„VERHINDERT DIE WIEDERHOLUNG DER / WETZELSDORFER FALSCHMÜNZERSCHANDE / WÄHLT / SOZIALDEMOKRATISCH“; dieser mysteriöse, rote, vierzeilige Text findet sich auf der Rückseite eines Scheins, der der tschechoslowakischen Staatsnote zu 500 Kronen vom 6. Oktober 1923 nachempfunden ist. Statt des kleinen Staatswappens ist auf der linken Vorderseite Dr. Ahrer abgebildet und rechts statt des Kopfbildnisses eines Legionärs Dr. Rintelen. Die Vorderseite enthält zusätzlich noch die folgenden roten Aufdrucke: am oberen Rand „§ 118, § 119, § 120, § 121 österreichisches Strafgesetzbuch“ und im unteren Feld „FALSCHMÜNZEREI 5 bis 10, 10 bis 20 JAHRE SCHW. KERKER“.
Es werden also die Paragraphen angegeben, nach denen Falschmünzerei in Österreich bestraft wurde und zusätzlich auch das dazugehörige Strafmaß.
Die Botschaft dieses 240 mm x 114 mm großen Papiers erschließt sich dem heutigen Betrachter nicht so leicht, weil in ihr mehrere Ereignisse verwoben sind. Zunächst, bei dem Schein handelt es sich um eine sozialdemokratische Wahlpropaganda anlässlich der Wahl des steirischen Landeshauptmanns im Jahr 1926. Auf dem Schein werden drei Personen namentlich genannt. Als Verantwortliche des Flugblattes zeichneten am unteren Rand der Rückseite „Stanek, Graz, Marieng. 16“. Josef Stanek (* 1883; † 17. Februar 1934) war österreichischer Politiker und Metallarbeitergewerkschafter.
Er gehört zu jenen neun Personen, die nach den österreichischen Februarkämpfen 1934 zum Tode verurteilt und hingerichtet wurden. Dr. Anton Rintelen (* 15. November 1876 in Graz; † 28. Januar 1946 ebenda) spielte eine oft dubiose und bis heute schwer zu beurteilende Rolle in der Politik der Ersten Republik. Von 1919 bis 1926 und von 1928 bis 1933 war er steirischer Landeshauptmann. Vom 27. Mai 1919 bis 1. Dezember 1924 war sein Stellvertreter Dr. Jakob Ahrer (* 18. November 1888 in Sankt Stefan ob Leoben; † 11. März 1962 in Wien).
Was hat es nun mit dem Falschmünzer-Vorwurf auf sich? Dazu muss man einige Jahre zurückgehen. Ebenso wie ein großer Teil der deutschen Bevölkerung mit dem Versailler Vertrag haderte, so empfanden auch viele Österreicher die Bestimmungen des Friedensvertrages von Saint-Germain vom 10. September 1919 als ein Verbrechen am Selbstbestimmungsrecht. Nicht die Siedlungsverhältnisse, sondern geographische und strategische, wirtschaftliche und verkehrspolitische Wünsche der Anrainerstaaten entschieden oft genug über die staatliche Zugehörigkeit. Nicht nur die vielen verstreuten deutschen Sprachinseln wurden den neu gebildeten „Nationalstaaten“ einverleibt, sondern auch geschlossene mit „Deutsch-Österreich“ zusammenhängende deutsche Siedlungsgebiete, wie das Sudetenland. Die Tschechoslowakei vereinnahmte die ehemaligen Kronländer Böhmen, Mähren und Schlesien ungeteilt. Nach der Volkszählung von 1921 lebten hier neben 8,761 Mio. Tschechen und Slowaken auch 3,1 Mio. Deutsche (23 %), die damit die Anzahl der Slowaken überstiegen, sowie große Minderheiten von Magyaren, Roma, Russinen, Ukrainern, Juden und Polen.
Der Regierung des neuen Staats, in dem zunächst die Währung der untergegangenen
k. und k. Monarchie weiter galt, war bemüht, möglichst schnell die Währungskontrolle zu erlangen. Daher wurden am 25. Februar 1919 um 24 Uhr alle Grenzübergänge für den Personen- und Güterverkehr geschlossen. Auf dem tschechischen Gebiet wurden dann vom 3. bis 9. März und auf dem slowakischen bis zum 12. März die umlaufenden Banknoten bis zum 1000-Kronen-Nominal gestempelt. In der Zeit vom 7. Juli 1919 bis 26. Februar 1920 setzte dann die Bankabteilung des Finanzministeriums neue Geldscheine zu 1, 5, 10, 20, 50, 100, 500, 1000 und 5000 Kronen in Umlauf. Obwohl die Scheine zu unterschiedlichen Terminen emittiert wurden, datieren alle vom 15. April 1919. Sie ersetzten die alten gestempelten Noten der Oesterreichisch-Ungarischen Bank.
Die meisten deutsch- und ungarisch-sprachigen Bürger lehnten das neue Staatswesen ab. Einige bekämpften – auch mit Unterstützung von Personen aus den Nachbarstaaten – den künstlichen Vielvölkerstaat. Dr. Julius von Mészáros, Professor an der Universität Budapest, sammelte Studenten und andere Personen um sich, um durch Fälschungen der neuen Noten die Wirtschaft der tschechoslowakischen Republik zu schaden.
In Wetzelsdorf unweit von Graz mietete der Professor eine Druckerei an, in der im März 1921 die Produktion falscher 500-Kronen-Scheine begann. Die Falsifikate waren von so ausgezeichneter Qualität, dass ihr Absatz zunächst keine Schwierigkeiten bereitete.
Dr. Anton Rintelen berichtet in seinen Memoiren über das Falschgeld das Folgende: „Im Mai 1921 wurde mir spät nachts durch Polizeidirektor Hofrat Kunz fernmündlich gemeldet, daß in Spielfeld ein Polizeischüler, der dorthin einen Ausflug gemacht hatte, bei einer Geldwechselstelle tschecho-slowakische Fünfhundert-Kronen-Noten habe umtauschen wollen. Der Inhaber habe Verdacht geschöpft und den Mann und die Banknoten sicherstellen lassen. Der Verhaftete sei samt den Banknoten der Polizeidirektion Graz überantwortet worden und habe erklärt, daß der frühere Oberleutnant Franz Huber [Sohn des seinerzeitigen Militärbevollmächtigten Huber], der eine führende Stellung in der Heimwehr bekleide, ihm die Banknoten mit dem Auftrage übergeben hätte, ihre Umwechslung zu besorgen. Auf das hin habe der Polizeidirektor Huber verhaften lassen. Dieser habe bei seiner Einvernahme angegeben, daß es sich um eine hochpolitische Angelegenheit handle, die mit dem Kampf der Deutschen gegen die Tschechen zusammenhänge.
Da ich Huber, der in geordneten finanziellen Verhältnissen lebte, sehr gut kannte, ebenso auch seine nationale Begeisterungsfähigkeit, schien mir diese Verantwortung glaubwürdig, daher eine delikate Behandlung zweckmäßig, um so mehr, als heikle staatspolitische Gesichtspunkte nahelagen. Für den Fall des Beweises selbstloser nationaler Motive war ich entschlossen, den Mann zu retten. Da die Überprüfung der Noten durch einen Beamten der Zentralbank deutscher Sparkassen den Fälschungsverdacht nicht bestätigte, wurden die beiden Verhafteten entlassen.
Kurze Zeit darauf ereignete sich in einem steirischen Landorte ein neuerlicher Versuch, Tschechenkronen umzuwechseln. Da die Wiener Polizeidirektion, wie ich inzwischen erfuhr, wegen einer Reihe ähnlicher Vorfälle Verhaftungen vorgenommen und Erhebungen eingeleitet hatte, ordnete ich an, daß der Verhaftete, namens Fauland, nicht nach Graz, sondern der Wiener Polizeidirektion zu überstellen sei. Spuren wiesen nach Wetzelsdorf in der Umgebung von Graz. Dort hatten die Teilnehmer an der eingangs erwähnten Aktion eine stillgelegte Kunstdruckerei erworben. In dieser waren die Fälschungen hergestellt worden. Die Wiener Polizeidirektion entsandte eine Kommission, um den Sachverhalt zu erheben. Der Mangel des Eigennutzes und national bedingte Motive wurden einwandfrei festgestellt. Nunmehr legte ich Huber, der neuerlich mitverwickelt worden war, nahe, ein Abolitionsgesuch einzubringen.
Der Bundespräsident hat sodann die Einstellung des Verfahrens im Gnadenwege verfügt.
Ein solcher Gnadenakt wurde auch den anderen Beschuldigten zuteil. Ich hörte später, daß Dr. Seipel im Hinblick auf die nationalen Beweggründe für die Abolition eingetreten sei.“[1]
Richard Piermattei berichtet in seinem Aufsatz, dass die Wiener Polizei und Mitarbeiter des tschechoslowakischen Geheimdienstes intensiv den Wiener Finanzmarkt beobachtet haben. Ja, dass man selbst Falsifikate auf dem Schwarzmarkt erworben hätte, um an die Hintermänner heranzukommen. Im Juni 1921 wurden Mitglieder der Fälscherbande im Hotel Germania festgenommen. Bei dieser Aktion wurden in Koffern und Damenhutkästen über 60.000 Falsifikate gefunden und beschlagnahmt.
Diese 30 Millionen Tschechoslowakische Kronen hatten einen damaligen Gegenwert von fast einer Million US-Dollars. Die Bankabteilung des Finanzministeriums in Prag sah sich schließlich gezwungen, die 500-Kronen-Scheine am 31. August 1922 vollständig aus dem Verkehr zu ziehen. Die meisten Exemplare der 500-Kronen-Note, die sich heute in Sammlungen befinden, dürften Fälschungen sein.[2]
Einige Merkmale lassen auf eine Fälschung schließen. Im Gegensatz zu den Originalen weisen die Falsifikate kein Wasserzeichen auf. Im Text „DNE 10. DUBNA 1919 Č. 187 SB.“ ist der Haken über dem „Č“ unvollständig bzw. fehlt manchmal vollständig. Die Ziffern in der Serienbezeichnung weisen einen anderen Schnitt auf, der besonders bei den Serien 013 - 023, 025 - 029, 031, 039, 041, 066 zu sehen ist.[3]
Einer, der bereits an der Fälschungsaktion in Österreich beteiligt war, wurde am
4. Januar 1926 in Ungarn verhaftet und vor ein Budapester Gericht gestellt. Prinz Ludwig Albrecht von Windischgrätz wurde beschuldigt, der Kopf der Fälscher von Banknoten der Banque de France zu 1000 Francs zu sein. Mit ihnen wollten er und seine Komplizen die französische Wirtschaft untergraben. Unterstützt wurde der Prinz von einflussreichen ungarischen Persönlichkeiten: Polizeipräsident, Kriegsminister, selbst der Ministerpräsident waren in den Plan eingeweiht. Gedruckt wurde das Falschgeld in den Räumen des Militär-Geographischen Instituts in Budapest, die Lagerung der fertigen Scheine übernahm der Landesbischof, den Vertrieb sollte der Präsident der Postsparkasse organisieren.
Da die erste Prüfung der Falsifikate vernichtend ausfiel, das Papier wich vom richtigen Notenpapier zu stark ab, wollte man versuchen, die Noten in Holland abzusetzen. Generaloberst a. D. Jankovich reiste, im Diplomatengepäck das Falschgeld, nach Amsterdam und vermasselte alles. Bei dem Versuch die Falsifikate in einer Bank umzuwechseln flog er auf und wurde verhaftet.[4]
Obwohl man sich in Ungarn bemühte, alle Spuren zu beseitigen, war schnell klar, wer hinter allem stand. Beim Gerichtsverfahren war Fingerspitzengefühl gefragt, musste doch die Regierung unbedingt aus der Sache herausgehalten werden. Angeklagte, die aussagen wollten, wurden von den Richtern zum Schweigen gebracht. Natürlich fielen die Urteile hart aus: Der Prinz musste vier Jahre ins Gefängnis und umgerechnet 600 RM Strafe zahlen. Die anderen Angeklagten erhielten Strafen zwischen einem und vier Jahren. „Bei der Urteilsbegründung versäumt es das Gericht jedoch nicht, den Angeklagten ‚hohe patriotische Gefühle‘ zu bescheinigen. Sie seien keine gemeinen Verbrecher, sondern ‚Opfer jenes katastrophalen Unglücks, dessen Folge die Zerstücklung Ungarns war‘.“[5]
Es wundert nicht, dass alle Verurteilten bereits nach kurzer Zeit aus der Haft entlassen wurden.
Natürlich griff auch die österreichische Presse die ungarische Falschgeldaffäre auf und berichtete, dass der „Ministerpräsident Graf Bethel im ungarischen parlamentarischen Untersuchungsausschuss im Zusammenhang mit der Erörterung der Frankenfälschungen von der österreichischen Sokolfälschungsaffäre gesprochen und behauptet habe, daß die in der Sache geführten Erhebungen dargetan hätten, daß der ‚Sekretär‘ Huber des steirischen Landeshauptmannes mitgetan habe und daß die gefälschten Banknoten sogar im Auto des Landeshauptmannes befördert worden seien.“[6]
Die Sozialdemokraten brachten daraufhin eine Interpellation im steirischen Landtag ein, um festzustellen, ob der Landeshauptmann und die Landesregierung in die Fälschungsaktion verwickelt seien. Am 19. Februar 1926 wurde schließlich ein Untersuchungsausschuss gebildet, der aus Vertretern aller Parteien bestand.
Rintelen schreibt, dass der Ausschuss eindeutig festgestellt habe, dass er weder „persönlich .. [noch] die steirischen Regierungsbehörden als solche an diesen strafbaren Handlungen teilgenommen oder ihnen Vorschub geleistet haben.“[7]
Dennoch scheuten die Sozialdemokraten nicht davor zurück, die Verleumdungen auf der besagten Propagandanote weiter zu betreiben.
Uwe Bronnert
[1] Anton Rintelen, Erinnerungen an Österreichs Weg, Versailles – Berchtesgaden – Großdeutschland, München 1941, S. 76 f.
[2] Richard Piermanttei, Professor Dr. Meczarosz, The Patriot Counterfeiter, in: IBNS Journal, Volume 19 (1980), No. 3, S. 67 ff.
[3] Vgl. http://www.mojazbierka.sk/index.php?m=bankovka&id=20. Stand: 26.07.2019, 11.30 Uhr.
[4] Günter Wermusch, Falschgeldaffären, Frankfurt am Main 1988, S. 162 ff.
[5] Ebenda, S. 173.
[6] Anton Rintelen, S. 77.
[7] Ebenda, S. 80.
Quelle der Abbildung des Originals zu 500 Kronen vom 6.10.1923: http://www.mojazbierka.sk/index.php?m=bankovka&id=30
Quelle der Abbildung 500 Kronen vom 15.4.1919: http://www.mojazbierka.sk/index.php?m=bankovka&id=20
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