Im Sommer 1945 warfen fast täglich US-amerikanische Flugzeuge über Japan Propaganda-Flugblätter ab. Wie man aus Geheimdienstberichten wusste, wurden diese Flugblätter wegen der großen abgeworfenen Menge von der japanischen Bevölkerung immer weniger zur Kenntnis genommen. Daher suchte man nach Wegen, erneut Aufmerksamkeit zu erregen.
Die Idee bestand darin, Geld vom Himmel regnen zu lassen. Wer könnte dem schon widerstehen und es nicht aufheben? Das Military Intelligence Hawaiian Department unter Oberstleutnant Richardson erhielt den Auftrag, die Vorderseite der aktuellen 10-Yen-Note zu reproduzieren und die freien Rückseiten mit Propaganda-Texten zu versehen. Ziel dieser Aktion war es, Ressentiments in der japanischen Bevölkerung gegen die gegenwärtige japanische Regierung zu erzeugen und Unzufriedenheit zu schüren.
Die 10-Yen-Note der Bank von Japan ist 142 x 81 mm groß und gelangte ab 21. Mai 1930 in Umlauf. Von späteren Auflagen unterscheidet sie sich durch die sieben Schriftzeichen, die mittig am oberen Rand der Vorderseite angebracht sind und den Schein als konvertible Note der Bank von Japan identifizieren. Die rechte Hälfte nimmt das Brustbild des japanischen Beamten Wake no Kiyomaro (和気清麻呂; * 733–799 in Kioto) ein, der im Jahr 769 die Thronbesteigung des buddhistischen Mönchs Dōkyō verhinderte – nach der Meiji-Restauration wurde Dōkyō gemeinsam mit zwei weiteren Persönlichkeiten der japanischen Geschichte als die Drei Bösen Japans bezeichnet, da sie gegen das Kaisertum intrigiert hatten. Die Rückseite zeigt die Haupthalle des Goō-Schreins in Kioto, in dem Wake no Kiyomaro verehrt wird.
Abb. 1: Bank of Japan, o. D. (1930), 10 Yen, Vorder- und Rückseite.
Abb. 2: Gemeinsame Vorderseite der Propagandanote.
Die Vorderseite der Propaganda-Note, die als Lithografie produziert wurde, weist die gleichen Maße wie das Original auf und ist eine sehr gelungene Nachahmung. Einziger auffälliger Unterschied ist die Farbe des Stempels des Generaldirektors der Bank von Japan, in Rot auf echten Scheinen und beim Nachdruck in Braun, der gleichen Farbe wie der Unterdruck.
Alle Propaganda-Scheine tragen die Nummer 450941 und die Blocknummer 1124. Insgesamt wurden Noten mit vier verschiedenen rückseitigen Propaganda-Texten gedruckt.
Jede Ausgabe ist mit einer Code-Nummer in der rechten oberen bzw. unteren Ecke gekennzeichnet: 2009, 2016, 2017 und 2034.
Die Botschaft des Scheins mit der Code-Nummer 2009 fordert die Japaner auf, die Steuern mit diesem Schein zu bezahlen. Die Übersetzung des Propaganda-Aufdrucks lautet:
„Zahlt mit diesem Geld Ihre Steuern. Die Militärclique (gunbatsu) verschleudert Euer Steuergeld. Das Militär vergeudet für diesen Krieg eine Unsumme von 5000 Yen pro Person. Je länger der Krieg dauert – sei es auch nur ein Tag –, umso mehr verprassen die Militaristen von Eurem Geld.“[1]
Abb. 3: Rückseite der Propagandanote mit der Code-Nummer 2009.
Der Schein mit dem Code 2016 wendet sich an Fabrikarbeiter. Es war bekannt, dass die Familien von Soldaten und Offizieren besondere Privilegien bei rationierten Waren genossen. Dies nutzten die Propagandisten bei der Abfassung des Rückseitentextes, um Unzufriedenheit unter den Arbeitern zu erzeugen:
„Fabrikarbeiter! Bis jetzt haben Sie eine Menge Geld verdient. Aber was nützt es Ihnen? Dieser Schein steht einem 10-Yen-Schein in der Kaufkraft um nicht viel nach. Diejenigen, die sich mit aller Kraft für die Produktion von Kriegswaffen einsetzen, sind nichts anderes als Soldaten. Sie sind Soldaten der Produktion. Aber können Sie ausreichend Reis oder Bier kaufen? Sind auch Sie in der Lage, Sonderrationen zu erwerben, wie sie die Soldaten und deren Familien kaufen können?“
Abb. 4: Rückseite der Propagandanote mit der Code-Nummer 2016.
Auch in Japan zeichnete die Bevölkerung Kriegsanleihen, deren Wert im Schein mit dem Code 2017 angezweifelt wird. Die Übersetzung lautet:
„An das japanische Volk. Was nützt das Geld in der Bank oder die Anleihen? Wir empfehlen Ihnen, Waren des täglichen Bedarfs und solche, die Sie in der Zukunft brauchen werden, zu kaufen, weil die Waren knapp werden. Wegen der Luftangriffe werden viele Geschäfte bald ihre Türen schließen, während andere nur für begrenzte Zeit geöffnet sein werden. In diesen schwierigen Zeiten empfehlen wir Ihnen, Lebensmittel, Kleidung und Güter des täglichen Bedarfs zu kaufen. Geld allein kann den Hunger nicht stillen oder Sie kleiden. Anleihen werden Ihr Kind nicht vom Weinen abhalten. Wenn Sie umsichtig sind, werden Sie Waren kaufen, anstatt Ihr Geld zu deponieren. Dies ist die Zeit des Kaufs von Waren.“
Anmerkung der Redaktion
Natürlich machten sich die US-Militärs nicht wirklich Sorgen darum, ob die Japaner auch genügend zu Essen oder an Bekleidung hatten. Mit diesem Aufruf sollte vielmehr ganz gezielt ein Kaufrausch ausgelöst werden, der zwangsläufig zu Versorgungsengpässen und damit zu wachsender Unzufriedenheit und Verunsicherung in der japanischen Bevölkerung führen sollte. Sämtliche Propaganda war natürlich Teil der sog. "Psychologischen Kriegsführung", die bereits im Ersten Weltkrieg praktiziert wurde.
Der letzte Schein, der hier vorgestellt wird, hat den Code 2034 und zeigt anhand von Beispielen die inflationistischen Tendenzen in der Wirtschaft auf:
„Bevor die Militärclique den Krieg in China begann, konnte man 1930 die folgenden Waren um 10 Yen kaufen:
• 2 to 5 shō [etwa 45 l] guten Reis
• oder Stoff für 8 Sommerkimonos
• oder 4 hyō [Menge je Sack regional unterschiedlich] Holzkohle.
Im Jahr 1937, nach dem Beginn des China-Zwischenfalls, konnte man mit 10 Yen die folgenden Waren kaufen:
• 2 to 5 shō Reis minderer Qualität
• oder Stoff für 5 Sommerkimonos
• oder zwei hyō Holzkohle.
Heute, nachdem Ihr drei Jahre lang einen aussichtslosen Krieg mit der größten Weltmacht geführt habt, kann man mit 10 Yen Folgendes kaufen:
• 1 shō 2 gō [etwa 2,165 l] Reis von guter Qualität auf dem Schwarzmarkt
• eine kleine Menge Holzkohle (wenn man sie bekommen kann)
• Baumwollstoff: nichts.
Dies sind die Ergebnisse der gemeinsamen Wohlstandssphäre, von der Eure Führer reden!“
Abb. 5: Rückseite der Propagandanote mit der Code-Nummer 2034.
Als die US-Militärbehörde nach dem Krieg japanische Führungskräfte interviewte, wurde ihnen von diesen berichtet, dass diese Kriegspropaganda recht erfolgreich war.
Uwe Bronnert
Abb. 1: Hartmut Fraunhoffer (www.banknoten.de)
Abb. 2–5: Uwe Bronnert
[1] Die Übersetzungen folgen US-amerikanischen Übersetzungen: Gregory Hale, The Collector’s Guide to Japanese Invasion Money, Second Edition, Albany Creek Qld. 2019, S. 16. SGM Herbert A. Friedman (Ret.), WWII Allied Propaganda Banknotes (30.03.2021).
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