Am 31. Dezember 1937 wandte sich das Reichsbankdirektorium an den Reichsminister der Finanzen mit der Bitte zu prüfen, ob es sich bei den beigefügten gezogenen Schecks der Norddeutschen Lloyd um Notgeld im Sinne der Verordnung vom 30. Oktober 1931 (RGBl. I S. 669) handele. Dem Schreiben waren Kopien des Berichtes der Reichsbankhauptstelle Bremen vom 11. Dezember 1937, eine Aktennotiz über ein Gespräch mit Vertretern der Reederei, ein Rundschreiben an die „Gefolgschaftsmitglieder der Fahrgastschiffe“ vom November sowie eine Anzeige vom 3. Dezember in der Nordwestdeutschen Zeitung beigefügt.
Vorausgegangen war eine Meldung der Reichsbanknebenstelle Wesermünde an die Reichsbankhauptstelle Bremen, die auf den 6. Dezember 1937 datiert ist. Darin berichtet diese, dass der Norddeutsche Lloyd seit dem 19. November die Heuer des Bordpersonals seiner Dampfer mit Schecks statt mit Bargeld zahle. Bei diesen Lohnschecks handele es sich um Einheitsscheckvordrucke des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes auf die Städtische Sparkasse Bremerhaven, die auf runde, aufgedruckte Beträge von 5, 10, 20 und 50 RM lauten. Diese Formulare habe der Norddeutsche Lloyd im Einvernehmen mit der Städtischen Sparkasse Bremerhaven selbst drucken lassen, wobei der Schecktext zur besseren Unterscheidung bei jedem Wert andersfarbig sei. Beim Scheck über 5 RM grün, bei 10 RM blau, bei 20 RM rot und beim Wert zu 50 RM schwarz. Die Ausstellerunterschrift laute:
Norddeutscher Lloyd Bremen
Geschäftsstelle Bremerhaven
Heuerabrechnungsstelle
Zwei Faksimileunterschriften
Die Beamten der Reichsbanknebenstelle schätzten, dass beim Eintreffen der großen Dampfer „Bremen“ und „Europa“ mehrere Tausend solcher Schecks ausgegeben würden. Den Gesamtbetrag bezifferten sie dabei auf 50.000 bis 70.000 RM. Bei Ankunft der Ostasiendampfer „Potsdam“, „Scharnhorst“ und „Gneisenau“ wären die Zahlen etwas weniger.
Nicht alle Schecks würden unmittelbar von den am Hafen liegenden Nebenstellen der Städtischen Sparkasse Bremerhaven bzw. den anderen Banken am Ort eingelöst.
Ein großer Teil der Schecks gelange bei Einkäufen und Gaststättenbesuchen in den Zahlungsverkehr und gingen von dort ziemlich lange von Hand zu Hand, bevor sie eingelöst würden. Daher stelle sich die Frage, ob die (Lohn)schecks als Notgeld anzusehen seien.
Nach § 1 Abs. 2 der „Verordnung über Notgeld“ vom 30. Oktober 1931 (RGBl. I S. 669) galten Schecks als Notgeld, wenn sie „bestimmt oder geeignet sind im Verkehr als Zahlungsmittel verwendet zu werden und durch Ausfüllen von Vordrucken ausgestellt werden, wenn in den Vordrucken bereits im Zeitpunkt der Ausgabe ein bestimmter oder bestimmbarer Geldbetrag … angegeben ist.“ Diese Merkmale trafen sicherlich auf die „Lohnschecks“ des Norddeutschen Lloyds zu: Sie waren Inhaberpapiere, konnten, da sie auf keine bestimmte Person ausgestellt waren, ohne Weiteres wie Papiergeld weitergegeben und auch von jeder Person eingelöst werden; sie lauteten auf feste Beträge, die zudem mit den Nominalen der Banknoten übereinstimmten; und schließlich wirkten sie durch die faksimilierten Unterschriften auf den Besitzer wie Ersatzgeld. Letzteres tritt umso deutlicher hervor, vergleicht man sie mit den Notgeldschecks der Städtischen Sparkasse aus dem Jahr 1918. Ihre Ähnlichkeit ist frappierend.
Einen zweiten Punkt bemängelte die Reichsbanknebenstelle, nämlich dass sämtliche Geschäftsstellen der Städtische Sparkasse an den Ankunftstagen der großen Dampfer ihre Schalter zwei Stunden länger – bis 19 Uhr – geöffnet hätten, ohne hierfür die Erlaubnis des Reichskommissars für das Kreditwesen eingeholt zu haben. Es sei anzunehmen, dass sich die Sparkasse durch die längere Öffnungszeit einen Wettbewerbsvorteil erhoffe, zumal die übrigen Banken in Bremerhaven keine Notwendigkeit für verlängerte Öffnungszeiten sähen.
Der Aktennotiz zum Gespräch mit Reederei-Vertretern am 8. Dezember 1937 ist weiter zu entnehmen, dass man nicht nur mit der Städtischen Sparkasse Bremerhaven sondern auch mit der Dresdner Bank und der Norddeutschen Kreditbank übereingekommen war, entsprechende Lohnschecks auszustellen. Vorgetragene Bedenken der Reederei, dass die nicht handschriftlich – sondern mit Faksimile – unterzeichneten Schecks als Notgeld angesehen werden könnten, zerstreute die Städtische Sparkasse nach Rücksprache mit dem Giroverband und auch Vertreter der beiden Kreditinstitute sahen hierin keinen Hinderungsgrund für eine Ausgabe. An dieser Stelle ist noch anzumerken, dass sich in der Akte des Bundesarchivs nichts Weiters zu einer Beteiligung der beiden Banken an der Scheckemission finden lässt. Es ist daher anzunehmen, dass die Herstellung und Ausgabe dieser Scheck unterblieben.
Die Reederei betonte, dass man zur Scheckausgabe nur deshalb geschritten sei, weil die Zollbehörde die Devisenkontrolle in Bremerhaven vom Schiff an den Schiffssteg verlegt habe. Dadurch sei eine Heuerzahlung an Bord in „Noten und Silber“ unmöglich geworden. Die deutschen Devisenbestimmungen würden weder die Ein- noch Ausfuhr von Reichsbanknoten erlauben und bei Münzen sei der Betrag auf 10 Reichsmark beschränkt.
Das Schreiben der Reichsbanknebenstelle enthält auch einen Hinweis darauf, warum der Zoll die devisenrechtliche Kontrolle geändert hatte. „Die Maßnahme hat in erster Linie den Zweck, dem Bordpersonal die verbotene Verbringung deutschen Geldes aus dem Auslande in das Zollinland unter dem Vorwande, daß es sich um eben empfangene Löhne handele, unmöglich zu machen. Das Zollamt wiederum ist verschiedentlich von uns vertraulich gebeten worden, die Herkunft eingezahlter 1000 RM-Scheine nachzuprüfen.
Die angestellten Ermittlungen der Zollfahndungsstelle haben dann ergeben, daß einige Scheine letzten Endes von Stewards des Norddeutschen Lloyds stammten. Es konnte jedoch nicht der Beweis geführt werden, daß die Scheine unrechtmäßigerweise aus dem Auslande eingeführt worden waren.“
Da die Reederei ein Verbot der Schecks befürchtete, reiste Anfang Januar 1938 ein Vorstandsmitglied des Unternehmens, Dr. Kulenkampff, zu einem Gespräch mit dem zuständigen Beamten im Reichsfinanzministerium nach Berlin, das jedoch nur teilweise Erfolg hatte. Zwar wurden die Schecks als Notgeld angesehen, jedoch wurde „mit Rücksicht auf die Schwierigkeiten, die die Umstellung des Lohnzahlungsverfahrens mit sich bringt, und in der Erwägung, daß der Norddeutsche Lloyd ein anderes Verfahren nicht ohne weiteres durchführen kann, … von einer sofortigen Einziehung und Beschlagnahme der Scheckvordrucke und der noch umlaufenden Schecks ab[gesehen].“
Der Oberfinanzpräsident Weser-Ems in Bremen wurde angewiesen, eine anderweitige Zahlungsregelung binnen kürzester Frist in die Wege zu leiten.
Das Schreiben des berichterstattenden Regierungsassessor Dr. Lietz vom 10. Februar 1938 an den Herrn Reichsminister der Finanzen macht die ganze Misere deutlich, in der sich die Reederei bei Ankunft der großen Fahrgastschiffe „Europa“, „Bremen“ und „Columbus“ befand. Bis zu 1000 Besatzungsmitglieder je Schiff sollten nun nach Überschreiten der Zollausschlussgrenze ihre Heuer bar erhalten, was natürlich mit einem erheblichen Zeitaufwand verbunden wäre. Die Reederei befürchtete dadurch untragbare Störungen des Schiffsbetriebs. Unter Zurückstellung aller Bedenken erklärte sie sich schließlich bereit, die Heuerzahlungen für die Angestellten der oben genannten Fahrgastschiffe an Land hinter die Zollausschlussgrenze zu verlegen. Das neue Verfahren sollte erstmalig am 18. d. Mts. bei der Ankunft der „Bremen“ angewandt werden. Die übrigen Bremerhaven anlaufenden Schiffe des Norddeutschen Lloyd, die etwa der Größenklasse der in Hamburg verkehrenden Schiffe entsprachen, sollten dagegen weiterhin gemäß dem sonst üblichen Verfahren nach Ankunft und vor Abfahrt devisenrechtlich behandelt werden. Damit erübrigte sich die weitere Verwendung der Lohnschecks.
Ministerialrat Bayrhoffer untersagte daraufhin mit Schreiben vom 1. März 1938 dem Norddeutschen Lloyd die weitere Verwendung der Schecks. Ferner ordnete er die umgehende Vernichtung der noch vorrätigen Scheckvordrucke sowie den beschleunigten Einzug der noch im Umlauf befindlichen Schecks an. Bis zum 1. April 1938 hatte die Reederei über den Stand der Dinge zu berichten.
Dies geschah mit Schreiben vom 31. März 1938. Danach waren nach dem 15. Februar keine Schecks mehr ausgestellt worden. Die noch vorhandenen Scheckformulare hatte die Städtische Sparkasse Bremerhaven vernichtet und 41 Schecks über zusammen 880 RM waren noch nicht eingelöst. Auf eine weiter Anfrage des Reichsfinanzministeriums teilte die Reederei am 22. Juni 1938 mit, dass
7 Schecks á RM 20,- = RM 140,-
2 Schecks á RM 10,- = RM 20,-
10 Schecks á RM 5,- = RM 50,-
zusammen: RM 210,-
noch ausstünden. Ob diese später noch eingelöst wurden, ist aus den Akten nicht zu entnehmen. Auch ist mir nicht bekannt, ob außer den Schecks im Bundesarchiv noch weitere Exemplare die Zeit überlebt haben.
Quelle:
Der Abhandlung liegen die Akten des Bundesarchiv Berlin, Bestand R2/14667, Bl. 0003 – 0027 zugrunde. Dies gilt auch für Abbildungen 1 – 8.
Uwe Bronnert
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