Auf der letzten Papiergeldbörse in Valkenburg habe ich zwei kleine, irgendwie alt aussehende Geldscheine über 10 und 20 Centavos gesehen. Die Betitelung lautet „Empresa Colonizadora del Budi“. Ich kannte sie nicht, sie schienen mir aber interessant und deshalb ich habe sie gekauft.
Ich habe die Scheine verschiedenen, auf der Börse anwesenden Händlern aus Südamerika gezeigt, aber keiner kannte sie. Doch ich erfuhr, „Budi“ sei ein See in Südchile (der einzige Salzsee Südamerikas).
Lage des "Lago Budi" mit seinen rund 56 Quadratkilometern im Süden Chiles. Quelle: https://es.wikipedia.org/wiki/Lago_Budi.
"Lago Budi" , Quelle: https://es.wikipedia.org/wiki/Lago_Budi.
Vor ein paar Tagen fielen mir die Scheine wieder in die Hände und ich habe versucht, im Internet etwas über die „Empresa Colonizadora del Budi“ herauszufinden.
Folgendes konnte ich ermitteln:
Das Unternehmen („empresa“ bedeutet „Unternehmen“) wurde am 23. August 1902 gegründet, und lag in den Händen eines Francisco Ruiz Sánchez. Am 20. September 1910 wurde daraus das Unternehmen Eleuterio Domínguez y Cia., das auch auf den vorliegenden Scheinen genannt ist. Aber was hatte es mit diesem Unternehmen auf sich, warum hieß es „colonizadora“ (was „kolonisierend“ bedeutet)?
Die Gegend um den Budi-See in Südchile war seit Jahrhunderten von den Mapuche bewohnt, einem indigenen Volk. Um 1900 gab es auch einige aus Europa stammende Siedler, die sich dort niedergelassen hatten und friedlich mit den Mapuche lebten.
Im Jahr 1902 wurde die „empresa colonizadora del Budi“ gegründet, durch ein Dekret vom 23. August 1902 erhielt das Unternehmen, das Francisco Sánchez und einem Eleuterio Dominguez gehörte, 60.000 ha Land am Budi-See, mit der Auflage, dieses zu „kolonisieren“. Die Firma rekrutierte hierzu 88 Familien, die dort siedeln sollten.
Die ersten Familien starteten am 4. Oktober 1903 Richtung Budi-See. Damals war es nicht leicht, von Santiago aus dorthin zu kommen. Mit einem Dampfer kam man Anfang November in Talcahuano an, dann ging es mit dem Zug weiter nach Nueva Imperial, später gelangten die Familien in Konvois nach Carahue, von dort ging es erneut mit einem Dampfer weiter, nach Bajo Imperial.
Die schon dort wohnenden Siedler empfingen die Neuen mit Begeisterung, auch die Mapuche zeigten sich freundlich. Doch schon bald gab es Probleme. Auf den Gebieten, wo die Familien siedeln sollten, gab es schon Siedler, die zehn Jahre zuvor hier ihre Farmen errichtet hatten, aber auch Mapuche lebten dort. Eleuterio Dominguez nahm darauf keine Rücksicht, er zwang alle, das Gebiet zu verlassen. Ging jemand nicht freiwillig, ließ er dessen Farm niederbrennen, konfiszierte das Vieh und die Ernte. Aber bald gab es auch große Probleme zwischen Eleuterio Dominguez und den Familien, die er dorthin gebracht hatte, weil Dominguez die abgeschlossenen Verträge einfach nicht einhielt. Wenn eine der von ihm mitgebrachten Familien aufgeben und zurückkehren wollte, so hinderte Dominguez sie daran. Manche versuchten zu fliehen, aber Dominguez ließ sie durch bewaffnete Wächter verfolgen und warf sie in ein von ihm errichtetes Gefängnis.
Damit die auf der Empressa Colonizadora del Budi Arbeitenden kein im ganzen Land gültiges Geld horten und damit eventuell ihre Flucht bezahlen konnten, gab Dominguez eigenes Geld aus, mit dem man in allen Geschäften auf dem Siedlungsareal Waren kaufen konnte.
Ein gewisser José Miguel Varela, vom Präsidenten Rescio zum Bürgermeister von Cautín ernannt, sandte dem Innenministerium ein Telegramm, dass er gegen Dominguez vorgehen wolle. Er habe eine Kavallerie zusammengestellt und wolle Dominguez und seine Helfer vertreiben. Die Antwort des Innenministeriums aber war: „Tun Sie nichts! Lassen Sie alles so, wie es ist!“ Daraufhin trat Varela zurück („aus persönlichen Gründen“) und wurde von Präsident Riesco durch Temístocles Urrutia ersetzt, der Dominguez sehr freundlich gesinnt war.
1907 erhielt Eleuterio Dominguez als „Dank für seine Siedlungstätigkeit“ vom Staat weitere 42.000 ha Land geschenkt. Dominguez errichtete hier die Hacienda del Budi, damals die größte Farm in Südchile. 1912 starb Dominguez. Seine Erben verkauften alles, die neuen Besitzer gründeten die Sociedad Agrícola del Budi.
Noch heute gibt es am Budi-See eine kleine Ortschaft, die Puerto Dominguez heißt.
Zum Schluss möchte ich noch Herrn Daniel Nieber danken, der meine Aufmerksamkeit auf eine chilenische Website lenkte.
Erwin Beyer
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