Der Versuch, ein Sammelgebiet noch attraktiver zu machen
Wie es dazu kam:
Inspiriert und vor allem fasziniert war ich von den Artikeln des Herrn Lienhard Buck im damaligen „Der Geldscheinsammler“ 1997 über die Churfürstlich Sächsischen Cassen=Billets des Jahres 1772. Hier wurde der Entstehungsvorgang des ersten sächsischen Papiergelds in anschaulicher und spannender Art und Weise vom Autor geschildert. Auch sehr schöne Abbildungen der beschriebenen Scheine waren vorhanden, wenngleich nur in gebrauchtem Erhaltungszustand.
Da ich mich schon immer für grafisch-künstlerische Erzeugnisse und vor allem für alte Banknoten interessiert habe, kam in mir das Verlangen auf, selbst solch einen Schein mal in der Hand zu halten. Allerdings existieren ja bekanntlich nur sehr wenige Originale und diese sind natürlich auch sehr teuer.
Bemerkenswert sind auch die verschiedenen Schriftarten, die sich auf diesen Banknoten befinden. Sich mit historischen Schriftarten zu beschäftigen und diese auch selbst schreiben zu können, ist ebenfalls recht interessant.
Die handschriftlichen Unterschriften sehen künstlerisch gelungen aus und wurden wahrscheinlich mit einem Gänsekiel geschrieben.
Da die beiden höchsten Nennwerte zu 50 und 100 Reichsthalern offenbar nirgends mehr als Originale verfügbar sind und auch keine diesbezüglichen Abbildungen existieren, habe ich versucht, diese in ähnlicher Gestaltung auferstehen zu lassen.
Nachdem ich die fehlenden Werte von 50 und 100 Reichsthalern in stark vergrößerter Form nach Beschreibungen im Artikel des Herrn Buck nachempfunden habe, konnte ich mir diese dann auch in der verkleinerten Form in Originalgröße ausdrucken. Vor allem in einer Qualität, die man heute wahrscheinlich als kassenfrisch oder bankfrisch bezeichnen würde. Ich wollte einfach den Zustand der Scheine nachempfinden, der ungefähr dem entsprach, als diese damals in Umlauf gesetzt worden sind.
Die stark vergrößerte Handzeichnung der Scheine ist notwendig, da die Details so viel besser erkennbar gemacht werden können. Eine anschließende Verkleinerung des Drucks auf Originalgröße bedeutet dann auch meistens den Erhalt einer sehr guten Abbildungsqualität. Ein nachempfundenes Wasserzeichen wurde mit Wasserzeichentinte und einem selbst hergestellten Gummistempel in der Mitte des Formats aufgebracht. Wenn man die Note gegen das Licht hält, erscheinen die Buchstaben „CSCB“ in einem Oval. Es ist nicht mit einem echten Wasserzeichen zu verwechseln, welches ja gleich in der Papierherstellung mit einfließt.
Nun fehlte noch die auf jeden Fall aufzubringende Kennzeichnung als Kopie oder Reproduktion, um auch dem Laien unter den Sammlern eindeutig klar zu machen, dass es sich um kein Original handelt (siehe hierzu noch Hinweise am Ende des Artikels).
In meinem speziellen Fall würde am ehesten das Wort "Rekonstruktion" mit der zugehörigen Jahreszahl zutreffender sein.
Die weiteren noch von mir hergestellten Drucke anderer altdeutscher Geldscheine sind eigentlich nur Versuchsmuster bzw. Proben, um die Brauchbarkeit dieser grafischen Aufbereitungstechnik für die Rekonstruktion seltener und fast bis zur Unkenntlichkeit zerschlissener Geldscheine altdeutscher Staaten anwenden zu können. Es geht also nicht um die quantitative und kommerzielle Herstellung von Kopien des Ist-Zustands, von denen ohnehin recht viele bereits angeboten werden. Es geht mir vielmehr um die Wiederherstellung – ja Rettung – des grafischen Erscheinungsbildes, den Versuch also, eine Banknote als grafisches Kleinkunstwerk wieder mit Leben zu erfüllen.
Als ich einen wirklich sehr abgegriffenen, verschmutzten und in der Mitte geteilten Talerschein zu einem für mich erschwinglichen Preis erwerben konnte, habe ich diese Technik der "Erneuerung" angewendet (siehe Abb.).
Der Geldschein wurde um das Mehrfache seines Formates vergrößert. Anschließend wurde die stark vergrößerte Grafik mit Hilfe von Tusche-Zeichengeräten mit schwarzer Tusche auf ein Transparentpapier zeichnerisch übertragen. Hierbei kommt es insbesondere darauf an, die kaum mehr sichtbaren Teile zeichnerisch zu ersetzen und eventuell fehlende Teile zu ergänzen bzw. zu rekonstruieren. Hierbei sind natürlich die Besonderheiten der ursprünglichen Drucktechniken (Buchdruck oder Tiefdruck) der Originale in der Grafik zu berücksichtigen.
Ich weise auch daraufhin, dass es sich nicht um die Restaurierung eines Originalscheins handelt, dafür gibt es Experten, die spezielle Techniken der Papier-Restaurierung und Ausbesserung von Originalscheinen professionell anbieten können.
Die damalige Herstellungstechnik beinhaltete mitunter auch die Aufbringung eines oder mehrerer Trockenstempel, welche ebenfalls vom Motiv her sehr reizvoll und typisch für einen Schein dieser Zeit sein können. Hier wird eine Matrize aus Holz hergestellt, die das Negativbild des Motivs beinhaltet. Der Holzstempel wird dann mit starkem Druck auf den rekonstruierten Schein gepresst, der auf einer weichen Unterlage liegt. Somit überträgt sich das negative Bild des Holzstempels als positive Abbildung auf das Papier und hinterlässt ein recht gut erkennbares und fühlbares Reliefmotiv.
Am schwierigsten sind natürlich schadhafte Guillochen zu rekonstruieren, da ja bekanntlich hierfür ursprünglich spezielle Maschinen eingesetzt worden sind.
Aber auch das Unterdruckmuster ist oftmals sehr schwach und verschmutzt und dadurch schwer vom Betrachter nachvollziehbar.
Bei fast hoffnungslosen Fällen nur noch zu erahnender Untergrundmuster muss man eben zeichnerisch versuchen zumindest die Ähnlichkeit mit dem Muster herzustellen.
Die Farbe kann dann am Computer dem Original, soweit noch irgendwie erkennbar, nachempfunden werden. Bei der Farbgebung ist meistens auch die Beschreibung des Scheins mit der Fantasie des Gestalters in Übereinstimmung zu bringen, da der Originalschein oftmals kaum noch Farben erkennen lässt. Zum Schluss muss jeder neue Schein noch eine Art Versiegelung erhalten, damit die Farben zumindest wischfest sind.
Nun gibt es natürlich auch Sammler, die Kopien oder Rekonstruktionen jedweder Art ablehnen, da es keine Originalscheine sind und somit der eigentliche Wert nicht mehr gegeben ist.
Ich vergleiche es einfach mal mit historisch bedeutsamen Bauwerken, die zum Teil rekonstruiert oder sogar als Totalersatz in historischer Form wieder aufgebaut worden sind. Hierzu gibt es sicherlich auch unterschiedliche Auffassungen.
Der Sammler, der auf die grafische Schönheit und die Unversehrtheit des Scheins einen gewissen Wert legt, der könnte auch an solch einer Rekonstruktion, die durchaus als Platzhalter für unerreichbare oder nicht mehr existente Originale dienen könnte, Gefallen finden.
Denn Originale in brauchbarer oder sammelwürdiger Form, sind bei altdeutschen Taler- und Guldenscheinen leider recht selten und vor allem sehr teuer.
Um aber all die Sammler von Originalen zu beruhigen, die Bedenken haben, dass die rekonstruierten Scheine als Originale angeboten werden könnten, zähle ich nachfolgende Merkmale der Erkennbarkeit einer Rekonstruktion auf:
Die rekonstruierten Scheine weisen nicht die Sicherheitsmerkmale wie die Originale auf (z.B. kein echtes Wasserzeichen – wird nur aufgedruckt, Papier weicht vom Original ab usw.)
Es erfolgt eine eindeutige und für Jedermann sichtbare Kennzeichnung mit dem Wort „Rekonstruktion“ oder „Reproduktion“ und der entsprechenden Jahreszahl. Hier könnte ich mir vorstellen, dass man sogar mit einer ölhaltigen Stempelfarbe arbeitet.
Der Erhaltungszustand ist mit druckfrisch oder kassenfrisch einzuschätzen. Originale Scheine aus dieser Zeit in diesem Erhaltungszustand sind meines Wissens nicht mehr existent. Wobei selbst sehr gut erhaltene Originale, sollten welche existieren, auch immer altersbedingte Spuren auf dem Papier hinterlassen und sich somit von neuen Scheinen unterscheiden.
Originaler Tiefdruck und Buchdruck sind von modernen Computer-Ausdrucken (egal ob Tintenstrahldrucker oder auch Laserdrucker) zu unterscheiden. Digitaldruck und Offsetdruck sind zum Zeitpunkt der Herstellung der Originale noch nicht bekannt gewesen. Im Tiefdruckverfahren sind die Motive reliefartig fühlbar und beim Buchdruck ist das Motiv auf der Rückseite des Papiers als leichte Vertiefung sichtbar.
Auch die fortlaufende Nummerierung mit einem heutigen Paginier-Stempel wäre als Kennzeichnung der jeweiligen Note denkbar und somit eindeutig als Abweichung vom Original erkennbar.
Abschließend möchte ich nochmals eindeutig darauf hinweisen, dass ich mit meinen Bestrebungen des Nachempfindens und Rekonstruierens dieser alten Geldscheine keine kommerziellen Interessen verfolge. Mein Bestreben ist es vielmehr, Sammlern altdeutscher Geldscheine insbesondere für die künstlerisch–gestalterische Seite in Bezug auf Motivwahl, Komposition und Schriftgestaltung eine Möglichkeit zu geben, die Sammelleidenschaft noch weiter zu entwickeln bzw. Anfängern Mut zu geben, sich diesem Sammelgebiet trotz der eingeschränkten Verfügbarkeit von Originalen, zuzuwenden.
Persönlich könnte ich mir vorstellen, dass bei Nachfragen aus Sammlerkreisen zu Geldscheinen altdeutscher Staaten, die nur noch in sehr schlechtem Erhaltungszustand im Handel angeboten werden können, eine Rekonstruktion durchaus angebracht wäre, um die Schönheit dieser besonderen Kleinkunstwerke auch für die Zukunft in ihrer angedachten gestalterischen Ursprünglichkeit erhalten zu können.
In diesem Zusammenhang möchte ich auch Herrn Hans-Ludwig Grabowski recht herzlichen Dank ausrichten, da er mir stets bereitwillig und kompetent sachgerechte Informationen zur Geldgeschichte der altdeutschen Staaten vermittelt hat. Über eine weitere diesbezügliche Unterstützung würde ich mich sehr freuen.
Beispiele für rekonstruierte altdeutsche Geldscheine
Ullrich Bierbach
Abb. Ullrich Bierbach/Hans-Ludwig Grabowski
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