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AutorenbildHans-Georg Glasemann

Eisenbahngeld: RÉGIE-Franken 1923/24

Aktualisiert: 14. Nov. 2023

Die Verwaltung der deutschen Eisenbahnen im besetzten Gebiet* wurde durch die von der französischen und von der belgischen Besatzungsmacht gemeinsam betriebene RÉGIE DES CHEMINS DE FER DES TERRITOIRES OCCUPÉS (kurz: RCFTO oder RÉGIE) wahrgenommen: Der Sitz der französisch-belgischen Eisenbahnverwaltung war ab 9. März Düsseldorf und später ab 8. April 1923 Mainz.


Einer Düsseldorfer Meldung des „Journal“ von Anfang Oktober 1923 zufolge lagerten bei der RÉGIE schon seit längerer Zeit Geldscheine unbekannter Art, die zu gegebener Zeit emittiert werden sollten. Ihr Druck sei erforderlich geworden, weil die RÉGIE seit einiger Zeit Bezahlung der Eisenbahn-Fahrpreise in französischen Franken fordere, die deutsche Bevölkerung Devisen aber nicht besitze.


Am 20. Oktober 1923 veröffentlichte die französische Nachrichtenagentur „Havas“ eine Ordonnanz (Verordnung) der Internationalen Rheinlandkommission (I.A.R.K.)**, die in der Übersetzung der Berliner Börsen-Zeitung vom 21. Oktober 1923 lautete:

„Angesichts der Schwierigkeiten, die die Eisenbahnregie durch den dauernden Sturz der deutschen Mark hat, verordnet die interalliierte Rheinlandkommission: Artikel I. Die Eisenbahnregie der besetzten Gebiete ist ermächtigt, Transportbons auszugeben, die in französischen Franken berechnet sind. Artikel II. Die Bons werden kenntlich machen, dass sie zur Zahlung derjenigen Summen gültig sind, die den Eisenbahnen der besetzten Gebiete geschuldet werden. Artikel III. (Nur Strafbestimmungen bei Fälschungen). Diese Verordnung tritt sofort in Kraft. 20. Oktober 1923“.

Die französische Zeitung „Temps“ meldete am gleichen Tag, dass die Bons (RÉGIE-Franken) keinen Zwangskurs hätten und nicht gesetzliches Zahlungsmittel seien. Die ab 11. November 1923 ausgegebenen und in den Umlauf gebrachten zehn undatierten RÉGIE-Franken (Bons) über 0,05, 0,10, 0,25, 0,50, 1, 5, 10, 20, 50 und 100 Francs (französische Franken) enthielten keine weiteren als die aus der vorstehenden Verordnung ersichtlichen Angaben.


Die Bons waren in deutscher und in französischer Sprache gehalten und unterschieden sich in der Gestaltung lediglich in Größe und Farbe. Die Vorderseite der Transportbons zeigt im oberen Teil die Abbildung einer Dampflok. Rechts von der Wertangabe eingerahmt ist der sechszeilige Text „GÜLTIG/ ZUR ZAHLUNG/ ALLER AN DIE/ EISENBAHNEN/ GESCHULDETEN/ BETRÄGE“ zu lesen, links entsprechend in französischer Sprache.


Die Rückseite der Bons zeigt im Unterdruck "Vater Rhein" vor einer Ansicht der Stadt Mainz vom Rhein her gesehen. Weiterhin enthalten ist die Strafandrohung in französischer und deutscher Sprache: „Wer Gutscheine nachmacht oder nachgemachte in Verkehr bringt, wird mit der von der Hohen Interalliierten Rheinlandkommission verhängten Strafe belegt“.


RÉGIE DES CHEMINS DE FER DES TERRITOIRES OCCUPÉS, Bon pour 0,05 Francs, ausgegeben am 11. November 1923, Vorder- und Rückseite.


Die Transportbons konnten mit französischen oder anderen Devisen gekauft werden, jedoch nur zu einem beschränkten Teil mit Papiermark. Diese Einschränkung ist nach der Stabilisierung der Papiermark in den ersten Dezembertagen 1923 wieder aufgehoben worden, da diese nach der Währungsreform keine Kursverluste mehr erlitt.


RÉGIE DES CHEMINS DE FER DES TERRITOIRES OCCUPÉS, Bon pour 0,10 Francs, ausgegeben am 11. November 1923, Vorder- und Rückseite.


Der damalige Reichsbankpräsident Hjalmar Schacht bemerkte zu den RÉGIE-Franken:

„Insgesamt dürften einige hundert Millionen Franken ausgegeben worden sein. Der Verkehr nahm diese Regiefranken in derselben Weise auf, wie die französischen Franken, und sie bürgerten sich in den Zahlungsumlauf des kleinen Verkehrs ein in weit höherem Umfange, als die eigentliche Verwendbarkeit in ihrer Beschränkung als Eisenbahnzahlungsmittel gestattet hätte."

RÉGIE DES CHEMINS DE FER DES TERRITOIRES OCCUPÉS, Bon pour 0,25 Francs, ausgegeben am 11. November 1923, Vorder- und Rückseite.


RÉGIE DES CHEMINS DE FER DES TERRITOIRES OCCUPÉS, Bon pour 0,50 Francs, ausgegeben am 11. November 1923, Vorder- und Rückseite.


RÉGIE DES CHEMINS DE FER DES TERRITOIRES OCCUPÉS, Bon pour 1 Franc, ausgegeben am 11. November 1923, Vorder- und Rückseite.


RÉGIE DES CHEMINS DE FER DES TERRITOIRES OCCUPÉS, Bon pour 5 Francs, ausgegeben am 11. November 1923, Vorderseite.


RÉGIE DES CHEMINS DE FER DES TERRITOIRES OCCUPÉS, Bon pour 10 Francs, ausgegeben am 11. November 1923, Vorderseite eines Musterscheins.


RÉGIE DES CHEMINS DE FER DES TERRITOIRES OCCUPÉS, Bon pour 20 Francs, ausgegeben am 11. November 1923, Vorderseite.


RÉGIE DES CHEMINS DE FER DES TERRITOIRES OCCUPÉS, Bon pour 50 Francs, ausgegeben am 11. November 1923, Vorderseite eines Musterscheins.


RÉGIE DES CHEMINS DE FER DES TERRITOIRES OCCUPÉS, Bon pour 100 Francs, ausgegeben am 11. November 1923, Vorder- und Rückseite.


Nach der Unterzeichnung des Londoner Abkommens vom August 1924 und der damit erfolgten Zurückführung der Eisenbahnen des besetzten Gebiets unter die deutsche Verwaltung verlor der RÉGIE-Franken seine Existenzberechtigung und wurde auf Grund eines von der Deutschen Reichsbahn mit der französischen Regie geschlossenen Abkommens eingelöst. Danach wurden RÉGIE-Franken im Wert bis zu fünf Franken in der Zeit vom

24. November bis 15. Dezember 1924 von den Kassen der Deutschen Reichsbahn und solche im Wert über fünf Franken vom Abwicklungsdienst der RÉGIE selbst eingelöst. Die Einlösung erfolgte in Reichsmark zu einem von der Internationalen Rheinlandkommission (I.A.R.K.) bestimmten Wechselkurs. Der erstmalige Kurs betrug 4,4488 Franken für 1 Reichsmark.


Hans-Georg Glasemann


Anmerkungen

* Zum „besetzten Gebiet“ gehörten im Herbst 1923: der gesamte linksrheinische Raum, das sogenannte „Sanktionsgebiet“ etwa identisch mit dem nördlichen Teil der rechtsrheinischen Provinz Rheinland; das sogenannte „Ruhr-Einbruchsgebiet“, das im Norden bis Haltern, im Osten bis hinter Dortmund und im Süden bis kurz vor Hagen reichte, ferner große Teile des Bergischen Landes nördlich, östlich und südöstlich von Köln und einige Brückenköpfe, von denen die am weitesten in das unbesetzte Gebiet hineinragenden die von Koblenz (bis Diez) und von Mainz (bis kurz vor Frankfurt am Main) waren. Politisch betrachtet umfasste es die gesamte Bayerische Pfalz, fast die gesamte Rheinprovinz, das zu Oldenburg gehörende Land Birkenfeld, wesentliche Teile der Provinz Westfalen und kleinere Teile von Hessen und von Hessen-Nassau.

** I.A.R.K.: Der Interalliierte Hohe Ausschuss für die Rheinlande, auch als Interalliierte Rheinlandkommission (IRKO oder IARK) bezeichnet, war eine nach dem Ende des Ersten Weltkriegs ab 1920 im Rheinland bestehende Institution der vier alliierten Besatzungsmächte Frankreich, Belgien, USA und Großbritannien mit Sitz in Koblenz. Sie fungierte in den aufgrund des Friedensvertrags von Versailles und des zugehörigen Rheinlandabkommens besetzten Gebieten des Rheinlandes als oberste Verwaltungsbehörde. Angelehnt an Rheinbrückenköpfe wurden drei Besatzungszonen gebildet: Eine britische Zone mit Sitz in Köln, eine US-amerikanische Zone mit Sitz in Koblenz und eine französisch-belgische Zone mit Sitz in Mainz. Die Kommission konnte Ordonnanzen (Verordnungen) erlassen, die vor allem die Sicherheit und den Unterhalt der Besatzungstruppen sowie die Aufrechterhaltung des öffentlichen Lebens sicherstellen sollten. Sie war gegenüber den deutschen Behörden in den besetzten Gebieten weisungsberechtigt, deutsche Gesetze und Verordnungen mussten durch die Kommission genehmigt werden. Verstöße gegen die Anweisungen der Kommission waren strafbar.


Literaturhinweis (Daten und Texte teilweise entnommen): Wilhelmy, Rudolf: Geschichte des deutschen wertbeständigen Notgeldes von 1923/1924, Dissertation, Berlin, 1962 und Bronnert, Uwe: Die Regiefranken der Régie des Chemins de Fer des Territoires Occupés 1923/24, 22. Juni 2021 in Geldscheine-Online.


Literaturempfehlung:


Hans-Ludwig Grabowski:

Die deutschen Banknoten ab 1871

Das Papiergeld der deutschen Notenbanken, Staatspapiergeld, Kolonial- und Besatzungsausgaben, deutsche Nebengebiete und geldscheinähnliche Wertpapiere und Gutscheine


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