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AutorenbildUwe Bronnert

Ein uralter Weihnachtsbrauch

„Wenn du nicht brav warst, holt dich der Krampus.“ Jedes österreichische Kind versteht diesen Satz. Der Krampus ist der böse Gehilfe des Nikolaus. Er ist sein düsterer Untergebener, ein sagenhaftes Monster, das die böse Seite der guten Macht verkörpert.

Er ist der Schrecken vieler Kinder.


Bekleidet mit einem Mantel bzw. Hosenanzug aus Schaf- oder Ziegenfell, mit Rossschweif oder Kuhschwanz, eine Kuhglocke am Gürtel oder Gurt am Rücken, einer Holzmaske aus Zirben- oder Lindenholz mit echten Ziegenbock-, Steinbock- oder Widderhörnern vor dem Gesicht, auf dem Rücken die Butte, in dem der Sage nach, böse Kinder mitgenommen werden und „bewaffnet“ mit einer Birkenrute, so das überlieferte Kostüm. Überall in Österreich, auch in Teilen Bayerns und Südtirols, jagen die Krampusse am Krampustag unter lautem Lärm ihrer Glocken durch die Dörfer. Dabei machen sie auch Gebrauch von ihren Ruten.


Der Krampustag ist der Vorabend des Nikolaustages, also der 5. Dezember. Anders als in Norddeutschland, wo der Heilige Nikolaus mit seinem Gehilfen Knecht Ruprecht erscheint, tritt hier Nikolaus mit einer Schar von Krampussen auf. Begleitet von Schreckgestalten, Teufeln und Tiermasken beschenkt Nikolaus die braven Kinder, während die unartigen vom Krampus bestraft werden.


Die Gemeinde Bruck[1] im Pinzgau gab 1920 eine Notgeldserie, bestehend aus sechs Scheinen mit weihnachtlichen Motiven, aus. Die bildgleichen Scheine zu 40 und 80 Heller sind dem Krampus gewidmet, die ihn auf der Rückseite zeigen. Er hält einen wohlhabenden Mann mit Zylinder am Arm fest. Das Gesicht des Mannes ist schmerzverzerrt. Der Krampus schwingt seine Birkenrute. Die vollen Säcke im Hintergrund des Bildes deuten darauf hin, dass es sich bei dem Mann um einen Händler handelt, der seine Kunden übervorteilte und nun seine gerechte Strafe erhält. Manche Betrachter des Scheins wollen in dem Mann einen jüdischen Kaufmann sehen.


Abb. 1: Gemeinde Bruck im Pinzgau, o. D., 40 Heller, Rückseite.


Abb. 2: Gemeinde Bruck im Pinzgau, o. D., 80 Heller, Rückseite.


Bei zwei weiteren Scheinen zu 60 Heller und einer halben Krone schreitet der Heilige Nikolaus durch eine verschneite, nächtliche Landschaft. Auf dem Rücken trägt er einen prall gefüllten Sack mit Geschenken für die Kinder. Neben ihm läuft das Christkind. In den Händen trägt es einen geschmückten kleinen Weihnachtsbaum. Rechts im Bild sind in den Tannen, drei Engel zu erkennen.


Die Darstellung des Christkindes auf den Scheinen zeigt, dass sich Anfang des 20. Jahrhunderts auch in katholisch geprägten Gegenden die Figur des Christkindes etabliert hatte. Da evangelische Reformatoren die Heiligenverehrung ablehnten, hatte Martin Luther 1531 die Beschenkung der Kinder vom Nikolaustag auf den 25. Dezember verlegt und an die Stelle des „Heiligen Nikolaus“ trat der „heilige Christ“, das spätere „Christkind“. Damit ist nicht das neugeborene Jesuskind gemeint, wie man annehmen könnte, sondern es hat seinen Ursprung in den Engeln oder engelähnlichen Gestalten von Krippenspielen und Weihnachtsumzügen.


Abb. 3: Gemeinde Bruck im Pinzgau, o. D., ½ Krone, Rückseite.


Abb. 4: Gemeinde Bruck im Pinzgau, o. D., 60 Heller, Rückseite.


Die letzten beiden Scheine zu 75 und 90 Heller zeigen in einem großen von Tannengrün und Kerzen eingerahmten Bild fünf tanzende Kinder, die vom Christkind und Engeln mit Geschenken überhäuft werden.


Abb. 5: Gemeinde Bruck im Pinzgau, o. D., 75 Heller, Rückseite.


Abb. 6: Gemeinde Bruck im Pinzgau, o. D., 90 Heller, Rückseite.


Die Vorderseiten aller Scheine haben bis auf die Wertangabe das gleiche Aussehen.

Im oberen Medaillon wird nochmals das Christkind in Engelsgestalt mit einem Weihnachtsbaum in Händen dargestellt. Es folgt der Text, dass der Schein bis zum 15. Jänner (Januar) 1921 in gesetzlichem Bargeld eingelöst wird sowie die Unterschriften des Bürgermeisters und des 1. und 2. Gemeinderates. Darunter folgen in zwei achteckigen Medaillons jeweils die Darstellung eines Tannenzweiges mit Kerze und Christbaumschmuck.


Abb. 7: Gemeinde Bruck im Pinzgau, o. D., Gemeinsame Vorderseite.


Bleibt noch anzumerken, dass die Scheine auch mit einem Gemeindestempel auf der Vorderseite vorkommen. Neben der abgebildeten Serie im „Buntdruck“ gibt es auch eine in „Golddruck“-Ausführung.[2]


Uwe Bronnert


Anmerkungen: [1] Bruck liegt im Salzburger Land an der nördlichen Zufahrt zur Großglockner-Hochalpenstraße.

[2] S. Johann Kodnar u. Norbert Künstner, Katalog des österreichischen Notgeldes 1914-1924, Eigenverlag 2017, S. 122, Kat,-Nr. 107 III a) – c).

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