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AutorenbildElias Heindl

Die schwarzen Jakobiner – Touissant Louverture und die Haitianische Revolution

Aktualisiert: 29. Nov. 2022

Es sollte die größte Sklavenrevolte seit dem Spartakusaufstand fast 1900 Jahre zuvor im Römischen Reich werden. Zwischen 1791 und 1804 hielt die damalige französische Kolonie Saint Domingue die Welt auf beiden Seiten des Atlantiks in Atem: Die haitianische Revolution von 1791 war der einzige Aufstand versklavter Menschen, an dessen Ende die Proklamation eines Staates stand.


Saint-Domingue galt als Modellfall einer karibischen Plantagenökonomie. Hauptsächlich durch die Produktion von Zucker und Kaffee durch Sklavenarbeit war es zur reichsten Übersee-Kolonie Frankreichs geworden. 1789, im Jahr der französischen Revolution, befanden sich bereits über 500.000 verschleppte Afrikaner auf der Insel. Die Plantagenwirtschaft florierte: 60 % des weltweiten Kaffees und 40 % des von Frankreich

und Großbritannien importierten Zuckers kamen aus Saint Domingue.


Karte der Insel Saint Domingue von 1767, links französisches Territorium der Kolonie

St. Domingue (heute Haiti) und rechts spanisches Territorium Santo Domingo (heute Dominikanische Republik).



Die soziale Struktur in der Kolonie war komplex. Zwischen allen Bevölkerungsgruppen herrschte große Missgunst. Die weiße Elite aus Plantagenbesitzern, Händlern und Bürokraten, die sogenannten „grands blancs“, bildete die Oberschicht. Ärmere Weiße („petit blancs“) forderten Gleichstellung zu den grands blancs, jedoch in strikter Abgrenzung zu den schwarzen Teilen der Bevölkerung, den Sklaven und den freien Schwarzen („gens de couleur libres“). Die freien Schwarzen waren häufig Nachkommen von Sklavinnen und Weißen.

Sie waren gebildet, ökonomisch oftmals sogar besser als die petit blancs gestellt und besaßen teilweise selbst Sklaven. Trotzdem waren ihnen viele Rechte verwehrt, weshalb sie Gleichberechtigung unabhängig von Herkunft und Hautfarbe forderten.


Die Lage der Sklaven war schlecht: Die Hälfte der aus Westafrika Verschleppten verstarb bereits wenige Jahre nach ihrer Ankunft auf Saint Domingue. Das grassierende Gelbfieber trug dazu bei, dass die Plantagenbesitzer sie mit noch härterer Arbeit beanspruchten und die Versorgung weiter verringerten, um möglichst viel Mehrwert aus der Sklavenarbeit zu ziehen, bevor sie der Krankheit zum Opfer fielen.


Die Unruhen auf der Insel begannen zunächst durch die freien Schwarzen. Inspiriert durch die französische Revolution und die Deklaration der Menschen- und Bürgerrechte von 1789 kämpften circa 300 freie Schwarze angeführt von Vincent Ogé (1755–1791) für gleiche Rechte. Die Revolte scheiterte und wurde niedergeschlagen, auch weil Ogé auf die Unterstützung schwarzer Sklaven verzichtete. Der bewaffnete Kampf diente jedoch als Vorbild und die von Unzufriedenheit und Spannungen geprägte Stimmung auf der Insel wurde durch die grausame öffentliche Hinrichtung Ogés weiter angeheizt.


Toussaint Louverture (zeitgenössische Darstellung).


Am 21. August 1791 begannen schließlich mehrere Sklavenaufstände im Norden der Insel. Neben den in der französischen Revolution proklamierten Werten, die mittlerweile zu den Sklaven vorgedrungen waren, waren auch Voodoo-Zeremonien Ausgangspunkte organisierten Widerstands. In kürzester Zeit war – bedingt durch die enorme Überzahl der Sklaven – ein großer Teil des fruchtbaren Nordens unter Kontrolle der Aufständischen.







François-Dominique Toussaint Louverture (1743–1803), ein ehemaliger Sklave und gebildeter freier Schwarzer, machte sich bereits früh als Truppenführer der Aufständischen einen Namen als herausragender Stratege. Frankreich platzierte den revolutionären Kommissär Léger-Félicité Sonthonax mit einer 6000 Mann starken Truppe auf der Insel, um die Konflikte zu beruhigen. Im Westen und Süden versuchten sowohl die petit blancs als auch freie Schwarze ihre Rechte geltend zu machen. Sonthonax sah die weißen Plantagenbesitzer als Royalisten an, bekämpfte deren Bestrebungen, den Status quo aufrechtzuerhalten, und proklamierte gleiche Rechte für alle freien Bürger, wie sie der Nationalkonvent in Frankreich beschlossen hatte, jedoch zunächst ohne die Absicht, die Sklaverei zu beenden.


Im darauffolgenden Jahr traten Spanien und England in den Krieg mit Frankreich ein.

Auch auf die Insel wurden Truppen entsandt, um die lukrative Kolonie zu erobern. Einige Aufständische, darunter auch die Truppen Touissant Louvertures, hatten sich den Spaniern angeschlossen. Viele der verbliebenen Weißen unterstützten die Briten, in der Hoffnung, bei einem britischen Sieg würde die Sklaverei weiter bestehen. Um die Kontrolle über die Insel zu bewahren, war Sonthonax nun auf die Hilfe der Sklavenarmeen angewiesen. Er erklärte die Sklaverei am 29. August 1793 offiziell für beendet. Infolgedessen kooperierten viele Generäle, die befreite Sklaven befehligten, wieder mit der französischen Republik. Auch Toussaint wandte sich 1794 von den Spaniern ab. Die Briten intensivierten ihre Bemühungen um die Insel in einem „Great Push“ erneut. Alle Eroberungsversuche blieben jedoch erfolglos. Frankreich hatte robuste Verteidigungsanlagen errichtet und schaffte es, durch wirksamen Artillerie-Einsatz die britischen Truppen aufzureiben. Zusätzlich durch Gelbfieber-Epidemien geschwächt, verließen die Briten schließlich 1798 endgültig die Insel.


Jean-Jacques Dessalines und Henry Christophe (zeitgenössische Darstellungen).



Toussaint Louverture, der fähigste schwarze General, schaffte es, mit seinen Armeen aus befreiten Sklaven die Kontrolle über die Insel zu erlangen. In einem letzten Bürgerkrieg schlug Toussaint mit seinen beiden Offizieren Jean-Jacques Dessalines (1758–1806) und Henry Christophe (1767–1820), Truppen freier Schwarzer, die – angeführt von André Rigaud und Alexandre Pétion (1770–1818) – versuchten, Städte im Süden zu erobern. Louverture befreite zudem die Sklaven in der benachbarten spanischen Kolonie Santo Domingo.

1801 verkündete er eine eigene Verfassung, die Freiheit und Gleichberechtigung für alle Schwarzen und politische Unabhängigkeit von Frankreich garantierte. Touissant wurde zum Gouverneur auf Lebenszeit.


Die Ruhe auf der Insel währte nicht lange: Die französische Revolution war in der Zwischenzeit beendet und Napoleon Bonaparte Konsul der französischen Republik.

Er duldete die Herrschaft Louvertures nicht und entsandte 1802 seinen Schwager Charles Leclerc, um die alten Verhältnisse auf der Insel wiederherzustellen. Mit ihm kehrten auch André Rigaud und Alexandre Pétion, die drei Jahre zuvor geschlagen wurden, auf Saint-Domingue zurück. Toussaint wurde gefangen genommen und ins Exil geschickt. Louvertures ehemalige Offiziere Jean-Jacques Dessalines und Henry Christophe liefen zu den Franzosen über. Nachdem allerdings klar wurde, dass Napoleon die Sklaverei wiederherstellen wollte, rebellierten sie erneut. Die Rebellen, an deren Seite nun auch Pétion kämpfte, besiegten die französischen Kräfte endgültig. Dessalines erklärte die Nation am 1. Januar 1804 für unabhängig. Haiti war damit der erste souveräne Staat, der aus einer Sklavenrebellion hervorging und die erste unabhängige Republik Lateinamerikas.


1806 wurde Dessalines ermordet und Henry Christophe ernannte sich zum König von Nord-Haiti. Im Süden der Insel regierte Alexandre Pétion als Präsident der Republik Haiti.


Umlaufnote zur erste Fahne Haitis

HTI-265A: Umlaufnote zu 10 Gourdes aus dem Jahr 2000.

Vorderseite mit Catherine Flon. Die Näherin wurde zur haitianischen Heldin, weil sie laut Überlieferung am 18. Mai 1804 die erste haitianische Flagge nähte. Jean-Jaques Dessalines, ihr Pate, zerteilte als Ausdruck der Unabhängigkeit Haitis von Frankreich eine französische Trikolore. Flon fügte die roten und blauen Teile als Ausdruck des Bündnisses von Sklaven und freien Schwarzen wieder zusammen und schuf so die erste Flagge Haitis.

Der 18. Mai ist noch heute Nationalfeiertag und Catherine Flon wird als Nationalheldin verehrt. Sie war die erste Frau, die auf einem Gourde-Geldschein abgebildet ist.

Rückseite: Staatswappen und Ornamente.



Ausgabe zum 200. Jahrestag der Verfassung von Toussaint Louverture (1801–2001)


HTI-271A: Gedenkbanknote der Banque de la Republique d'Haiti zu 20 Gourdes von 2001 zum zweihundertjährigen Jubiläum der Verfassung von 1801. Vorderseite links: Porträt von François-Dominique Toussaint Louverture. Eine ähnlich gestaltete Banknote mit Porträt Louvertures (Vorderseite mit silbernen statt goldenen Feldern und ohne Überdruck zum Gedenkanlass) wurde im gleichen Jahr auch als reguläre Umlaufnote eingeführt.

Rückseite: Aufgeschlagenes Buch (Verfassung Haitis aus dem Jahr 1801).



Gedenkbanknotenserie 200 Jahre Unabhängigkeit Haitis (1804–2004)


HTI-272: Gedenkbanknote zu 10 Gourdes von 2004, Vorderseite: Gezeigt ist Suzanne "Sanité" Bélair (1781–1802, weiblicher Feldwebel (später Leutnant) und Frau des Generals Charles Bélair unter der revolutionären Armee von Touissant Louverture. Berühmt sind ihre letzten Worte "Viv libète! A ba esclavaj!" („Es lebe die Freiheit! Nieder mit der Sklaverei!“) vor ihrer Hinrichtung durch die französische Armee 1802. Sie ist nach Catherine Flon die zweite Frau, die auf haitianischen Gourde-Geldscheinen abgebildet wurde. Die Rückseite zeigt das Fort Cap-Rouge (Le Cap) bei Jacmel (Haiti), wo "Sanité Bélair und ihr Mann von den Franzosen erschossen wurden.


HTI-273: Gedenkbanknote zu 25 Gourdes von 2004, Vorderseite: Porträt von Nicolas Geffrard (1762–1806), der als haitianischer Volksheld gilt. Links Wappen und Mitte eine Szene aus dem Unabhängigkeitskampf. Rückseite: Die im Auftrag von Geffrard erbaute Festung Platon bei Les Cayes (Haiti), wo sich auch sein Grab befindet.


HTI-274: Gedenkbanknote zu 50 Gourdes von 2004, Vorderseite: Porträt von François Cappoix „La Mort“ (1766–1806, auch Capois oder Capois-La-Mort, haitianischer Patriot und Freiheitskämpfer). Links Wappen und Mitte Szene aus dem Unabhängigkeitskrieg (Schlacht von Vertieres). Rückseite: Festung Jalousière bei Marmelade (Haiti).


HTI-275: Gedenkbanknote zu 100 Gourdes von 2004, Vorderseite: Porträt von Henry Christophe (1757–1820, ab 1810 König von Nord-Haiti), Wappen Haitis und Szenen aus dem Unabhängigkeitskrieg. Rückseite: Zitadelle Henry bei Milot (Haiti).


HTI-276: Gedenkbanknote zu 250 Gourdes von 2004, Vorderseite: Porträt von Jean-Jacques Dessalines (1758–1804, von 1802 bis 1804 als Jakob I. Kaiser Haitis), Wappen Haitis und Szenen aus dem Unabhängigkeitskrieg. Rückseite: Festung Décidé bei Marchand (Haiti).


HTI-277: Gedenkbanknote zu 500 Gourdes von 2004, Vorderseite: Porträt von Alexandre Sabés Pétion (1770–1818, ab 1810 Präsident der kreolischen Republik im Süden Haitis), Wappen Haitis und Szenen aus dem Unabhängigkeitskrieg. Rückseite: Festung Jacques bei Fermathe (Haiti).


Elias Heindl


Quellen/Literatur:

  1. C. L. R James: Die schwarzen Jakobiner. Toussaint Louverture und die Haitianische Revolution, b_books und Karl Dietz Verlag, Berlin 2021

  2. F. W. Knight: The Haitian Revolution. The American Historical Review, 105(1), 103–115. https://doi.org/10.2307/2652438

  3. Philipp Hanke: Revolution in Haiti: Vom Sklavenaufstand zur Unabhängigkeit (= Neue Kleine Bibliothek, 245). PapyRossa, Köln, 2017

  4. thehaitianrevolution.com

  5. britannica.com/topic/Haitian-Revolution

  6. blackpast.org/global-african-history/haitian-revolution-1791-1804/

  7. wikipedia.org/wiki/Haitian_Revolution

  8. Hans-Ludwig Grabowski/Josef Gerber: Gedenkbanknoten der Welt – Commemorative Banknotes of the World, Gietl Verlag, Regenstauf 2011

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