„Wer mich macht, der sagt es nicht. Wer mich nimmt, der kennt mich nicht. Wer mich kennt, der will mich nicht.“
Nimmt man im normalen Alltag Papiergeld entgegen, geht man normalerweise nicht davon aus, Falschgeld zu erhalten. Andererseits ist uns natürlich bewusst, dass auch unsere neuesten Eurobanknoten gefälscht und in Umlauf gebracht werden, besonders die am häufigsten zirkulierenden bläulichen Zwanziger und die orangefarbenen Fünfziger. Wie aber kann das sein, wenn doch die Banknoten von den ca. zwölf beauftragten Druckereien aus dem Euroraum mit den vielfältigsten Sicherheitsmerkmalen ausgestattet sind?
Damit die Euro-Banknoten in landeseigenen Druckereien hergestellt werden können, musste man sich aufgrund der unterschiedlichen Leistungsfähigkeit der Betriebe auf eine niedrigere gemeinsame Sicherheitsstufe einigen, wodurch die Euroscheine eben leider nicht mit der höchstmöglichen verfügbaren Sicherheitstechnologie auf dem Markt gedruckt werden können.
Bei Einführung der Eurobanknoten und noch einmal beim Austausch durch die zweite Serie, der Europa-Serie, wurde viel Zeit und Information darauf verwendet, die Bevölkerung im Euroraum zu schulen und über die vielfältigsten Sicherheitsmerkmale aufzuklären: Fühlen – Sehen – Kippen hieß die Devise!
Für einen Selbsttest verwenden wir eine "echte" falsche 50-Euro-Banknote, wie sie mit 41% in Deutschland 2022 am häufigsten beim eingezogenen Falschgeld vorkam.
Abb. 1/2, gefälschter Fünfziger der 2. Euroserie, Vorder- und Rückseite.
Der falsche Geldschein fühlt sich mehr nach Papier an, nicht ganz so wie eine echte Banknote. Die Oberfläche lässt gewisse Erhebungen vermissen. Die Riffelung an beiden Seiten lässt sich nicht ertasten, der Stichtiefdruck scheint zu fehlen und der Sicherheitsstreifen hebt sich nicht ab. Dafür erscheint der Folienstreifen rechts etwas erhöht.
Der gefälschte Schein sieht auf den ersten Blick aus wie jeder andere Fünfziger. Die Farben stimmen und die Größe ebenso wie der Bildinhalt von Vorder- und Rückseite auch.
Die Unterschrift von Mario Draghi, dem italienischen EZB-Präsidenten in Frankfurt/M. von 2011 bis 2019, sieht absolut authentisch aus und passt zum angegebenen Druckjahr 2017. Die Kontrollnummer befindet sich einmal in der zwölfstelligen Langform mit zwei Buchstaben am Beginn und dann zehn Ziffern rechts oben auf der Rückseite an gewohnter Stelle, dazu in der sechsstelligen Kurzform um 90 Grad gedreht mittig unten in roter Druckfarbe. Die Druckplattennummer befindet sich an der richtigen Stelle, selbst die Anzahl der Inseln im Atlantik stimmt. Man muss den Schein schon gegen das Licht halten, um festzustellen, er verfügt weder über ein Wasserzeichen noch über ein Durchsichtsfenster.
Abb. 2, Mikroschrift in einem Stern des Fünfers der zweiten Euroserie (Detailvergrößereung).
Man braucht allerdings besonders scharfe Augen, eine Lupe oder besser noch ein Mikroskop, um festzustellen, dass die Mikroschrift in den Sternen nicht aus vielen kleinen Euro Schriftzeichen besteht sondern nur aus Gekräusel. Unter einer UV Lampe wird unser falscher Fünfziger auch sehr rot.
Abb. 3, Mikroskopaufnahme eines Sterns der falschen Fünfzigernote.
Abb. 4, falscher Fünfziger unter UV Licht.
Abb. 5, Nachahmung des Wasserzeichens durch seitenverkehrten Druck auf der Rückseite der Fälschung.
Wir betrachten nun besonders die linke Seite und haben doch irgendwie den Eindruck,
wir könnten ein Wasserzeichen sehen und das Grün in der Ziffer 50 chargiert ein wenig und verändere sich beim Kippen. Erst im Vergleich z. B. mit einem richtigen Bundesdruckerei-Fünfziger fällt der kolossale Unterschied beim Folienstreifen und der Smaragdzahl auf. Wasserzeichen und Sicherheitsfaden sind nur aufgedruckt, was aber wohl für einen flüchtigen Echtheitseindruck reicht. Überhaupt erscheinen die Unterschiede erst im direkten Vergleich mit einem offiziell gedruckten Schein wirklich augenscheinlich. Wer hat schon immer einen Fadenzähler für die Mikroschrift dabei, wenn er als Privatperson einen oder mehrere Fünfziger entgegennimmt. Überhaupt besteht nur eine geringe Gefahr, Falschgeld aufzusitzen. Wer meistens unbar bezahlt, minimiert diese Gefahr noch mehr. Wer allerdings häufig mit Schwarzgeld zu tun hat, der muss aufpassen. Der Handwerker mit Schwielen an den Händen wird kaum merken, wenn die Papierfeinheiten nicht vorhanden sind. Er wird sich über ein Bündel Bargeld freuen und wird nicht jeden Schein gegen das Licht halten. Erst falls ihm auffällt, das viele Scheine die gleiche Kontrollnummer haben und einige der Scheine beim Einkaufen oder in der Bank abgelehnt werden, wird ihm klar, dass er gar nicht zur Polizei gehen kann, ohne sich selber zu belasten. Dann kauft er sich vielleicht einen Geldzählapparat, wie ihn die Bundesbank empfiehlt?
Abb. 6, Ausschnitt mit der Kontrollnummer des falschen Fünfzigers.
Unsere Geldscheine verfügen übrigens über ein weiteres, größtenteils unbekanntes Sicherheitsmerkmal, nämlich die Kontrollnummer.
VB4592785429
12 Stellen: Druckereibuchstabe + Neuner-Restzahlbuchstabe + 9 Stellen + Prüfzahl.
Wie man z. B. im Euro- Katalog Münzen und Banknoten 2023 des Leuchtturm Verlags im Schlusskapitel EURO-Banknoten nachlesen kann, soll deren 2. Quersumme der zweiten Euroserie stets die Zahl 7 ergeben. Den Buchstaben am Anfang wird eine fortlaufende Zahl zugeordnet, also A = 1 usw. Z = 26. Zu der Quersumme beider Buchstabenzählungen werden die einzelnen Zahlen der Kontrollnummer der Reihe nach addiert und ergeben dann als erneut die Quersumme die 7. Im vorliegenden Fall des falschen Fünfzigers rechnen wir nach: VB4592785429.
Das V steht für die Königlich Spanische Münze (Fábrica Nacional de Moneda y Timbre), der Schein soll also in Burgos gedruckt worden sein. V steht an Position 22 im Alphabet, B an Position 2. Wir rechnen zusammen 22 + 2 = 24. Dazu 4 + 5 + 9 + 2 + 7 + 8 + 5 + 4 + 2 + 9 = 55, ergibt zusammen 79, davon die Quersumme 7 + 9 = 16. Das ist aber noch nicht die erwartete 7. Erst die Quersumme von 16, also 1 + 6 = 7 ergibt die gewünschte Kontrollzahl 7. Hat der Fälscher hier einen Fehler gemacht? Meine Stichproben bei anderen 50-Euro-Scheinen ergaben besonders bei Exemplaren mit Lagarde-Unterschriften tatsächlich öfter die 16 als zweite und erst als dritte Quersumme die 7. Eine Nachfrage von mir beim Leuchtturm-Verlag blieb leider unbeantwortet. Allerdings bestätigten mir das Bundesbank-Analysezentrum Mainz und die EZB die Plausibilität von Kontrollnummern, die erst eine Quersumme 16 und dann in einem weiteren Schritt die 7 ergeben.
Die Serien – bzw. Kontrollnummer von Scheinen der zweiten Eurogeneration bestehen aus zwölf Stellen. Der erste Buchstabe gibt die Druckerei an und taucht auch im Druckcode an erster Stelle auf. In unserem Fall ein V für die Königlich Spanische Münze. Der zweite Buchstabe kann in einer Tabelle mit dem Neunerrest verglichen werden. Wir finden für VA die 2, für VB eine 1, VC die 0 und VH eine 4. Die folgenden zehn Ziffern enden mit der Prüfziffer, einer 9. Unsere erste Quersumme betrifft die beiden Buchstaben: 24. Dann addieren wir die folgenden neun Ziffern auf und erhalten 46. Beider Quersumme lautet 70 und wird durch
9 dividiert, ergibt 7, Rest 7 abzüglich 7 gleich 0, das bedeutet als Ergebnis eine Prüfziffer 9 und die haben wir als zehnte und letzte Ziffer. Jetzt können wir noch die zwölfstellige Kontrollnummer überprüfen. Dazu bilden wir wieder Quersummen, bis sie kleiner 9 sind.: Neunstellige Nummer plus Prüfzahl = 46 + 9 = 55, Quersumme 5 + 5 = 10, ultimative Quersumme 1 + 0 = 1 . Neunerrest mit Buchstabenkombination VB laut Tabelle = 1, die Kontrollnummer ist gültig!
Abb. 7, Bildausschnitt dreier falscher Fünfziger mit der gleichen Kontrollnummer.
Fazit: Der Fälscher hat sich mit der Kontrollnummer erstaunlich viel Mühe gegeben oder einfach eine bestehende kopiert. Sie hält einer Überprüfung stand, im Gegensatz zu anderen nur anscheinend essentiellen Sicherheitsmerkmalen. Falschgeld, das dennoch als echt akzeptiert wird, wenn es ansonsten nur handwerklich gut gemacht ist.
Es hat zwar keine solchen Sicherheitsmerkmale, die aber sowieso in der Kürze einer Übergabesituation nicht überprüft werden, selbst wenn die eigentlich typische Haptik einer knisternden Banknote nicht reproduziert werden konnte und fehlt.
Auch in unserem vorliegenden Beispiel fällt die Fälschung eigentlich erst dann auf, wenn man jeweils einen gefälschten mit einem echten Schein gegen das Licht hält oder wenn einem auffällt, dass ja alle Scheine die gleiche Nummer eingedruckt haben.
Die Wahrscheinlichkeit, eine falsche Banknote ins Portemonnaie zu bekommen ist weiterhin gering: pro 2000 Personen einmal im Jahr, von 1 Million pro Jahr in Umlauf gebrachten Banknoten sind 2022 nur vier gefälscht gewesen.
Christian Merker
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