Anmerkungen zu den III. Weltfestspielen der Jugend und Studenten in Ost-Berlin 1951 Nach den verheerenden Zerstörungen des Zweiten Weltkrieges sehnte sich die Bevölkerung nach einem friedlichen Miteinander der Völker. Am 10. November 1945 beschlossen in London die meist kommunistisch ausgerichteten Jugendverbände, die im „Weltbund der Demokratischen Jugend“ (WBDJ) zusammengeschlossen waren, Weltjugendtreffen ins Leben zu rufen. Diese Weltfestspiele, bei denen sich Jugendliche aus den verschiedensten Ländern trafen, sollten der internationalen Freundschaft und Völkerverständigung dienen und einen wichtigen Beitrag zum Wiederaufbau leisten.
Die ersten Weltfestspiele der Jugend und Studenten mit 17.000 Teilnehmern aus 71 Staaten fand 1947 in Prag statt. 1949 kamen 10.400 Teilnehmer nach Budapest; zu den
III. Weltfestspielen nach Ost-Berlin 26.000. Bei der Eröffnungsveranstaltung marschierten am
5. August 1951 Vertreter aus 104 Staaten in das 1950 eröffnete Walter-Ulbricht-Stadion (später Stadion der Weltjugend) in der Wuhlheide. Die propagandistische Ausrichtung der Veranstaltung wurde schnell klar, als DDR-Präsident Wilhelm Pick und FDJ[1]-Vorsitzender Erich Honecker in ihrer Begrüßung „Es lebe der Führer und Bannerträger des Friedens in der Welt, der Lehrmeister der Jugend aller Länder, unser geliebter Josef Stalin“ ausriefen.
Die Westdeutsche FDJ[i] und das „Westdeutsche Komitee zur Vorbereitung der Weltfestspiele“ rührten kräftig die Werbetrommel für die Ost-Berliner Veranstaltung.
Aus dieser Zeit stammt die hier vorgestellte Blüte des Komitees, deren Vorderseite die Rückseite der Note der Bank deutscher Länder zu 20 Deutsche Mark (WBZ-6) von 1948 zum Vorbild hat, während die andere Seite der Anmeldung zu den Weltfestspielen dient. Gedruckt wurde der 148 x 70 mm große Schein von „Nölting’s Druckerei Hamburg 35“. Interessant ist, wer für das Komitee als Präsident verantwortlich zeichnete: Manfred von Brauchitsch.
2. Tagung des Internationalen Festkommitees für die III. Weltfestspiele,
Großkundgebung in der Werner-Seelenbinder-Halle in Berlin am 21. Mai 1951.
Blick auf das Präsidium. In der Mitte Manfred von Brauchitsch.
Blüte zu 20 DM, o. D. (1948), Banknotenabbildung auf der Vorderseite und Anmeldung zu den III. Weltfestspielen auf der Rückseite.
Manfred Georg Rudolf von Brauchitsch (* 15. August 1905 in Hamburg; † 5. Februar 2003 in Schleiz) entstammt einem alten schlesischen Adelsgeschlecht. Nach dem Abitur trat er in Berlin-Spandau dem Freikorps „Brigade Erhardt“ bei und wurde 1924 in die Reichswehr übernommen. Nach einem schweren Motorradunfall verließ er 1928 das Militär als Fähnrich. Nach seiner Genesung wurde er Rennfahrer, zunächst als Privatfahrer und ab 1933 als Werksfahrer von Mercedes-Benz, mit deren Silberpfeilen er einige beeindruckende Siege errang, die seinen Ruhm begründeten. 1940 bis 1943 war er persönlicher Referent von Junkers-Chef Dr. Koppenberg und bekleidete den Rang eines Sturmführers beim Nationalsozialistischen Kraftfahrkorps (NSKK). 1944 wechselte er als Referent ins Reichsministerium für Rüstung und Kriegsproduktion, dessen Chef Albert Speer war.
Nach dem Krieg siedelte er an den Starnberger See. 1948 wurde er Sportpräsident des wieder gegründeten AvD (Automobilclub von Deutschland). 1949 versuchte er sich in Argentinien nochmals als Rennfahrer, vermochte aber nicht an seine Vorkriegserfolge anzuknüpfen, sodass er im März 1950 wieder nach Deutschland zurückkehrte. Der mittellose von Brauchitsch traf sich in der Folgezeit mehrfach mit Walter Ulbricht und ließ sich im März 1951 zum Präsidenten des „Westdeutschen Komitees zur Vorbereitung der Weltfestspiele“ und 1952 zum Präsidenten des „Westdeutschen Komitees für Einheit und Freiheit im Deutschen Sport“ wählen. Nachdem seine Autobiographie in einem Ost-Berliner Verlag erschienen war, wurde der westdeutsche Staatsschutz auf ihn aufmerksam und stellte Ermittlungen über das Sport-Komitee an. Im Mai 1953 wurde von Brauchitsch verhaftet und wegen Vorbereitung zum Hochverrat, Geheimbündelei und Staatsgefährdung angeklagt. Ende 1954 flüchtete er in die DDR, wo er bis 1960 als Sportfunktionär wirkte.[3]
III. Weltfestspiele der Jugend und Studenten in Ost-Berlin 1951, Stadion in der Wuhlheide.
Sondermarken der Deutschen Post der DDR zu den III. Weltfestspielen der Jugend
und Studenten in Ost-Berlin 1951.
III. Weltfestspiele der Jugend und Studenten in Berlin 1951, große Demonstration
der jungen Friedenskämpfer Deutschlands am 12. August 1951 in Ost-Berlin.
III. Weltfestspiele der Jugend und Studenten in Berlin 1951, große Demonstration
der jungen Friedenskämpfer Deutschlands am 12. August 1951 in Ost-Berlin.
Auf dem Spruchband: "Stalin – der größte Freund des deutschen Volkes".
Die Anfangsjahre der Bundesrepublik stehen nicht nur für das Wirtschaftswunder.
Die veränderte politische Großwetterlage in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg führte zu einer Integration der Bundesrepublik in das westliche Bündnissystem und zu einer konsequenten Abgrenzung zum Osten. Die Ära Adenauer war durch einen strengen Antikommunismus gekennzeichnet. Dies änderte sich erst mit der sozialliberalen Koalition Ende der 1960er Jahre. Der folgende Auszug aus der Niederschrift einer Lehrerkonferenz der Berufsschule Wissen vom 9. Juli 1951 spricht eine deutliche Sprache:
„Weltjugendspiele im August 1951: Hierzu führte Herr Direktor Thiel aus, dass die Weltjugendspiele zahlreiche Ausländer, Teilnehmer aus den Westzonen und besonders die Jugend aus der Ostzone erwarten. – Zweifellos stünden große sportliche Ereignisse auf dem Programm, die aber in Wahrheit nicht den edlen, sportlichen Wettstreit verkörpern sollen, sondern die nur das Täuschungsmanöver für eine groß angelegte kommunistische Demonstration sei, die zur Verbolschewierung der Jugend beitragen solle. – Die Ostzone bemüht sich leider, so bemerkte der Herr Vorsitzende, in den Westzonen für diese Festspiele Stimmung zu machen, um die West-Jugend zu veranlassen, an dieser Demonstration teilzunehmen. – Die Damen und Herren des Kollegiums werden gebeten, in ihren Klassen festzustellen, ob bei den Schülern ein Interesse für diese Festspiele geweckt wurde. Gegebenenfalls sollen die Festspiele mit ihren wahren Hintergründen aufklärend besprochen werden. Briefpropaganda für die U.d.S.S.R. und die Ostzone: Das Kultusministerium gibt dazu bekannt, dass Propagandabriefe nicht zu beantworten seien. – Der Herr Direktor hat das Büchlein ‚Recht und Ehre’ in Händen, das auf gleiche Weise in die Westzone gelangte.
Er führt dazu aus, dass es unter dem Namen eines Nürnberger Verlags erschienen sei, dass es bei Betrachtung der ersten Seiten durchaus den Eindruck eines in Westdeutschland veröffentlichten Schriftstückes mache, jedoch im Inneren der Schrift die Hetze der Ostzone gegen den Westen offenbare. – Man könne an diesen Tatsachen nicht vorübergehen, ohne sich ernste Gedanken gemacht zu haben, unterstrich Herr Direktor Thiel. – In diesem Zusammenhang wies er auf die kürzlich in Dortmund stattgefundene Demonstration der kommunistischen Jugend hin, die mit Polizeigewalt auseinander getrieben wurde. Ferner sagte er, dass die Jugend noch nicht die Fähigkeit habe, eine objektive Beurteilung der Verhältnisse zu erwägen. Vielmehr müssten die Lehrerschaft und die Erziehungsberechtigten hier beratend und aufklärend wirken.“[4]
Die Bundesbehörden be- und verhinderten nicht nur die Ausreise teilnahmewilliger Jugendlicher, sondern bedrohten auch westdeutsche Transportunternehmen, die die Aktionen der verbotenen West-FDJ unterstützten. Bis zum 28. Juli 1951 wurden über 6.000 FDJ-ler an der Zonengrenze zurückgewiesen. In Niedersachsen wurden allein 11.000 Polizeibeamte in Alarmbereitschaft versetzt. US-Behörden hinderten den Sänger, Schauspieler und Bürgerrechtler Paul Robeson daran, nach Ost-Berlin zu reisen. Die britische Labour-Party verbot ihren jungen Mitgliedern unter Androhung des Parteiausschlusses die Teilnahme an den Weltfestspielen. Dennoch nahmen an den 14-tägigen Sport- und Kulturveranstaltungen nicht nur die 26.000 Delegierten teil, sondern nach DDR-Angaben auch zwei Millionen Jugendliche aus beiden Teilen Deutschlands.
Der Regierende Bürgermeister von (West-) Berlin Ernst Reuter lud die Festivalteilnehmer zu einem Besuch der Westsektoren ein. Trotz zeitweiliger Sperrung der S- und U-Bahnverbindungen nutzten Tausende junger Leute die Gelegenheit.[5] Besatzungsmächte, Wohlfahrtsorganisationen und Firmen verteilten 750.000 Bücher, Zeitungen und Broschüren und 170.000 Freikarten für Kino- und Theaterbesuche. Zusätzlich wurde kostenlose Verpflegung ausgegeben, die die Gäste wegen der Versorgungsengpässe im Ostsektor gern annahmen.
Der SED war der Besuch der Westsektoren natürlich ein Dorn im Auge. Daher ließ am
15. August FDJ-Vorsitzender Erich Honecker mehrere Agitationszüge mit jeweils fünf- bis zehntausend Jugendlichen nach West-Berlin marschieren. Parolen skandierend und Flugblätter verteilend zog man durch die Bezirke Wedding, Kreuzberg und Neukölln, wo es zu Straßenschlachten mit der West-Berliner Polizei kam. Fast 1000 junge Leute wurden bei den Zusammenstößen verletzt. Unter ihnen auch elf Polizisten. Gegen 47 der 162 Festgenommenen erging Haftbefehlt. Auch wenn die DDR-Regierung das „gefährliche, jugendfeindliche und militaristische Verhalten“ der West-Berliner propagandistisch ausschlachtete, pfiff sie Honecker und die FDJ-Führung zurück, da es nicht im Interesse der SED und der sowjetischen Außenpolitik sei, unter den Alliierten in Berlin einen derartigen Konflikt zu schüren.[6]
Am 19. August 1951 endeten die Weltfestspiele mit einer großen Abschlusskundgebung. „Eine Million junger Menschen, Abgesandte der Jugend der Welt, … [schworen] feierlich .., alle Kräfte im Kampf einzusetzen, um einen neuen Krieg zu verhindern, gegen das Wettrüsten anzukämpfen und für die Verbesserung der Lebensbedingungen der Jugend einzutreten."[7]
Uwe Bronnert
Anmerkungen
Die Überschrift lehnt sich an eine Textzeile der Festival-Hymne der III. Weltfestspiele (Im August blühn die Rosen) von Armin Müller (Text) und Günter Friedrich (Musik) an.
In der 1. Strophe heißt es:
"Lasst heiße Tage im Sommer sein! Im August, im August blühn die Rosen! Die Jugend der Welt kehrt zu Gast bei uns ein, und der Friede wird gut und uns näher sein! Im August, im August blühn die Rosen!"
Fotos: Bundesarchiv.
[1] Die Freie Deutsche Jugend (FDJ) ist ein kommunistischer Jugendverband. In der DDR war sie eine staatlich anerkannte und geförderte Jugendorganisation und als Massenorganisation Teil eines parallelen Erziehungssystems zur Schule. Die FDJ ist Mitglied im Weltbund der Demokratischen Jugend und im Internationalen Studentenbund. Nach dem Ende der DDR versank sie in die politische Bedeutungslosigkeit. (Wikipedia)
[2] Die FDJ in Westdeutschland wurde am 24. April 1951 als verfassungswidrige Organisation verboten. Diese Entscheidung wurde dann drei Jahre später vom Bundesverfassungsgericht bestätigt. Heute kann die FDJ legal operieren.
[3] Vgl. <https://www.bundesstiftung-aufarbeitung.de/de/recherche/kataloge-datenbanken/biographische-datenbanken/manfred-von-brauchitsch> (14.03.2024)
[4] Uwe Bronnert, Geschichte der Berufsbildenden Schule Wissen, 1969 – 2019, Aus Anlass der Einweihung des Schulgebäudes in der Hachenburger Straße vor fünfzig Jahren, Wissen 2019, S. 44.
[5] Bis zum Mauerbau im August 1961 waren die Sektorengrenzen durchlässig.
[6] So der Historiker Stefan Wolle, wissenschaftlicher Leiter des DDR-Museums in Berlin.
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