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AutorenbildHans-Ludwig Grabowski

Erfahrungen zur bewussten Einbeziehung der Numismatik in den Bildungs- und Erziehungsprozess

Vorwort

Passend zu unserer Aktion für die Nachwuchsförderung "Geldscheine im Geschichtsunterricht" schickte uns Herr Gaitzsch eine Auswahl von Geldscheinen und seine Geschichte zu einer von ihm geleiteten Aktion mit gleichem Ziel an einer Berufsschule in Leipzig in der damaligen DDR.


Nach meiner Ausbildung als Bankkaufmann bei der Deutschen Notenbank in Leipzig und Studium der Wirtschaftspädagogik an der Humboldt-Universität zu Berlin war ich 35 Jahre lang als Berufsschullehrer an der KBS I Leipzig (davon 1980 bis 1992 als Schulleiter) tätig.

An dieser Berufsschule erhielten etwa 1400 Lehrlinge in den Grundberufen Finanz- und Wirtschaftskaufmann ihre berufstheoretische Ausbildung.

Zu DDR-Zeiten wurde auch die außerunterrichtliche Tätigkeit in Form von Zirkeln zur sportlichen und kulturellen Betätigung als sinnvolle Freizeitgestaltung gefördert. So gründete ich 1975 an der Schule einen Geldzeichen-Zirkel, der schnell Zuspruch unter den Schülern fand. Jeden Mittwoch fanden nach der Schule von 15 bis maximal 17 Uhr Zusammenkünfte in zwei Teilnehmergruppen (14-tägig wechselnd) statt. Neben Unterweisungen zu numismatischen Themen, wurden einmal Anregungen zum Anlegen einer eigenen Geldscheinsammlung vermittelt und andererseits gemeinsam thematische Geldzeichen-Exponate gestaltet. Mit diesen nahmen wir dann an numismatischen Ausstellungen des Kulturbunds teil. Hier erhielten wir für die Objekte "Die Welt im Spiegel der Banknoten – Die Bedeutung der Währungsnamen", "Leipziger Notgeld von 1920 bis 1923" und "Inflation von 1914/23 – Die Entwicklung der Preise und Tarife" (dargestellt anhand von Geldscheinen mit steigenden Nominalen) Gold-, Silber- und Bronzemedaillen.


Zirkelarbeit um 1980.


Wir unternahmen vom Schulamt finanzierte Exkursionen in das Berliner und Dresdener Münzkabinett sowie in die Numismatik-Abteilung des Nationalmuseums in Prag. Dort holten wir uns Anregungen für den Aufbau und die Ausgestaltung eines eigenen "Unterrichtskabinetts Finanzen" im Raum 306 unserer Schule. Hier wurden Geldzeichen und andere Wertpapiere aus über 100 Ländern in neun vom Kulturbund gestifteten Vitrinen, sieben Anschauungstafeln und vier Konsolen gezeigt. Es war das einzige Fachkabinett dieser Art an einer Schule in der DDR und wurde von den Lehrern unserer und anderer Bildungseinrichtungen mit ihren Klassen für den Ökonomie-Unterricht genutzt. Als ständige Ausstellung hatten wir jährlich zahlreiche Besucher aus Nah und Fern. Wir bekamen sogar Besuch von einem Bereichsleiter Geldzeichen der Staatsbank der DDR, einer Delegation von Pädagogen aus der damaligen Tschechoslowakei und dem Staatssekretär für Berufsbildung der Sowjetunion, der sich zu einem Informationsbesuch zum Bildungswesen der DDR in Leipzig aufhielt.


Eine Schulgruppe aus einem Leipziger Gymnasium (damals als EOS bezeichnet), Führung um 1980 im Finanzkabinett.


Höhepunkt unserer Zirkelarbeit war aber die Teilnahme an der MMM 1979 (Messe der Meister von Morgen, vergleichbar mit "Jugend forscht" in der heutigen Zeit). Für unser Exponat "Finanzkabinett mit einem Unterrichtsmittelkomplex zum Thema Geld" wurde der Geldzeichen-Zirkel der KBS I Leipzig mit einer Goldmedaille ausgezeichnet.

Auf der letzten offenen Jugendmünzausstellung der DDR im Oktober 1989 in Mühlhausen/Thür. erhielt der Zirkel für sein Exponat "1000-Mark-Banknote vom 15.09.1922 und ihre Varianten" noch einmal eine Goldmedaille.


Mitglieder des Geldzeichen-Zirkels um 1980.


Seit 1970 war ich Mitglied des Kulturbunds, Fachgruppe Numismatik Leipzig West (heute Mitglied im DGW e.V.), wurde Leiter einer Jugendgruppe, bestehend aus 16 Teilnehmern meines Geldzeichen-Zirkels, die nach Abschluss ihrer Ausbildung ihr neues Hobby weiter pflegten.

Ende der 1980er Jahre hatte ich meine Erfahrungen in einer Berufspädagogischen Lesung (Neuerer-Bewegung der Pädagogen) zum Thema "Die bewusste Einbeziehung der Numismatik in den ökonomischen Unterricht der kaufmännischen Berufsausbildung und der außerunterrichtlichen Zirkeltätigkeit" gehalten, die vom Staatssekretär für Berufsbildung ausgezeichnet wurde.

Nach der Wiedervereinigung verloren die meisten Jugendlichen das Interesse an solcher Zirkelarbeit und unabhängig davon wurde auch deren finanzielle Unterstützung vom Schulamt eingestellt. Dies ist auch ein Grund, das heute numismatische Vereine in ganz Deutschland überaltert und kaum noch Jugendliche unter dem Nachwuchs zu finden sind.

So bleibt mir die Freude, dass zwei meiner Bücher ("Das Geld der Leipziger – Vom Mittelalter bis zur Gegenwart" und "Der Harz im Spiegel des Notgeldes von 1917 bis 1923") in zwei Schulbibliotheken zu finden sind und das erstere sogar von einem Lehrer in das Fach "Wirtschaftslehre" einbezogen wurde.

Im Herbst 2021 wird mein neues Buch "Goethe und das Geld" ebenfalls beim Eudora-Verlag Leipzig erscheinen und es bleibt die Hoffnung, dass sich Jugendliche wieder etwas mehr dem lehrreichen Hobby Numismatik zuwenden.

Zur Zeit arbeite ich an einer "Methodischen Empfehlung zur bewussten Einbeziehung von Geldzeichen in den Unterricht" (Arbeitstitel). Hier sollen neben der Bedeutung der Numismatik für den Bildungs- und Erziehungsprozess (Theoretischer Teil) auch konkrete Hinweise, wie die Einbeziehung von Geldscheinen als Anschauungsmaterial bei der Einführung und/oder Stoffvermittlung in fast allen Unterrichtsfächern (differenziert nach Klassenstufen) erfolgen.


Hans-Volkmar Gaitzsch

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