März 1944 gehandelt haben. Obwohl der Transport nur eine Woche dauerte, waren die Transportwege abenteuerlich. Organisiert wurde er erneut von der englischen Firma Machinery & Technical Transport; wieder verlief er auf der Vorkriegsroute mit dem Zug von London bis zur englischen Küste und weiter per Schiff über den Ärmelkanal bis in den französischen Hafen von Dieppe.

Das Risiko eines Angriffs durch deutsche U-Boote auf dem Transport über den Ärmelkanal konnte inzwischen vernachlässigt werden, weil deutsche U-Boote keine Bedrohung der Schifffahrt im Kanal mehr darstellten. Nun mussten die Scheine noch von Dieppe nach Bern gelangen. Die verfügbaren Landtransportkapazitäten in Frankreich waren knapp.

Es gelang – wohl auch auf Fürsprache der Bank von England – zwei in Dieppe stehende Packwagen mit den Noten zu beladen und an einen für Paris bestimmten Zug des Roten Kreuzes anhängen zu lassen. In Paris wurden die Noten dann auf einen Güterzug in Richtung Bern umgeladen. Die Scheine reisten also als Gast des Roten Kreuzes, und das – wie den Akten der SNB zu entnehmen ist – sogar noch besonders preiswert: Je Serie zu 100.000 Noten betrugen die Transportkosten auf dieser Reise 500 bis 650 Franken, während für die vorherigen Transporte allein bis Lissabon pro Serie Kosten in Höhe von 2.700 bis 2.800 Franken angefallen waren.


Reiste mit einem Zug der Roten Kreuzes quer durch Frankreich in die Schweiz:

100-Franken-Note mit Ausgabedatum 23. März 1944, Kontrollnummer 13D 096046.


Am 8 Mai 1945 endete der Zweite Weltkrieg. Die Schweiz hatte ihre politische Neutralität bewahren und die SNB die Banknotenversorgung aufrechterhalten können, ohne dazu auf Scheine aus der Notenreserve zurückgreifen zu müssen. Die Transportwege aus London in die Schweiz begannen sich zu normalisieren, auch wenn Frachtraum zunächst weiter knapp blieb. Die SNB blieb Waterlow & Sons als Notendruckerei treu. Auch den Druck der höheren Wertstufen der ab 1957 ausgegeben 5. Serie vertraute man englischen Druckereien an.

Erst seit der Ausgabe der 7. Emission ab Oktober 1976 werden alle Schweizer Banknoten von Orell Füssli in der Schweiz gedruckt.


Dr. Sven Gerhard


Anmerkungen

[1] Es handelte sich laut Packliste um die 50-Frankennoten der Serien 9T bis 9V und die 100-Frankennoten der Serien 9P bis 9R.

[2] 50-Frankennoten der Serien 9W bis 10A.

[3] Richter/Kunzmann RS9, Pick 42. Im Dezember 1942 dachte das I. Department der SNB sogar über die Einführung einer im Offsetdruck hergestellten 50-Frankennote nach, um eine ausreichende Notenreserve verfügbar zu haben. Da Orell Füssli mit einem Entwurf auf sich warten ließ, zog man man die Beauftragung einer anderen Druckerei in Betracht und schloss dabei auch nicht aus, die Noten in Deutschland drucken zu lassen, was nach Einspruch des

II. Departments wieder verworfen wurde. Tatsächlich konnte ein erster Entwurf von Hans Erni erst im November 1943 vorgelegt werden.

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