Vor einigen Wochen wurde bei Geldscheine-Online der 2005 in der Tschechischen Republik veröffentlichte Katalog von Vostal/Ryant über das Notgeld in der Österreich-ungarischen Monarchie, Teile Königreich Böhmen, Marktgrafschaft Mähren und Südteil des Erzherzogtums Schlesien, in tschechischer Sprache und wie damals noch üblich mit Schwarzweiß-Abbildungen, besprochen.
Angeregt durch dem von der Corona-Pandemie eingetretenen Stillstand in vielen Sparten des Lebens hat sich Autor Dr. Vostal, diesmal mit Herrn Hejzlar, entschieden, seinen Katalog neu und dem heutigen Wissen entsprechend zu überarbeiten. Auch ich wurde ins Boot geholt. Geplant war auch die Überprüfung seinerzeitiger Zuordnungen. Und auf der Suche nach einem Namen im Internet konnte Vostal bereits eine Entdeckung, ja eigentlich einen Volltreffer, bekanntgeben.
Die vor mehr als 100 Jahren dem Kronland der Österreich-ungarischen Monarchie Böhmen zugeordneten Notgeldscheine, Katalognummer bei Vostal/Ryant 830: Marienthal / Marianske Udoli, Herausgeber Max Todesko, gehören nicht nach Böhmen sondern nach Niederösterreich! Ortschaft Marienthal, Marktgemeinde Gramatneusiedel. Wie konnte es dazu kommen?
Dazu die jetzt recherchierte Vorgeschichte: Nach dem Tod seines Vaters Hermann Todesco übernimmt Sohn Max 1844 die Textilfabrik Mariathal. Er hatte genug Pläne für den weiteren Ausbau der Fabrik, schaffte Arbeiterunterkünfte sowie Kindergarten und gründet einen Arbeiter-Consum-Verein.
Im Katalog von Menzel 2014 findet man eine Wertmarke aus Messing, Wert 1 beidseitig, jedoch als "nicht lokalisiert" eingetragen. Andere Nominale sind derzeit nicht bekannt.
Erstmals finde ich in einem Auktionskatalog von H. Cubasch, Wien, den Namen Mariathal im Zusammenhang mit der Sammlung (Nachlass) von Dr. Schlesinger, Wien.
Unter "Papiergeld" wird bei der Nr. 713 Notgeld von 1848/49 von Städten und Orten in Böhmen, Mähren, Niederösterreich ect. angeboten. Leider nur nach Ortsnamen ohne Details und ohne Marienthal. Beim zweiten und sehr großen Lot Nr. 714 (je Ausgabe nur 1 Stück) liegt der Schwerpunkt bei den tschechischen Notgeldern. Bewusst oder fälschlich werden auch je ein Stück Bregenz und Marienthal angegeben. Auch hier keinerlei Details. Von da ab gibt es bei Auktionen von Cubasch keinen Hinweis mehr auf Marienthal. Das könnte der springende Punkt gewesen sein und Marienthal war und blieb in Böhmen bis Todesco "erwachte"!
Ähnlich geht es bei Dr. Keller weiter. In seiner Broschüre von 1921 (Nachdruck 1922) schreibt der damals bekannte Sammler Mag. Direktor Reith aus Oberösterreich in einer Zusammenfassung zum österreichischen Notgeld 1805–1848: Unmengen von Notgeld kommen in den Umlauf. Ein Prager ließ sich sogar sein Lusthäuschen mit Scheinen austapezieren. All diese Ausgaben zu erfassen ist jedoch sehr schwierig und muss zu Fehlern führen. So werden in der angekündigten Tabelle auch die beiden Scheine von Marienthal lautend auf 10 und 20 Kronen weiter Böhmen zugeordnet. Jetzt aber schon mit Datum 1.3.1849, doch ohne Angabe eines Herausgebers und nicht in der Spalte Niederösterreich gelistet.
In seinem 1954 herausgegebenen Katalog "Österreich-Ungarn, das Notgeld 1848–1869" ordnet Keller dann Marienthal ebenfalls weiter unter Böhmen ein. Doch nun in folgender Reihenfolge:
364 Marienthal (B.) Max Todesco a) 1.3.1849 10 20 Kr (diese bisher jedoch nicht belegt) b) desgl. Fabrik Nr. 1, o.D. (blanco), Udr. rosa / Rahmen braun, Udr.orange, 10, 20 Kr
FUST Max Todesco c) desgl. Fabrik Nr. 2, o.D. (blanco), Udr. blau / Rahmen rot, Udr. grün, 10, 20 Kr –"–
In meinen Katalog "Papiergeld Spezialkatalog Österreich 1759–2010" wurde erstmals auch das Notgeld von ca. 1800–1887 (heutiges Österreich und Südtirol) aufgenommen.
Diese Entdeckung wird die Kat.Nr. NG/22A erhalten.
Rudolf Richter
Weitere Informationen zu Marienthal bei Wikipedia. Abbildungen: Deutsche Bundesbank, Frankfurt am Main
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