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AutorenbildKarlheinz Walz

Fälscher & Falschgeld: Teil 50

Geschichten, die Geschichte machten, Teil 7:

Dollars make the world go round – Greenbacks für den Moskauer Fünfjahresplan




Franz Fischer, der unter dem Alias-Namen Franz Voigt für die Verteilung der Moskauer Blüten sorgte.


Als Ende der 1940er Jahre in vielen westlichen Staaten ungewöhnlich gute Fälschungen von 100-Dollar-Noten auftauchten, die alle aus derselben Quelle zu stammen schienen, lebten alte Gerüchte wieder auf und wollten bis in die frühen 1950er Jahre hinein nicht wieder verstummen. Nämlich die, dass die im Konzentrationslager Sachsenhausen hergestellten und dann bei Kriegsende auf wundersame Weise spurlos verschwundenen Dollar-Druckplatten 1945 in die Hände der Sowjets gefallen seien.



Nun, so wollten die Gerüchte weiter wissen, würden seit etwa 1947 exzellente Dollarfälschungen von Moskau aus ihren Weg in die Welt nehmen. Ganz von der Hand zu weisen waren diese hinter vorgehaltener Hand erzählten Geschichten, Moskau würde Dollar-Falschgeld drucken, nicht. Schon kurz nach Kriegsende gelangte dem amerikanischen Militärgeheimdienst C.I.C. (Counter Intelligence Corps) zur Kenntnis, dass die Sowjets alle ihre Verbindungen spielen ließen, um zu erfahren, wo sich die Dollar-Druckplatten befanden.

Alle Agenten des Geheimdienstes NKWD, der Vorläuferorganisation des späteren KGB, waren auf die Sache angesetzt und hatten Order, die Platten aufzuspüren und in Moskau abzuliefern. Zudem war der so genannte Kalte Krieg nunmehr in vollem Gange, die einstigen Alliierten USA und Sowjetunion waren nun erbitterte Gegner. Die Idee wäre außerdem so neu nicht, denn Ende der in der Sowjetunion gar nicht so goldenen Zwanziger stellte sich heraus, dass die Devisendecke zu knapp war, um die innerhalb des 1928 begonnenen ersten Fünfjahresplans notwendige Einfuhr von Maschinen und Rohstoffen bezahlen zu können. Schon damals hatte der altbewährte lettische Kommunist Alfred Tilden dem Diktator Josef Stalin den Vorschlag unterbreitet, Dollarnoten zu drucken und sie vorzugsweise über China abzusetzen, dessen Finanzsystem und -märkte banktechnisch so gut wie nicht überwacht wurden. Stalin gab sofort begeistert seinen Segen, denn hier ließen sich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Die Sowjetunion konnte ihre Devisenbestände aufstocken und gleichzeitig dem erklärten Klassenfeind USA durch die Fälschung seiner Währung eins auswischen. Sofort wurden die notwendigen Druckmaschinen unauffällig beschafft.


Moskauer 100-Dollar-Fälschung.



Als Vorlage für die Fälschungen Made in Moskau wählte man eine 100-Dollar-Note der Serie 1914, eine Federal Reserve Note im seither üblichen Großformat, die soeben durch neue Noten in verkleinertem Format abgelöst werden sollten. Die besten Moskauer Fachleute nahmen sich der Sache an und – es gelangen ihnen ausgezeichnete Blüten. Schon 1928 tauchten die ersten der Spitzenfälschungen in den USA auf und alarmierten Secret Service und Schatzamt, zumal die falschen Scheine auf echtem Papier gedruckt zu sein schienen.

Das von Moskau zunächst praktizierte Bleichen von Eindollarnoten, bei dem durch Behandeln mit einer bestimmten Chemikalie die Druckfarben verschwinden und makelloses Originalpapier übrig blieb, war auf Dauer aber zu aufwendig, die in großen Mengen benötigten Einernoten zudem schwer zu beschaffen. So traf aus der 10 Jahre zuvor gegründeten Tschechoslowakei eine größere Menge Papier ein, das dem Dollarpapier ziemlich ähnlich war. Die Fälschungen wurden, gleich den echten Dollars, im Tiefdruckverfahren hergestellt, die Graveure, die die Druckplatten dafür gestochen hatten, hatten ausgezeichnete Arbeit geleistet. Insgesamt gesehen wiesen sie zwar eine Menge Unterschiede zu echten 100ern auf, doch es waren Details, von denen die meisten nur mit der Lupe zu entdecken waren. Am auffälligsten waren das in Buchdruck reproduzierte blaue Schatzamtssiegel, das bei echten Dollarnoten im Stahlstich ausgeführt ist und Abweichungen im Porträt Benjamin Franklins, dessen plastische Wirkung der echten Ausführung nicht erreicht wurde. Zudem wiesen die Gesichtszüge an Mund und Nase fehlerhafte Linienführungen auf. Die Falsifikate trugen die Siegel der Federal Reserve Banken von New York, Philadelphia, Cleveland und San Francisco. Ein ursprünglich vom amerikanischen Schatzamt genanntes weiteres Erkennungsmerkmal musste aber bald revidiert werden:

Eine um 3 mm verkürzte Hauptplatte der Vorderseite trat, wie entsprechende Vergleiche von echten Noten ergeben hatten, bei Letzteren genauso häufig auf. Ein Phänomen, das bei dem für diese Scheine angewandten Wet-Intaglio-Verfahren, bei dem auf gefeuchtetes Papier gedruckt wird, oft zu beobachten war und aus dem unterschiedlich starken Zusammenziehen des Papiers nach dem Trocknen resultierte.


Dafür aber waren den Moskauer Druckern offensichtlich die mathematischen Zusammenhänge zwischen dem Kontrollbuchstaben (Check Letter), der sich klein gedruckt links oben und rechts unten auf der Vorderseite befand, und der Seriennummer bekannt. Noten der 1914er Serie wurden zu acht auf einem Bogen gedruckt. Als Check Letter kamen daher die Buchstaben A bis H vor, die die Position des einzelnen Scheins auf dem Druckbogen kennzeichneten. Dividierte man nun die letzten beiden Ziffern der Notennummer durch vier und erhielt man beim Ergebnis als Nachkommastelle 25, musste der Kontrollbuchstabe zwingend A oder E sein. Verblieben 5 nach dem Komma, war es der Buchstabe B oder F, bei 75 musste es C oder G sein. Ging die Division glatt auf, konnte es sich nur um die Check Letter D oder H handeln. Beispiel: Die Notennummer lautete

B 22758450 A. Die letzten beiden Ziffern 50 dividiert durch 4 ergaben 12,5, somit musste der Kontrollbuchstabe B oder F sein. Diese Korrelation zwischen Check Letter und Nummerierung war bei allen Falsifikaten korrekt umgesetzt.


Im Sommer 1929 wurden weitere Stücke dieser Fälschungsklasse angehalten, und schon war eine verbesserte Ausführung dabei, die einige der alten Erkennungsmerkmale nicht mehr aufwies. Auch wusste man nun, dass die falschen Scheine unter anderem auch von Deutschland aus in Umlauf gesetzt wurden, denn im Dezember 1929 kabelte eine New Yorker Bank nach Berlin, dass eine komplette Sendung von 50 Stück Banknoten zu 100 Dollar, die aus Berlin eingetroffen war, ausschließlich aus hervorragenden Fälschungen bestand.

Der Leiter der Falschgeldabteilung bei der Deutschen Reichsbank, Kriminalkommissar Liebermann von Sonnenberg, nahm die Ermittlungen auf. Diese ergaben folgendes:

Am 26. November 1929 verkaufte das angesehene Berliner Bankhaus Sass & Martini, das in der Taubenstraße 23 residierte, einem anderen Bankinstitut in der Reichshauptstadt 50 amerikanische 100-Dollar-Noten. Dieses sendete die Scheine an die National City Bank in New York und erhielt am 23. Dezember die Nachricht, dass sämtliche Scheine gefälscht waren. Sass & Martini hatte die amerikanischen Banknoten von einem seiner Kunden, einem gewissen Franz Voigt, wohnhaft Wilmersdorfer Straße 22, angekauft. Am 10. Dezember erhielt das oben schon genannte Berliner Bankinstitut weitere 19.000 Dollar von der Privatbank Sass & Martini im Tausch gegen englische Pfund und Schweizer Franken. Auch diese Tranche hatte Sass & Martini von seinem Kunden Voigt angekauft und auch diese Noten wurden von einer italienischen Bank, an die sie weiterveräußert worden waren, als Fälschungen erkannt. Die weiteren Ermittlungen ergaben, dass verschiedene Berliner Banken Falschnoten dieser Type in ihren Beständen hatten, und immer wieder tauchten dabei die Namen Franz Voigt sowie Sass & Martini auf. Auch meldeten die Amerikaner, dass diese Fälschungsklasse nun aus nahezu allen europäischen Ländern in die Vereinigten Staaten strömte. Dort hatte man sich anfangs über das gehäufte Vorkommen dieses Notentyps gewundert, der ja nicht mehr nachgedruckt wurde, sondern durch die neuen Small-sized-Scheine ersetzt worden war, bis die überwiegende Mehrzahl der an die Federal Reserve Banken zurückfließenden Scheine als falsch erkannt wurden. Auch aus Mexiko und Shanghai wurde dieser Fälschungstyp nun vermehrt gemeldet.


Diese Vergrößerungen vermitteln einen Eindruck von der ausgezeichneten Qualität der in Moskau hergestellten Fälschungen (links die Fälschung, rechts Original).


Warum aber wurden die Blüten nicht schon bei Sass & Martini als solche identifiziert?

Man munkelte, dass die an dem 1846 gegründeten Bankhaus mehrheitlich Beteiligten gute Beziehungen nach Moskau hätten..... Das Kreditinstitut hatte nämlich in den vergangenen Jahren mehrmals den Besitzer gewechselt. So kam der Verdacht auf, dass die Bank als Umschlagplatz für die falschen Dollars fungierte und dass Letztere aus dem Kreml kommen könnten. Zu beweisen war allerdings nichts. Der angebliche Franz Voigt wurde schließlich als der am 21. Oktober 1895 in Berlin-Schöneberg geborene Franz Fischer identifiziert. Er übte mehrere Berufe aus, so war er als Tapezierer, Bauzeichner und Kaufmann tätig, bis er im Jahre 1925 eine Anstellung in der sowjetischen Handelsvertretung erhalten hatte. Dieser Arbeitgeber entsprach nun eher seiner politischen Einstellung, denn Fischer war seit langem überzeugter Kommunist. 1927 und 1928 bereiste er im Auftrag der Russen die Schweiz und Österreich, in letzterem Land lebte er sogar bis 1929. Danach war er noch in Russland gewesen, wo er wahrscheinlich auf seine neue Aufgabe als Falschgeldverbreiter vorbereitet wurde. Fischer wurde zur Fahndung ausgeschrieben, doch er kehrte nicht mehr in seine Berliner Wohnung zurück. Er tauchte zwar noch in verschiedenen europäischen Ländern auf und versuchte, bei Kreditinstituten seine Falsifikate an den Mann zu bringen, doch dann verschwand er spurlos. Angeblich war er in die Sowjetunion geflüchtet. Gerüchten zufolge soll er dort aber nicht den erwarteten Lohn für seine Bemühungen empfangen haben, sondern nach Sibirien verbannt worden sein. Ein lästiger Mitwisser sollte wohl von der Bildfläche verschwinden. Genaueres wusste man nicht, auch die Ermittlungen des deutschen Kommissars Liebermann verliefen im Sande. Die Hersteller und die Hintergründe dieser falschen Dollars konnte er von Berlin aus zu diesem Zeitpunkt nicht beweissicher feststellen. Der Falschgeldregen ergoss sich noch einige Monate über Europa und die USA. Ein Mann hätte rund zehn Jahre später genauere Aufklärung über diese Fälschungsaffäre liefern können: Igor Kriwitzky, Chef der sowjetischen Militärspionage für Europa, der 1939 in den Westen flüchtete. Doch es war längst Gras über die Sache gewachsen, Hitlerdeutschland war zudem gerade dabei, die Welt anzuzünden und niemand interessierte sich mehr für die Äußerungen des Geheimdienstoffiziers und die Geschichte der falschen Dollars aus Moskau.


Karlheinz Walz


Fortsetzung folgt …




Karlheinz Walz: Fälscher & Falschgeld,

280 Seiten, Hardcover, ISBN: 978-3-86646-084-3.


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