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Die Sorben: Keine Republik – keine Geldscheine!

Spreewald und Bautzen kann man nicht auf Gurken und Senf oder Kahnfahrten und „Gelbes Elend“ reduzieren. Die sorbischen Regionen in der Lausitz sind die restlichen Siedlungsgebiete der Westslawen, die sich seit dem 6. Jahrhundert in den Landschaften zwischen Elbe, Neiße und Spree ansiedelten.

Unter den anerkannten nationalen Minderheiten in Deutschland stehen die Sorben in der Lausitz zahlenmäßig an erster Stelle. In Deutschland gibt es rund 60.000 Menschen, die sich selbst als Sorben und früher auch als Wenden bezeichnen.


Abb. 1: Siedlungsgebiet der Lausitzer Sorben in den Bundesländern Brandenburg und Sachsen sowie in Grenzregionen Polens und der Tschechischen Republik.


Die Geschichte der Sorben und ihre Bemühungen um eine staatliche Selbstständigkeit sind vielen Deutschen kaum präsent. Im deutschen Kaiserreich wurden die Sorben unterdrückt, in der "Weimarer Republik" mehr oder weniger akzeptiert und in der Zeit des Nationalsozialismus sogar verfolgt. In den Jahren 1933–1945 war die sorbischen Sprache nicht nur unterdrückt wie im Königreich Preußen, sondern schlichtweg verboten.


Nach den Revolutionsjahren 1848/49 gründeten sich unterschiedliche sorbische Vereine,

zu einem Dachverband kam es bis kurz vor dem Ersten Weltkrieg jedoch nicht. 1883 und 1898 schlugen Versuche fehl, einen sorbischen Volksbund zu schaffen. Erst am 13. Oktober 1912 gelang es den sorbischen Intellektuellen in Hoyerswerda (= Wojerecy) einen „Bund wendischer Vereine“ – die Domowina (= Heimat) zu gründen. Als erster Vorsitzender wurde der sächsische Landtagsabgeordnete Arnošt Bart gewählt.


1918 wurde der Wendische Nationalausschuss gegründet; in Verhandlungen mit der sächsischen Regierung scheiterten die sorbischen Autonomiebestrebungen. Aber nach wie vor war die Forderung nach einem selbstständigen Staat oder ein Anschluss der Ober- und Nieder-Lausitz an die neu entstandene Tschechoslowakei oberstes Ziel der Sorben.

Ihre Nationalbestrebungen galten als hochverräterisch und reichsfeindlich. Auch die Bemühungen einer Wendischen Volkspartei und die „Bewegung sachsentreuer Wenden“ brachten keinen Erfolg ihres Wunschs. Die Hoffnungen im Zuge der Reichsgebietsreform nach einem „Reichsgau Lausitz“ schlugen 1935 fehl. 1941 wurden die Domowina sowie sorbische Zeitungen und Vereine verboten und deren Vermögen konfisziert. Viele sorbische Aktivisten wurden verhaftet.


Schon zwei Tage nach Ende des Zweiten Weltkriegs wurde die Domowina in Crostwitz (= Chrósćicy) unter Dr. Jan Cyž mit Genehmigung des Bautzner Kommandanten der Roten Armee neu gegründet. Und in Prag organisierte sich ein Sorbischer Nationalrat; dessen vorrangige politische Forderungen die Bildung einer „Sorbischen Republik“ oder aber der Anschluss der Lausitz an die Tschechoslowakei war. Die sowjetische Besatzungsmacht lehnte das aber gegen die sorbenfreundlichen Bestrebungen der Regierung in der wiedererstandenen Tschechoslowakischen Republik (ČSR) ab.


Abb. 2: Karte der Lausitz mit historischen Grenzen, erstellt von Oberstleutnant M. Semík, herausgegeben vom Lausitzer Sorbischen Nationalausschuss, Bautzen 1945.


Abb. 3: Politische Karte der Lausitz, Anlage zum Memorandum des Lausitzer-sorbischen Nationalrats an die Moskauer Außenministerkonferenz vom 10. März 1947.


Am 12. Mai 1945 sandte der Vorstand der Domowina ein Memorandum an Josef Stalin mit dem Hinweis auf das historische Schicksal des kleinsten slawischen Volkes der Sorben und der Bitte um Angliederung der Lausitz an die Tschechoslowakei:


„Wir bitten Marschall Stalin um die Angliederung unserer Lausitz als geschlossenes Gebiet an die Cechoslovakei, zu der sie jahrhundertelang[1] gehörte. Dort werden die politischen, kulturellen, ökonomischen und sozialen Rechte unseres Volkes bestens aufgehoben sein. Mit tiefem Vertrauen blicken wir zu Ihnen, der alle Völker vor dem Tod gerettet und ihnen Glück und Freiheit gegeben hat, und sind überzeugt, daß Sie unsere Bitte wohlgeneigt erfüllen.“
 

Und in einer Pressemitteilung in der tschechoslowakischen Zeitung „Rudé právo“ vom

26. Juli 1945 konnte man über eine Demonstration in Prag lesen:


„Sorbenführer und cechoslovakische Regierungsmitglieder fordern in ihren Reden die Lostrennung der von Sorben bewohnten Lausitz von Deutschland und ihre Angliederung an die ČSR.“

Den Plan für einen eigenen Staat der Sorben soll auch schon kurz nach 1945 der Bautzner Jurist Dr. Georg Rentsch verfolgt haben. Im Nachlass ihres Vaters entdeckten Hańža Winter und Ludmila Biesold Dokumente, die die deutsche Geschichte verändert hätten. So fanden die beiden Töchter einen Aktenordner mit kyrillischer Aufschrift: „Сербская Республика – карты планирования промышленности, сельского хозяйства и транспорта“ (= Sorbische Republik – Planungskarten für Industrie, Landwirtschaft und Verkehr). Mit Gleichgesinnten erhoffte sich der Anwalt Unterstützung vom sowjetischen Parteiführer Josef Stalin und vom jugoslawischen Staatschef Josip Broz Tito. Es folgte 1951 unter ungeklärten Umständen die Verhaftung von Georg Rentsch durch Männer vom sowjetischen Geheimdienst NKWD und seine Verurteilung zu 25 Jahren Haft. In der DDR erhielt er später Berufsverbot.


Die Domowina bezeichnete sich ab 1969 als „Sozialistische nationale Organisation der Sorben in der DDR“. In der politischen Umbruchzeit von 1989 tauchten kurze Zeit alte Forderungen nach einer Autonomie der Lausitz wieder auf, fanden aber nicht den Widerhall in der ostdeutschen Bevölkerung. Somit: keine sorbische Republik – kein sorbisches Notgeld. Dennoch gab es in der Lausitz verschiedenste Ausgaben aus fast allen Notgeld-Epochen.


Abb. 4: 10 Mark 1. Januar 1916, Bischofswerda (Biskopicy), Lagerschein für das Offiziers-Gefangenenlager, Inspektion Sachsen.


Abb. 5: 10 Pfennig 1. Mai 1917, Calau (Kalawa), Kleingeldschein des Magistrats.


Abb. 6: 20 Mark 15. November 1918, Kamenz (Kamjeńc), Gutschein des Bezirksverbands der Kgl. Amtshauptmannschaft.


Abb. 7: 50 Pfennig 1. Juli 1921, Forst (Baršć), Serienschein des Stadtkreises.


Abb. 8: 100 Mrd. Mark o. D., Hoyerswerda (Wojerecy), Großgeldschein der Kreissparkasse.


Abb. 9: 1 Goldmark 5 Goldpfennig November 1923, Weißwasser (Běła Woda), wertbeständiger Notgeldschein der OSRAM GmbH KG; ohne Hinweis auf den US-Dollar, Gegenwert 25 Cents.


Abb. 10: 4,20 Goldmark = 1 US-Dollar 20. November 1923, Lübben (Lubin), wertbeständiger Notgeldschein des Kreises.


Abb. 11: 5 Reichsmark 30.Mai 1945, Cunewalde (Kumwałd), nicht ausgegebener Gutschein der Kreis- und Girokasse Löbau (Lubij); nach einer Zeichnung von einem Foto.


Abb. 12: 20 Reichsmark 22.Januar 1929, Bautzen (Budyšin), 1945 behördlich angehaltene Reichsbanknote.


Abb. 13: 10 Pfennig, Vs./50 Pfennig, Rs., 26. Juli 1948, Cottbus (Chóśebuz), Messegutschein zur Landwirtschafts-Messe.


Abb. 14: 0 Euro 2024, Bad Muskau (Mužakow), der Waldeisenbahn gewidmeter Souvenirschein.


Michael H. Schöne


Quellen:

Kotsch, D.: „Minderheitenpolitik in der SBZ/DDR nach dem Zweiten Weltkrieg“, Potsdam 2000

money trend 5/2010


Anmerkung der Redaktion

[1] Die Lausitz kann nicht jahrhundertelang zur Tschechoslowakei gehört haben, weil dieser Vielvölkerstaat, in dem neben Tschechen auch Millionen Deutsche sowie Slowaken, Ungarn, Ukrainer und andere Minderheiten lebten, erst nach dem Ersten Weltkrieg entstanden war. Richtig ist aber, dass Böhmen und Mähren als Kernland der Tschechoslowakei viele Jahrhunderte zu Deutschland (zum Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation von 1198 bis 1806 und danach dann mit Österreich bis 1866 zum Deutschen Bund) gehört hatte.

Im Konflikt zwischen Preußen und Österreichern wurde der Deutsche Bund als Ergebnis des Deutschen Krieges gespalten und Böhmen kam als habsburgisches Kronland (seit 1526 habsburgisch, Kronland seit 1804) ab 1867 zu Österreich-Ungarn (Cisleithanien).

Das Königreich Böhmen bestand offiziell bis 1918. Zu ihm hatte zeitweise (wechselnd) auch die Lausitz als Land der Böhmischen Krone (wie auch Mähren) gehört.


Auch die slawischen Vorfahren der Tschechen waren im 6. Jahrhundert wie die Sorben in zuvor von Germanen und Kelten bewohntes Gebiet eingewandert. Die slawische Bevölkerungsminderheit der Sorben wurde wiederum vor dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs zum Grund für Polen, nicht nur sämtliche deutschen Gebiete bis zur Oder und Neiße, sondern neben der Einverleibung der gesamten Tschechoslowakei auch den Anschluss der Lausitz an Polen zu fordern und bereits entsprechende Landkarten in polnischen Zeitungen zu veröffentlichen. Schon allein aus diesem Grund ist es nachvollziehbar, dass sorbische Bestrebungen nach Autonomie oder gar Abspaltung im Deutschen Reich unterdrückt wurden, zumal sie nicht von einer Mehrheit der sorbischen und deutschen Bevölkerung in diesen Gebieten getragen wurden.


Zu Beginn des 20. Jahrhunderts umfasste die Niederlausitz (Teil von Brandenburg) ein Gebiet von 6.841 qkm mit 415.000 Einwohnern (davon 36.000 Wenden bzw. Sorben) und die Oberlausitz (Teil von Schlesien, heute Sachsen) ein Gebiet von 3.400 qkm mit 253.000 Einwohnern (davon 25.000 Sorben). Der Bevölkerungsanteil der Sorben in der gesamten Lausitz betrug zu dieser Zeit also mit 61.000 von insgesamt 668.000 Einwohnern gerade einmal gut 9 %. Das sollte man unbedingt bedenken, wenn man von Autonomie, Abtrennung oder einem gefordertem Anschluss spricht.

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