Ein Geldschein stellt sich vor
Im Reichsanzeiger Nummer 48 des Jahres 1906 vom 24. Februar 1906 wurde folgendes Gesetz veröffentlicht:
Gesetz betreffend der Ausgabe von Reichsbanknoten zu 50 und 20 Mark vom 20. Februar 1906
Wir, Wilhelm, von Gottes Gnaden Deutscher Kaiser, König von Preußen usw. verordnen im Namen des Reiches, nach erfolgter Zustimmung des Bundesrates und des Reichstags, was folgt: Die Reichsbank wird ermächtigt, Banknoten auf Beträge von 50 und 20 Mark auszufertigen und auszugeben. Urkundlich unter Unser Höchsteigenhändigen Unterschrift und beigedrucktem kaiserlichen Insiegel Gegeben Kiel, an Bord M.S. „Preußen“, den 20. Februar 1906 Wilhelm Graf von Posadowsky
Knappe zwei Monate später kam es im Reichsanzeiger Nummer 94 vom 21. April 1906 zur Bekanntmachung die Ausgabe von Reichsbanknoten zu 50 und 20 Mark betreffend.
Die Reichsbanknote zu 20 Mark vom 10. März 1906 wird folgendermaßen beschrieben:
Die Noten sind 9 cm hoch und etwa 13,7 cm breit. Sie bestehen aus Hanfpapier und blauen Faserstreifen am rechten Rande der Vorderseite und sind mit einem künstlichen Wasserzeichen ausgestattet, welches am oberen Rande einen Kontrollbuchstaben und unterhalb der Mitte der Note die 3 Buchstaben RBD zeigt. Der Druck der Vorderseite ist in blauer, der Aufdruck der beiden Stempel und der Ziffern in roter Farbe ausgeführt. Die Vorderseite enthält auf hellem, guillochiertem, einer länglichen Rosette ähnlichen Unterdruck den folgenden Text: Zwanzig Mark zahlt die Reichsbankhauptkasse in Berlin ohne Legitimationsprüfung dem Einlieferer dieser Banknote Berlin, den 10. März 1906 Reichsbankdirektorium. Koch. Gallenkamp. Frommer. von Glasenapp. Schmiedicke. Korn. Gotzmann. Maron. von Lumm. Auf beiden Seiten des oberen Teiles befindet sich je eine Rosette. Die linke enthält in heller Schrift auf dunklem Grunde den Anfangsbuchstaben Z zu dem Worte Zwanzig, in der rechten ist mit dunklem Druck auf hellem Grunde der Reichsadler angebracht. Senkrecht unter diesen beiden Rosetten und getrennt durch die Zahl 20 befindet sich je eine kleinere Rosette, deren Mitte durch den Stempel des Reichsbankdirektoriums ausgefüllt ist. In der rechten unteren ist außerdem der Strafsatz abgedruckt. Auf der Rückseite ist eine große, in blauer und roter Farbe gedruckte Rosette angebracht, in deren Mitte die Zahl 20 steht. Zu beiden Seiten der Rosette ist der Strafsatz in kleiner Schwabacher Schrift abgedruckt. Jede Note trägt die gleiche Nummer viermal und zwar auf der Vorderseite am rechten und linken Rande, auf der Rückseite am oberen und unteren. Beide Seiten sind mit einem gemusterten gelbbraunen Druck versehen, in welchem neben andern Verzierungen abwechselnd die Buchstaben W und R B, sowie der Reichsadler enthalten sind.

Abb. 1: Vorderseite der Reichsbanknote zu 20 Mark vom 8. Juni 1907,
identisch mit der Ausgabe vom 10. März 1906 (Quelle: Sammlung Oliver Herzberg).

Abb. 2: Rückseite der Reichsbanknote zu 20 Mark vom 8. Juni 1907,
identisch mit der Ausgabe vom 10. März 1906 (Quelle: Sammlung Oliver Herzberg).
Auch wenn die Noten relativ einfach gestaltet waren, scheint die Zeit zwischen dem Gesetz und der Ausgabe kurz. Zwar wurde der erste Entwurf des Gesetzes schon am 11. Mai 1905 zur Beratung im Reichstag eingereicht, aber erst in der 46. Sitzung des Reichstages am
17. Februar 1906 verabschiedet. Das Thema war zwar kontrovers diskutiert worden, doch lag diese Verzögerung nicht an den langen Debatten und tagenden Unterausschüssen, sondern eher daran, dass die erste Vorlage zum Ende der Sitzungsperiode eingereicht wurde und nicht ausreichend beraten werden konnte. Doch was sich hier innerhalb eines Jahres abspielte, hatte ein Vorspiel, das bis ins Jahr 1891 zurückreicht.
Die Bismarck'sche Regierungszeit oder keine Reichsbanknoten unter 100 Mark
Wenn man es genau nimmt, fing es mit den Beratungen zum Münzgesetz vom 9. Juli 1873 an, in dem festgelegt wurde, dass Banknoten nicht unter 100 Mark ausgegeben werden dürfen. Mit dieser Beschränkung sollten die Banken und ihre Notenausgabe reguliert werden, die in den Jahren vor der Reichsgründung gerade mit kleinen Noten ausuferte und als eine Bedrohung für die neue Goldwährung gesehen wurde. Reichsbanknoten zu 50 oder gar zu 20 Mark waren also bei der Währungsreform 1873 nicht vorgesehen.
Verlassen wir die Währungspolitik und widmen wir uns der Außenpolitik. Nach der Reichsgründung versuchte Reichskanzler Otto Graf von Bismarck mit seiner Außen- und Bündnispolitik Frankreich zu isolieren, um so die Gefahr eines Krieges und besonders eines Zweifrontenkrieges zu minimieren.
Nachdem Anfang 1886 Georges Boulanger, der Wortführer der Revanchisten gegen Deutschland, der einen Vergeltungsschlag für den verlorenen deutsch-französischen Krieg von 1870/71 befürwortete, Kriegsminister geworden war, verschlechterte sich die Beziehung zwischen Deutschland und Frankreich weiter. Frankreich stockte die Mittel für das Heer auf, um sich für einen Krieg gegen Deutschland zu wappnen. Garnisonen und Kasernen wurden an der französischen Ostgrenze verstärkt. Diese Aktivitäten nährten die Angst vor einem möglichen französischen Angriff in Deutschland und man reagierte damit, die Mittel für das Heer ebenfalls zu erhöhen. Dafür und als Voraussetzung für einen erfolgreichen Krieg mussten die Finanzen des Reiches gestärkt werden. Bismarck schrieb am 4. Dezember 1886 an den preußischen Kriegsminister Paul Bronsart von Schellendorf, dass „wenn die Hoffnung auch im nächsten großen Krieg Sieger zu bleiben, eine Täuschung wäre, wenn wir nach Gottes Willen im nächsten Kriege unterliegen sollten, so halte er es für zweifellos, dass unseren siegreichen Gegner jedes Mittel anwenden würden, um zu verhindern, dass wir jemals oder doch im nächsten Menschenalter wieder auf die eigenen Beine kommen, ähnliche wie im Jahre 1807. … Er wolle in diesem Rückblick nur den Schluss herleiten, dass die Situation Deutschlands, wenn es besiegt werden sollte, eine so böse sein werde, dass wir kein Finanzopfer, und wäre es noch so groß, scheuen dürfen, um den Sieg zu sichern,...“[1]
Bismarck bat im Dezember 1886 den preußischen Finanzminister Dr. Adolf von Scholz, die finanzielle Bereitschaft des Reiches eingehend zu prüfen. Der Bericht von Dr. Adolf von Scholz vom 27. Dezember 1886 kam zu dem Schluss, dass die Mittel sowohl für die Mobilmachung, als auch für die Kriegsführung verfügbar seien oder aber auch kurzfristig zu beschaffen seien.[2]
Nachdem Russland am 23. April 1887 endgültig ablehnte, den Drei-Kaiser-Vertrag zu verlängern und so die Bedrohung für Deutschland größer wurde, entwickelte sich das Ganze im weiteren Verlauf des Jahres positiv für das Deutsche Reich. Am 29. Mai 1887 wurde die französische Regierung gestürzt und durch eine Regierung ohne Georges Boulanger ersetzt. Ein Rückversicherungsvertrag wurde am 15. Juni 1887 mit Russland abgeschlossen und gab zumindest für drei Jahre die Sicherheit vor einem Zweifrontenkrieg.
Eine Zeitenwende oder wie finanziert man die Mobilmachung
Die Situation veränderte sich schon bald. Kaiser Wilhelm II. bestieg 1888 den Thron.
Am 20. März 1890 trat Bismarck nach einem Streit mit dem neuen Kaiser zurück.
Der Rückversicherungsvertrag mit Russland wurde nicht verlängert. Obwohl Russland dazu bereit gewesen wäre, bestand von deutscher Seite kein Interesse. Er galt aufgrund zunehmender Spannungen als nicht mehr praktikabel. Russland, vom Deutschen Reich zurückgewiesen, näherte sich nun Frankreich an. Die Beziehung zwischen den beiden Mächten verbesserten sich und führten 1892 zu einer Militärkonvention zum Schutz vor einem deutschen Angriff. Die deutsche Politik begann, sich vom Bismarck'schen Bündnissystem abzuwenden und sich neu zu orientieren. In den frühen 1890er Jahren versuchte Reichskanzler Georg Leo von Caprivi durch eine größere innere Einheit geschlossener nach Außen auftreten zu lassen. Gemeinsam mit höheren Rüstungsaufgaben wurde dadurch eine gewisse Abschreckung gegen Angreifer geschaffen. Zudem sollte die deutsche Wirtschaft durch wirtschaftsliberale Handelsabkommen gestärkt werden und das Deutsche Reich über diese Verträge in ein weitreichenderes Wirtschaftsnetz eingebunden werden. Dass eine wirtschaftliche Verflechtung mit ihren engen internationalen Beziehungen durchaus ein wirksames Mittel zur Friedenssicherung sein kann, hat die Europäische Union seit ihren Anfängen bewiesen.
Gerade aufgrund der höheren Ausgaben für die Rüstung musste auch die finanzielle Kriegsbereitschaft für den Fall der Fälle im Auge behalten werden. So ließ der neue preußische Finanzminister Johannes von Miquel, der seit Juni 1890 das Amt bekleidete,
die finanzielle Lage prüfen und kam zum Schluss, dass sie ungenügend war. Hier spielte es eine Rolle, das von Miquel den täglichen Bedarf ermitteln ließ und sich nicht auf den allgemeinen oder auch den grob bestimmten laufenden Bedarf verließ.[3]
Darauf wurde das Thema in der Sitzung des preußischen Staatsministerium am 31. Mai 1891 erörtert. Neben den Mitgliedern des preußischen Staatsministeriums waren der Staatssekretär des Reichsschatzamtes, Freiherr Helmuth von Maltzahn, und der Reichsbankpräsident, Dr. Richard Koch, anwesend, um die Maßnahmen zu besprechen,
die im Falle eines Krieges zu treffen seien. Obwohl die Lage so friedlich wie lange nicht mehr erscheine, müsse doch im Frieden für den Krieg alles vorbereitet werden, was im Frieden möglich sei. Darunter falle eben auch die Geldbeschaffung. Die Kosten der Mobilmachung über dem Friedensetat lägen für die ersten drei Monate bei 1.382,5 Millionen Mark, davon seien 452,8 Millionen Mark im ersten Monat und 215 Millionen Mark in den ersten sechs Tagen flüssig zu machen. Weitere 50 Millionen Mark würden für die Mobilisierung der Marine benötigt. Dem ersten Bedarf stünden 400 Millionen Mark an Barmitteln und leicht zu verflüssigenden Mitteln gegenüber, sodass die Kosten der ersten Tage gedeckt wären.
Das Reichspapiergeld könne ohne Gefahr von 120 Millionen auf 200 Millionen Mark erhöht werden und der Reichsinvalidenfond von 58 Millionen Mark beliehen werden. Einer ersten Anleihe gleich zu Beginn des Krieges stand man aufgrund der Erfahrungen aus dem Deutsch-Französischen Krieg von 1870/71 skeptisch gegenüber. Damals brachte die erste Anleihe nicht die geplanten Summen auf. Erst nach den ersten Erfolgen auf den Schlachtfeldern Frankreichs wurden die Anleihen ein Erfolg und sogar überzeichnet. Entsprechend solle man mit der ersten Anleihe von einer Milliarden Mark solange warten, bis sich das Kriegsglück abzeichnet und Erfolge im Feld verbucht wurden.[4]
Weitere Maßnahmen seien zu treffen: Ein Zwangskurs für die Reichsbanknoten sei so lange wie möglich hinauszuzögern. Stattdessen sollen die Länder wie auch das Reich besonders im Frühjahr größere Kassenbestände vorhalten. Gesetzentwürfe für die Aufnahme einer Anleihe, der Gründung von Darlehenskassen sowie der Ausgabe von Reichsbanknoten über Beträge unter 100 Mark seien vorzubereiten. Pflanzenpapier für 120 Millionen Mark Papiergeld werde schon beschafft. Die Reichsbank müsse den Goldbestand schützen und weiteres Gold aus dem Ausland besorgen. Das Reich verfüge dafür aber über keine Mittel. Hohe Forderungen an das Ausland, die man jedoch zur Zeit nicht habe, seien wünschenswert, da erst sie es ermöglichten, Gold anzukaufen. Die Darlehenskassen hatten sich schon in den Kriegen von 1848, 1866 und 1871 bewährt und man sollte wieder darauf zurückgreifen.[5]
Der Reichsbankpräsident Dr. Richard Koch bekräftigte, dass die Reichsbank alles tun werde, was im Rahmen ihrer Hauptaufgaben und Organisation möglich sei, um die nötigen Gelder zu beschaffen. Er hielt es allerdings für effektiver, Reichsbanknoten zu 20 Mark auszugeben als über Darlehenskassen und die Reichskassenscheine die Menge an Papiergeld zu erhöhen. Die Reichsbanknoten zu 20 Mark böten eine größere Flexibilität. Ein Gesetz zur Ausgabe der kleinen Reichsbanknoten sei in diesem Falle zu erlassen. Er werde schon jetzt das nötige Papier besorgen und Druckplatten für eine Reichsbanknote zu 20 Mark anfertigen lassen. Die Bestände an Goldwechseln könne man allerdings nur schwer erhöhen, ohne der Wirtschaft zu schaden.[6] Die kleinen Reichsbanknoten würden im Falle eines Krieges anstelle der umlaufenden Goldmünzen treten.[7]
Das Ergebnis der Besprechung war, dass die Gesetzentwürfe für die Ausgabe einer Kriegsanleihe, der Gründung der Darlehenskassen und der Ausgabe von kleinen Reichsbanknoten vorbereitet wurden. Organisatorisch wurden in der Reichsbank, dem preußischen Finanzministerium und dem Reichsschatzamt spezielle Referate eingerichtet,
die sich mit der finanziellen Mobilmachung befassten und diese vorbereiteten. Sie sollten jährlich den Geldbedarf für den Kriegsfall errechnen und Maßnahmen erwägen, den Geldbedarf und den Zahlungsverkehr sicherzustellen.
Am 4. Juli 1891 schrieb der preußische Finanzminister Johannes von Miquel an den Reichskanzler Georg Leo von Caprivi. Er hatte sich besonnen und, obwohl er sich während der Besprechung nicht gegen die Ausgabe von Reichsbanknoten über Beträge unter 100 Mark ausgesprochen hatte, müsse er von dieser Maßnahme im Kriegsfall abraten. Es habe damals und heute seine Gründe gehabt, weshalb Banknoten keinen Geldcharakter tragen sollten und deshalb Noten unter 100 Mark nicht ausgegeben werden dürfen. Mit den Reichskassenscheinen und den Darlehenskassen habe man geeignetere Mittel, diesem zusätzlichen Bedarf entgegenzutreten.[8] Der Reichsbankpräsident und der Staatssekretär des Reichsschatzamtes teilten diese Auffassung.
Der Reichskanzler Georg Leo von Caprivi traf keine Entscheidung, sodass gegensätzliche Standpunkte zwischen den Leitern der Staats- und der Reichsfinanzen bestanden.
Die technischen Vorbereitungen für den Notendruck wurden nicht zurückgestellt und weiter vorangetrieben.
Ein erster kurzer Auftritt
Das Ergebnis war die Reichsbanknote zu 20 Mark mit dem Datum vom 1. Juli 1893, wie sie im Katalog „Die deutschen Banknoten ab 1871“ von Hans-Ludwig Grabowski in der 22. Auflage von 2021 unter DEU-7 mit der Vorderseite aufgeführt ist (siehe Abb. 3).[9]
Bis auf die Unterschriftenliste, dem Bezug auf ein Gesetz vom 1. April 1893, dem fehlenden zweiten Siegel des Reichsbankdirektoriums und der Gestaltung und Anordnung der Kontrollnummer ist diese Note identisch mit der Reichsbanknote zu 20 Mark, die mit dem Datum vom 10. März 1906 ausgegeben wurde.

Abb. 3: Vorderseite der Reichsbanknote zu 20 Mark vom 1. Juli 1893
(Quelle: Archiv der Bundesdruckerei)
Das Gesetz, das am unteren Rand erwähnt wird, wurde nicht verabschiedet. Ein Hinweis auf das Gesetz, in diesem Falle das Gesetz vom 20. Februar 1906, fehlte auf den später ausgegebenen Banknoten gleicher Art gänzlich.
Der Zwangskurs oder wie von Miquel sich eines Anderen besann
Aufgrund stagnierender Reichseinnahmen bei deutlich höheren Ausgaben, besonders aufgrund der Aufrüstung, entwickelten sich die Reichsfinanzen ungünstig.
Die Anleiheschulden erhöhten sich von 0,5 Milliarden Mark Mitte der 1880er Jahre auf 2,2 Milliarden Mark zur Jahrhundertwende. Allerdings wurden die erhöhten Ausgabe als unvermeidlich angesehen. In seiner Rede am 14. Mai 1890 vor dem Reichstag verwies Generalfeldmarschall Helmuth von Moltke auf die Vergangenheit und was man aus der Besatzung der Napoleonischen Zeit lernen solle:
„Ja, meine Herren, hätten wir die sehr großen Ausgaben nicht gemacht für militärische Zwecke, für welche der Patriotismus dieses Hauses und der Nation die Mittel gewährt hat, so würden allerdings unsere Finanzen heute sehr viel günstiger liegen, als es gegenwärtig der Fall ist. Aber, meine Herren, die glänzendste Finanzlage hätte nicht verhindert, dass wir bei mangelnden Widerstandsmitteln heute am Tage den Feind im Lande hätten; denn lange schon und auch jetzt noch ist es nur das Schwert, welches die Schwerter in der Scheide zurückhält. Der Feind im Lande — nun, wir haben das zu Anfang des Jahrhunderts sechs Jahre lang getragen, und Kaiser Napoleon konnte sich rühmen, aus dem damals kleinen und armen Lande eine Milliarde herausgepresst zu haben — der Feind im Lande würde nicht viel fragen, ob Reichsbank oder Privatbank. Sahen wir doch im Jahre 13, als er schon im vollen Abzüge war, wie in Hamburg — damals eine französische Stadt — ein französischer Marschall zum Abschied die Hamburger Bank in die Tasche steckte. Der Feind im Lande würde schnell mit unseren Finanzen aufräumen. Nur ein waffenstarkes Deutschland hat es möglich machen können, mit seinen Verbündeten den Bruch des Friedens so lange Jahre hindurch hinzuhalten. Meine Herren, je besser unsere Streitmacht zu [Wasser] und Lande organisiert ist, je vollständiger ausgerüstet, je bereiter für den Krieg, um so eher dürfen wir hoffen, vielleicht den Frieden noch länger zu bewahren oder aber den unvermeidlichen Kampf mit Ehren und Erfolg zu bestehen.“
Frankreich hatte im Gegensatz zu Deutschland die gesteigerten Rüstungsausgaben aus den laufenden Mitteln decken können. Die hohe Schuld Deutschlands wurde immer kritischer gerade in Hinsicht auf mögliche Kriegsanleihen gesehen. Diese Anleihen günstig zu platzieren, wurde mit steigender Belastung schwieriger.
Da am 30. April 1898 das erste Flottengesetz in Kraft trat, war abzusehen, dass der Reichshaushalt noch stärker belastet und sich die Lage verschlechtern würde.
Der preußische Finanzminister Johannes von Miquel verfolgte die Entwicklung der Schulden und des Geldbedarfs für die Mobilmachung kontinuierlich und hielt regelmäßig mit dem Chef des Generalstabs, General Alfred von Schlieffen, Rücksprache. Aufgrund seines hohen Alters und der Erkenntnisse aus diesen Gesprächen reichte Johannes von Miquel am 11. November 1898 einen Thronbericht an Wilhelm II. ein, in dem er die aus seiner Sicht wichtigsten finanzpolitischen Themen zur Kriegsbereitschaft behandelte. Er führte an, wie schlecht Deutschland im Vergleich zu seinen Gegnern gestellt sei. Es sei zu befürchten, dass das Gold bei einem drohenden Kriege abgezogen werde. Deshalb solle mit der Mobilmachung der Zwangskurs, also die Pflicht der Reichsbank aufgehoben werden, ihre Banknoten gegen bares Gold einzutauschen. Die Reichsbanknoten würden mit dieser Maßnahme zu einem gesetzlichen Zahlungsmittel. Auch wehrte sich Johannes von Miquel nicht mehr gegen die Ausgabe von kleinen Banknoten. Nach diesem Thronbericht wurden die Verhandlungen zur finanzielle Kriegsrüstung, die sich seit 1891 eher dahinschleppten, von den betroffenen Stellen wieder aufgenommen. Das betraf den Druck von Papiergeld. So wurde eine Anfrage des Reichspostamtes bzw. der Reichsdruckerei, die dem Reichspostamt untergeordnet war, vom Reichskanzleramt an das Reichsschatzamt am 18. Januar 1900 weitergeleitet, in der „Reserveformulare“ im Wert von 20 Mark als Darlehens- und Reservereichskassenscheine zum Druck vorbereitet werden sollten.
Das Reichsbankdirektorium reichte am 12. Juni 1900 ein Gesuch an das Reichskanzleramt ein, mit dem Druck von Reichsbanknoten zu 20 Mark bis zu 50 Millionen Mark und zu
50 Mark bis zu 100 Millionen Mark vorgehen zu dürfen.[10] Drei Tage später erteilte der Reichskanzler sein Einverständnis. Nicht einmal ein Jahr später konnte vermeldet werden, dass die 50 Millionen Mark in 20-Mark-Reichsbanknoten so gut wie fertiggestellt seien.
Die Druckplatten für die Reichsbanknote zu 50 Mark werden zu der Zeit beschafft und man erwartete, die 100 Millionen Mark in 50-Mark-Noten in anderthalb Jahren, also gegen Ende 1902, gedruckt zu haben.[11]
Wie schon die Reichsbanknote zu 20 Mark war die Reichsbanknote zu 50 Mark eher einfach gehalten. Beide Noten waren Reservenoten, die im Kriegsfall ausgegeben werden sollten, um Engpässe bei der Geldversorgung zu vermeiden. Da man hoffte, ja darauf angewiesen war, dass ein Krieg nur von kurzer Dauer sei, erwartete man, dass die Noten nur kurz umliefen und schnell wieder eingezogen werden könnten. Das mag erklären, warum die Noten technisch und künstlerisch nicht auf dem gleichen Niveau waren, wie die Reichskassenscheine, die vorbereitet wurden, oder der 1899 ausgegebene Reichskassenschein zu 50 Mark. Es haftete diesen neuen Reichsbanknoten etwas provisorisches an, was sicherlich auch gewollt war. Eine Ausgabe zu Friedenszeiten war vorerst nicht vorgesehen.
Die Reichsbank will nicht abwarten
Mit fortschreitender Industrialisierung ergaben sich weitere schwerwiegende Aspekte für die finanzielle Kriegsbereitschaft, die den Bedarf für die ersten Kriegsmonate steigerten.
Um bestehen zu können, müsse die Finanzierung des Handels und der Industrie gewährleistet werden. Besonders die kriegswichtigen Zweige dürften nicht beeinträchtigt werden und man müsste entsprechende Mittel bereithalten. Der zusätzliche Finanzbedarf wurde auf rund 750 Millionen Mark berechnet. Die Maßnahmen, die vorbereitet worden waren, sollten zwar auch diesen Bedarf decken können, doch wurde darauf verwiesen, dass die Goldbestände der Reichsbank im Vergleich zu denen Russlands und Frankreichs gering ausfielen. Gerade bei ungünstigem Kriegsverlauf sei aufgrund der starken Beanspruchung der Reichsbank damit zu rechnen, dass der Goldbestand stark abnähme. Statt das Gold im Umlauf zu belassen, wäre es geschickter, die Goldbestände bei der Reichsbank zu bündeln und so die Reichsbank handlungsfähiger zu machen. Die Ausgabe kleiner Reichsbanknoten wurde als geeignetes Mittel gesehen, den Goldumlauf zu reduzieren. Dadurch, dass diese kleinen Banknoten die Goldmünzen ersetzten, wandere das Geld nicht ins Ausland ab, sondern werde der Reichsbank zufließen. Zusammen mit dem Zwangskurs für die Reichsbanknoten könne man den Goldbestand stärken.[12]
Die Reichsbank hatte jedoch Bedenken, dass im Falle eines Krieges die kleinen Reichsbanknoten nicht akzeptiert würden. Sie rechtzeitig in den Verkehr zu bringen, könne das Publikum längerfristig an die kleinen Noten gewöhnen. Vorbehalte gegen die plötzlich auftauchenden neuen Geldscheine wären so zu vermeiden. Außerdem sei bei der Ausgabe erst zur Mobilmachung damit zu rechnen, dass sich diese aus logistischen Gründen verzögere. Bringe man die Geldscheine rechtzeitig, ja schon zu Friedenszeiten in den Verkehr, wäre dieses Problem gelöst. Die zusätzlichen Bestände an Banknoten und Formularen, die für den Bedarf bei der Mobilisierung in den Reichsbankkassen eingelagert werden müssten, würden weniger auffallen und ihren Zweck nicht offenlegen.
Das Reichsbankdirektorium wies das Reichsschatzamt 1904 auf ihre Bedenken hin.[13]
Aus politischen Gründen wurden die kleinen Reichsbanknoten aber noch nicht ausgegeben. Ein Jahr später entschloss man sich dann doch, einen Gesetzentwurf zur Ausgabe der kleinen Noten im Reichstag einzureichen. In der 186. Sitzung des Reichstags am 19. Mai 1905 fand die erste Beratung zum Entwurf betreffend der Ausgabe von Reichsbanknoten zu 50 und 20 Mark statt. Das Gesetz wurde damit begründet, dass im Geldverkehr dringend Noten kleinerer Stückelung gebraucht würden. Für die kleinen Abschnitte waren nur die Reichskassenscheine verfügbar, die auf 120 Millionen Mark beschränkt waren. Diese Summe wurde 1873/74 festgelegt und nicht mehr angepasst, obwohl die Bevölkerung und die Wirtschaft des Deutschen Reichs stark gewachsen war. Zudem waren zu Beginn etwa 170 Millionen Mark ausgegeben worden, die bis 1890 auf die festgesetzten 120 Millionen reduziert wurden. Betrachten wir den Wert der Reichskassenscheine pro Kopf der deutschen Bevölkerung, so waren es am Anfang 4 Mark, die sich 1890 auf 3 Mark reduzierten, um letztendlich 1904 nur noch 2 Mark auszumachen.[14] Diese Argumentation wurde nicht von jedem Abgeordneten akzeptiert, sodass nach der zweiten Beratung am 23. Mai 1905 das Gesetz in einen Ausschuss gegeben wurde. Da der Reichstag frühzeitig am 30. Mai 1905 geschlossen wurde, kam es nicht mehr dazu, dass über das Gesetz abgestimmt wurde. Stattdessen wurde das Gesetz zur Ausgabe der kleinen Reichsbanknoten Anfang des Jahres 1906 wieder vorgelegt. Auch hier wurden die Gründe für das Gesetz von Abgeordneten in Frage gestellt und angeführt, dass die Reichsbank hauptsächlich ihre Goldvorräte schonen wolle. Der Abgeordnete Hans Graf von Kanitz (Deutschkonservative Partei) bezog sich dabei auf einen Aufsatz des Reichsbankpräsidenten Dr. Richard Eduard Koch im Bankarchiv
vom 1. Oktober 1905, in dem dieser zum Schluss sagt, dass man das Gesetz zur Ausgabe von vorbereiteten, fertigen papiernen Wertzeichen, mit anderen Worten von kleinen Reichsbanknoten, die den Goldvorrat der Zentralbank schonen, nicht so weit verschieben dürfe, bis ein kritisches Ereignis einträte, das den Goldvorrat nötig hätte.[15]
Wie recht er mit dieser Behauptung hatte! Für mehr Informationen zu diesem Banknotengesetz und den Folgen siehe Literatur in den Literaturverweisen.[16] [17] [18] [19] [20]
Am 17. Februar 1906 wurde das Gesetz angenommen und am 24. Februar 1906 im Reichsanzeiger Nummer 48 des Jahres 1906 veröffentlicht. Ende April wurde damit begonnen, die neuen Reichsbanknoten auszugeben.
Da mit diesem Gesetz und den verausgabten Reichsbanknoten die Reichskassenscheine zu 50 und 20 Mark nicht mehr benötigt wurden, wurde ab dem 28. Dezember 1905 daran gearbeitet, stattdessen einen neuen Reichskassenschein zu 10 Mark herzustellen. Dabei wurde auf einen Entwurf von Paul Thumann zurückgriffen, der als Reichskassenschein zu
20 Mark vorbereitet war und mit dem Datum vom 6. Oktober 1906 Ende 1907 in den Umlauf kam.
Oliver Herzberg
Anmerkungen:
[1] Reichsarchiv, Der Weltkrieg 1914 bis 1918, Kriegsrüstung und Kriegswirtschaft, erster Band, Verlag E.S. Mittler und Sohn, Berlin, 1930, S. 429-430
[2] Reichsarchiv, Der Weltkrieg 1914 bis 1918, Kriegsrüstung und Kriegswirtschaft, Anlage zum ersten Band, Verlag E.S. Mittler und Sohn, Berlin, 1930, S. 293-294
[3] Reichsarchiv, Der Weltkrieg 1914 bis 1918, Kriegsrüstung und Kriegswirtschaft, erster Band, Verlag E.S. Mittler und Sohn, Berlin, 1930, S. 433-434
[4] Reichsarchiv, Der Weltkrieg 1914 bis 1918, Kriegsrüstung und Kriegswirtschaft, erster Band, Verlag E.S. Mittler und Sohn, Berlin, 1930, S. 434-435
[5] Reichsarchiv, Der Weltkrieg 1914 bis 1918, Kriegsrüstung und Kriegswirtschaft, Anlage zum ersten Band, Verlag E.S. Mittler und Sohn, Berlin, 1930, S. 295-296
[6] Reichsarchiv, Der Weltkrieg 1914 bis 1918, Kriegsrüstung und Kriegswirtschaft, Anlage zum ersten Band, Verlag E.S. Mittler und Sohn, Berlin, 1930, S. 296-297
[7] Reichsarchiv, Der Weltkrieg 1914 bis 1918, Kriegsrüstung und Kriegswirtschaft, erster Band, Verlag E.S. Mittler und Sohn, Berlin, 1930, S. 435
[8] Reichsarchiv, Der Weltkrieg 1914 bis 1918, Kriegsrüstung und Kriegswirtschaft, Anlage zum ersten Band, Verlag E.S. Mittler und Sohn, Berlin, 1930, S. 298-299
[9] Hans-Ludwig Grabowski, Die deutschen Banknoten ab 1871, Battenberg Gietl Verlag Regenstauf, 22. Auflage, 2021, S. 29
[10] BArch R43/ 350 Bl. 1 Inhaltsverzeichnis
[11] Reichsarchiv, Der Weltkrieg 1914 bis 1918, Kriegsrüstung und Kriegswirtschaft, Anlage zum ersten Band, Verlag E.S. Mittler und Sohn, Berlin, 1930, S. 308-312
[12] Reichsarchiv, Der Weltkrieg 1914 bis 1918, Kriegsrüstung und Kriegswirtschaft, Anlage zum ersten Band, Verlag E.S. Mittler und Sohn, Berlin, 1930, S. 326-329
[13] Ebenda.
[14] Entwurf eines Gesetzes, betreffend die Ausgabe von Reichsbanknoten zu 50 und 20 Mark, Aktenstück Nr. 797, Anlagen zu den Verhandlungen des Reichstages, Bd. 213. 1903/ 1905, Berlin 1905, S. 4774-4775
[15] Abgeordneter Hans Graf von Kanitz, Protokoll zur 25. Sitzung am 22. Januar, 1906, Verhandlungen des Reichstages, Bd. 214. 1905/ 1906, Berlin 1906, S. 701-702 (S. 698-725)
[16] Willy Ruppel, Das Deutsche Banknotengesetz von 1906, Dissertation Darmstadt 1908
[17] Reinhold Zilch, Die Reichsbank und die finanzielle Kriegsvorbereitung von 1907 bis 1914, Akademie-Verlag, Berlin 1987
[18] Reinhold Zilch, Die Geschichte der kleinen Reichsbanknoten zu 20 und 50 Mark, kleine Schriften des Münzkabinetts, Berlin 1979
[19] Martin Pontzen, wie kam es zur Ausgabe von zwanzig und fünfzig Mark in Reichsbanknoten?, Der Geldscheinsammler, 1996, Heft 4, S. 18-20
[20] Eberhard und Matthias Wühle, Wie die Zwanzig-Mark-Banknote Deutschland rettete, Informationshefte des DGW e.V., 2011, Heft 2, S. 16-21
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