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AutorenbildUwe Bronnert

Ein alter Werbeschein der Kaffeesurrogatfabrik Otto E. Weber, Berlin

„Der Pro-Kopf-Verbrauch von Kaffee summierte sich in Deutschland zuletzt auf rund 164 Liter im Jahr, damit ist Kaffee das beliebteste Heißgetränk der Deutschen.“[1]

Es wird angenommen, dass die Region Kaffa im Südwesten Äthiopiens das Ursprungsgebiet des Kaffees ist. Er gelangte im 14. Jahrhundert durch Sklavenhändler auf die Arabische Halbinsel und eroberte im 16. Jahrhundert das persische Safawiden-Reich sowie das Osmanische Reich. Die heute übliche Zubereitung, geröstete, gemahlene oder zerstampfte Kaffeebohnen aufzubrühen, kam erst Mitte des 15. Jahrhunderts auf. Der Siegeszug des Kaffees als Genussmittel begann in Europa im 17. Jahrhundert am französischen Hof Ludwig XIV. und Ludwig XV. Der Genuss des Kaffees war zunächst nur dem Adel und den gut betuchten Bevölkerungsschichten vorbehalten. Von ärmeren Bevölkerungsschichten und in Krisenzeiten wurde der Kaffee durch kaffeeähnliche Getränke wie Muckefuck, Malzkaffee, Stragelkaffee oder Zichorie ersetzt bzw. der „echte Bohnenkaffee“ durch Kaffee-Ersatzmittel gestreckt.

Otto E. Weber (1840 – 1914) erkannte den Zahn der Zeit und fügte seiner 1864 gegründeten Tee-Fabrik 1873 die Kaffeesurrogatfabrik in Berlin hinzu. Das auf Herstellung und Vertrieb spezialisiert Unternehmen stellte nun nicht nur Tee in Presswürfeln her, sondern war auch der erste und lange Zeit größte Hersteller von Feigen-Kaffee.[2] Das Unternehmen exportierte seine preisgekrönten Produkte, darunter „Weber’s Carlsbader Kaffeegewürz“ und „Weber’s Prima Feigen-Kaffee“ bis nach Russland, Südafrika und in die USA. Ferner war es preußischer Hoflieferant.


Abb. 1.1: Werbenote der Kaffeesurrogatfabrik Otto E. Weber, Berlin, Vorderseite.


Abb. 1.2: Werbenote der Kaffeesurrogatfabrik Otto E. Weber, Berlin, Rückseite.


Abb. 2.1: GK-314, Preußische Hauptbank, 1. Mai 1874, 100 Mark, Vorderseite.


Abb. 2.12 GK-314, Preußische Hauptbank, 1. Mai 1874, 100 Mark, Rückseite.

Quelle: Hans-Ludwig Grabowski / Manfred Kranz, Das Papiergeld der altdeutschen Staaten, Geldscheine der Staaten auf dem Gebiet des 1871 gegründeten Deutschen Reiches von den Anfängen bis zum Ende des 19. Jahrhunderts, Regenstauf 2020, Kat.-Nr. 314, S. 183.


Aus den 1870er Jahren dürfte der abgebildete Werbeschein stammen. Die Vorderseite zeigt eine vereinfachte Darstellung der 100-Mark-Banknote der Preußischen Haupt-Bank vom 1. Mai 1874: rechts das umkränzte Brustbild der Minerva[3] und links das große preußische Wappen. Der mittlere Teil des Scheins wurde als Banderole gestaltet. Sie trägt den folgenden senkrechten, siebenzeiligen Aufdruck: „3000 Mark / zahle ich sofort Demjenigen, welcher mir nachweist, daß ich / meinen Prima Feigen-Kaffee nicht ausschließlich aus orien- / talischen Feigen fabricire. / Jeder mit meinem Fabrikat gefüllte Carton ist mit / nebenstehender Schutzmarke geschlossen und mit meinem Fac- / simile versehen.“ Es folgt die Faksimile-Unterschrift „Otto E. Weber. Hoflieferant“. Die ovale, rot-weiße Schutzmarke ist neben dem Text angebracht.

Die Rückseite enthält in einem schmalen Rahmen die Werbebotschaft, in der Weber Qualitätsmerkmale seines Feigen-Kaffees herausstellt und sich gegen minderwertige Produkte und Plagiate der Konkurrenz wehrt:


Weltberühmt ist das in Wien, Carlsbad, Teplitz und in anderen böhmischen Bädern bereitete Kaffeegetränk. Das Recept zur Herstellung desselben besteht einfach darin, daß man Bohnen-Kaffee eine Kleinigkeit Otto E. Weber’s Feigen-Kaffee zusetzt. Mit einem solchen Zusatz verbessert man aber nicht allein den Geschmack und die Farbe des Kaffee-Getränkes, sondern dasselbe wird dadurch auch nahrhafter und gesünder, da die geröstete Feige die aufregenden und erhitzenden Eigenschaften des Bohnenkaffees beseitigt. Mein Prima Feigen-Kaffee besteht nur aus sorgfältig gerösteten und gemahlenen Calamata Feigen.[4]– Im frischen Zustand ist er ein trockenes Pulver, ähnlich dem Bohnenkaffee-Pulver. – Erst nach längerem Lagern wird er feucht, klebrig und dunkel, da er infolge seines reichen Caramel-Gehaltes die Feuchtigkeit aus der Luft anzieht. Diese hygroskopische Eigenschaft des Feigen-Kaffee’s wird indeß von mehreren Fabrikanten bereits dahin ausgebeutet, daß sie ihr Fabrikat künstlich mit Wasser und Dampf anfeuchten. – Wasser kostet nichts, macht aber die Waare schwer und dadurch billiger, außerdem läßt sich auch bei einem derartig gefälschten Fabrikat schwer erkennen, ob dasselbe von ordinären Feigen hergestellt, oder gar noch mit anderen Substanzen gemischt ist. Man kaufe daher Feigen-Kaffee immer nur von anerkannt renommirten Fabriken und möglichst frisch und pulvrig, um sicher zu sein, kein künstlich angefeuchtetes oder zu altes, möglicher Weise verdorbenes Fabrikat zu erhalten. Wer aber an dunklen, klebrigen Feigen-Kaffe gewöhnt ist, der lege frische, pulvrige Waare einige Tage an einen feuchten Ort, (in den Keller) sie wird da sehr bald von selbst dunkel und klebrig werden. – Zu beachten ist, daß von frischem, trockenem Feigen-Kaffee beim Verbrauch stets etwas mehr genommen werden muß als von feuchtem. Mein Fabrikat, welches ich nur frisch, d. h. trocken und pulvrig versende, ist in allen renommirten Colonialwaaren-Handlungen zu haben. Beim Einkauf verlange man aber jedesmal ausdrücklich Otto E. Weber’s Prima Feigen-Kaffee, und überzeuge sich auch, daß auf dem Carton meine volle Firma steht, denn es haben bereits einige gewissenlose Fabrikanten die von mir erfundene gelbe Carton-Verpackung nachgemacht, um damit das Publikum zu täuschen. Otto E. Weber, [großes preußisches Wappen] Hoflieferant Hamburg Berlin S.W., Altona, Zollvereins-Niederlassung 18. Junkerstr. 18 Lerchen-Straße No. 65

Die Maße des Werbescheins entsprechen der Originalnote: 157 mm x 100 mm, die ab

1. Januar 1876 als Note der neugegründeten Reichsbank galt. Bereits am 1. Juni 1878 wurden sie ungültig. Auch nach diesem Termin wurden sie von der Hauptkasse der Reichsbank eingelöst.

1878 verlegte Weber aus zollrechtlichen Gründen seinen Betrieb nach Hamburg und 1881 nach Radebeul. 1894 wurde das Unternehmen in eine Kapitalgesellschaft umgewandelt und die Firma lautete nun „Otto E. Weber GmbH“. Hauptgesellschafter wurde der Augsburger Bankier August Gerstle (1854 – 1899), der 70 % des Stammkapitals übernahm. Sein Schweizer Schwager, Friedrich Guggenheim, wurde Geschäftsführer und beteiligte sich mit 10 % am Gesellschaftskapital.

Gerstle starb am 1. Mai 1899 in Augsburg und hinterließ seiner Witwe Anna die Anteile.

Nach Webers Tod 1914 ging auch dessen Firmenanteil vertragsgemäß an Anna Gerstle.

Als Guggenheim nach kurzer, schwerer Krankheit 1923 starb, übernahm der Sohn von August und Anna Gerstle, Hans-Jakob (1884 – 1942) die Geschäftsführung. Als die Mutter 1924 starb, übernahmen ihre Kindern Hans Jakob und Grete die Geschäftsanteile.


Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten änderte sich das politische Klima in Deutschland. Das Unternehmen der jüdischen Eigentümer wurde zur Zielscheibe des "Stürmers"[5], sodass Gerstle am 2. November 1937 die Geschäftsanteile weit unter Wert an den Dresdner Kaufmann Johannes Wilhelm Löhr und die Kathreiner GmbH in Berlin verkaufte. Löhr wurde zum alleinvertretungsberechtigten Geschäftsführer ernannt. Gerstle gelang am

31. Dezember 1937 die Ausreise nach London, nachdem er auf Druck der Behörden nicht nur die Reichsfluchtsteuer bezahlt, sondern auch sein deutsches Vermögen auf ein nicht transferierbares Inlandskonto eingezahlt hatte.


Die Gesellschafter des „arisierten“ Unternehmens wurde nach Kriegsende 1946 enteignet und die Firma in „VEB Otto E. Weber“ umbenannt. Das Stammhaus der heutigen Teekanne GmbH wurde 1952 mit „VEB Otto E. Weber“ zur „VEB Kaffee-Weber-Teekanne“ zusammengelegt. Nach der Wende wurde das Unternehmen privatisiert und 1991 als „Teehaus GmbH“ von der Düsseldorfer Teekanne-Gruppe übernommen.

Uwe Bronnert

Anmerkungen [1] <https://de.statista.com/themen/171/kaffee/> (22.04.2021)

[2] Feigen-Kaffee ist ein Ersatzkaffee, der meist dem normalen Bohnenkaffee beigemengt wurde, um dem Kaffee einen volleren und etwas süßeren Geschmack zu verleihen.

Zur Herstellung des Feigenkaffees wurden die Früchte zunächst in eine kochende Salzlösung getaucht und anschließend 24 Tage in der Sonne getrocknet. Es folgten zwei weitere Monate in sogenannten Trockenkästen. Zur Weiterverarbeitung wurden die getrockneten Feigen noch einmal mit kaltem Salzwasser abgewaschen und anschließend geröstet.

Die abgekühlten Früchte wurden dann in einer Mühle zu Pulver zermahlen und verpackt.

Der geröstete Feigenkaffee dürfte seinen Ursprung in Oberitalien haben, wo er seit Mitte des 18. Jahrhunderts bekannt ist.

[3] Römische Göttin. Beschützerin der Handwerker und des Gewerbes.

[4] Anm. d. Verf.: Die Kalamata-Feigen stammen aus der griechischen Region Kalamata.

Die ganze Frucht wird, ohne geschlitzt zu werden, in der Sonne ohne jegliche chemischen Zusätze natürlich getrocknet.

[5] Die antisemitische Wochenzeitung "Der Stürmer", Untertitel ab 1932 "Deutsches Wochenblatt zum Kampfe um die Wahrheit", erschien vom 20. April 1923 bis 2. Februar 1945 in Nürnberg.

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