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Fälschungen zum Nachteil des Sammlers: Eine Reise in die Abgründe der Fälscherseele


Die Fälschung von Papiergeld war und ist ein fester Bestandteil des Geldverkehrs. Die Aussicht auf leichten Profit motivierte immer wieder Fälscher, deren mehr oder weniger gelungene Erzeugnisse in zahlreichen Sammlungen zu finden sind. Zu jeder Zeit war die Geldfälschung ein gefährliches Verbrechen, gegen das sich leichtgläubige und unerfahrene Menschen nur schwer wehren konnten. Für Sammler hingegen können zeitgenössische Fälschungen zu interessanten Ergänzungen einer Sammlung oder sogar zu einem eigenen Sammel­gebiet werden. Außerdem ermöglicht der direkte Vergleich der Fälschung mit dem Original eine genauere Untersuchung des Papiers, der Drucktechniken und der Sicherheitsmerkmale. Das berühmteste Beispiel auf dem Gebiet der Tschechoslowakei ist die Fälschung der Staatsnote zu 500 Kronen der 1. Ausgabe aus dem Jahr 1919 im Zusammenhang mit der „Dr. Meszaros-Affäre“, die in den meisten Sammlungen fortgeschrittener tschechischer Sammler nicht fehlen dürfte.


Ein ganzes Kapitel in einem der grund­legenden Werke des Pioniers der tschechoslowakischen Notaphilie, Julius Sém, ist der Fälschung oder Manipulation von Papiergeld gewidmet, in dem die Motive der Fälscher, die Methoden der Verbreitung von Fälschungen, die Methodik ihrer Erkennung und Klassifizierung sowie der Kampf gegen sie detailliert beschrieben werden. Bohuslav Hlinka hat dasselbe Thema auch in Form von Sachbüchern in fast hundert fesselnden Geschichten über rekonstruierte Fälle von Fälschungen tschechoslowakischer Geldscheine oder auf tschechoslowakischem Gebiet gefälschter Banknoten behandelt. Die Geldfälschung als kriminelle Tätigkeit wird auch in einem Artikel von Zdeněk Lesák in einer der ersten Ausgaben der Zeitschrift „Notafilie“ behandelt. Es ist nicht verwunderlich, dass sich eine strenge Verurteilung jeglicher Fälschungsaktivitäten wie ein roter Faden durch all diese Werke zieht, denn durch sie wird auf Kosten des Ahnungslosen (oder desjenigen, der den „Schwarzen Peter“ in der Hand hält, wenn die Fälschung erkannt wird) eine illegale Bereicherung erzielt.


So viel zum Thema Fälschungen zum Nachteil des Umlaufs. Aber wie der Titel schon sagt, geht es in diesem Artikel um Fälschungen zum Nachteil des Sammlers. Das ist ein relativ vernachlässigter Teil des modernen Sammlerphänomens. Das Motiv des Fälschers und der Modus Operandi sind ähnlich wie bei den zeitgenössischen Fälschungen. Mit Bedacht und unter Einsatz der verfügbaren Mittel wird eine Fälschung mit einem angenommenen Sammlerwert hergestellt. Die Zielgruppe der Betrogenen sind ausschließlich Sammler bzw. heute typische Anleger mit geringer Sammlererfahrung. Die klassische Fälschung zum Nachteil des Umlaufs ist technisch schwieriger herzustellen und wird mit hoher Wahrscheinlichkeit von Spezialisten entdeckt. Die entsprechenden Strafen sind in der Regel sehr hart. Ein Fälscher zum Nachteil des Sammlers geht dagegen in jeder Hinsicht ein unvergleichlich geringeres Risiko ein. Bei einer gut durchdachten Strategie kann der wirtschaftliche Gewinn für den Betrüger beträchtlich sein, andererseits ist der finanzielle Schaden erheblich, oft noch verstärkt durch die lange Verzögerung des späteren Verkaufs der Sammlung, was umso heimtückischer ist. Die anschließende Frustration kann dazu führen, dass das Interesse an der Notaphilie komplett verloren geht. Das eklatanteste Beispiel aus jüngster Zeit ist die Fälschung der Ikone der tschechoslowakischen Notaphilie, der Staatsnote zu 5000 Kronen der 1. Ausgabe aus dem Jahr 1919. Hier haben sich die modernen Betrüger nicht nur auf die Fälschung des Originalscheins konzentriert, sondern inzwischen auch auf Fälschungen zeitgenössischer Fälschungen! Beide wurden auf eine Art und Weise verbreitet, die mögliche strafrechtliche Sanktionen im Falle einer Entdeckung auf subtile Weise umging. Leider ist dies eine ernüchternde Geschichte, bei der man nur spekulieren kann, wie viele Fälschungen noch in den Alben ahnungsloser Anleger ruhen.



Falscher Stempel „Bankamt des Finanzministeriums, Prag“.
Falscher Stempel „Bankamt des Finanzministeriums, Prag“.
Tschechoslowakische Briefmarke von 1919 mit falschem Stempel „Bankamt des Finanzministe­riums, Prag“ auf einer Banknote zu 20 Kronen der Oesterreichisch-ungarischen Bank von 1913.
Tschechoslowakische Briefmarke von 1919 mit falschem Stempel „Bankamt des Finanzministe­riums, Prag“ auf einer Banknote zu 20 Kronen der Oesterreichisch-ungarischen Bank von 1913.

Tschechoslowakisches Gefängnisgeld über 1 Krone mit falschem Stempel „N.V.Ú (Strafvollzugsanstalt) Bélusice“.
Tschechoslowakisches Gefängnisgeld über 1 Krone mit falschem Stempel „N.V.Ú (Strafvollzugsanstalt) Bélusice“.

Die meisten von uns sind wahrscheinlich schon einmal auf Fälschungen zum Nachteil des Sammlers gestoßen. Ein gängiges Beispiel sind die ersten, mit Marken versehenen tschechoslowakischen Geldscheine aus dem Jahr 1919 oder die Bank­noten nach der Währungstrennung im Jahr 1993 (überklebte Marken auf besser erhaltenen Banknoten oder selteneren älteren Varianten). Viel gefährlicher sind 10 Heller- und 1-Krone-Marken von 1919 mit falscher Zähnung. Bei den heutigen technischen Möglichkeiten ist immer Vorsicht und ein gesundes Maß an Skepsis geboten.


Der folgende Fall bietet die einmalige Gelegenheit, in die (buchstäblichen) Tiefen der Seele eines Fälschers zu blicken. Zunächst möchte ich Herrn Vladimír Kejla aus Ostrava meinen aufrichtigen Dank aussprechen.

In einem Erbfall in Ostrava wurde umfangreiches Fälschungsmaterial entdeckt, das die Ausstattung einer ausgeklügelten Werkstatt darstellte, die sich ausschließlich auf Fälschungen zum Nachteil des Sammlers konzentriert hatte. Die Möglichkeit, die Fälscherutensilien im Detail zu studieren, hat es ermöglicht, den Fall zu dokumentieren.


Abdruck eines Stempels „Die Bank der jüdischen Selbstverwaltung, Theresienstadt“. Auffällig der Fehler „Kontroll“ statt richtig „Kontrolle“.
Abdruck eines Stempels „Die Bank der jüdischen Selbstverwaltung, Theresienstadt“. Auffällig der Fehler „Kontroll“ statt richtig „Kontrolle“.

Foto des Stempels.
Foto des Stempels.
Stempel aufgebracht auf einer echten Quittung über 1 Krone aus Theresienstadt.
Stempel aufgebracht auf einer echten Quittung über 1 Krone aus Theresienstadt.

Das gefundene Material besteht aus mehr als 40 Stempeln und etwa 100 gestempelten notaphilen Objekten, die für den Weiterverkauf als „Originale“ bestimmt waren. Ein kleinerer Teil stellen Material- und Farbproben dar. Es gibt auch Exemplare, bei denen die ideale Platzierung scheinbar unterschiedlicher Stempel auf verschiedenen Untergründen getestet wurde, um bei den Manipulationen ein Höchstmaß an „Authentizität“ zu erreichen. Einige der „Machwerke“ wurden noch in der Plastikhülle aufbewahrt, in der sie zum Verkauf angeboten wurden, d. h. mit einem Etikett, das eine Beschreibung des Scheins und den angebotenen Preis enthielt. Einige der Etiketten wiesen ursprünglich auf Objekte verschiedener tschechischer Händler und Auktionshäuser hin, wobei von Hand ein zusätzlicher Text hinzugefügt wurde, um den Stempel und den verlangten Verkaufspreis anzugeben. Das Ganze erweckt den Eindruck von Glaubwürdigkeit, da der Name des Auktionshauses und die Artikelnummer beim Käufer unbewusst Vertrauen und den Anschein von Echtheit erwecken können. Nur wenige Sammler werden anschließend prüfen, ob die Beschreibung in der Auktion genau mit dem gekauften Stück übereinstimmt. Die meisten Sammler werden die Hülle einfach wegwerfen und die Neuerwerbung freudig in ihre Sammlung aufnehmen.


Falscher Stempel des Ghettos Litzmannstadt.
Falscher Stempel des Ghettos Litzmannstadt.
Falscher Stempel aufgedruckt auf Pappe, um einen Gutschein über 10 Pfennig des Ghettos Litzmannstadt nachzuahmen.
Falscher Stempel aufgedruckt auf Pappe, um einen Gutschein über 10 Pfennig des Ghettos Litzmannstadt nachzuahmen.

Die größte Überraschung war jedoch die Entdeckung eines vierzeiligen Stempels aus dem Ghetto Theresienstadt. Damit bestätigte sich endgültig der Verdacht, dass es sich bei den so gestempelten Belegen der jüdischen Ghettoverwaltung um Manipulationen handelt. Sie tauchten erstmals nach der Jahrtausendwende auf in- und ausländischen Auktionen und gelegentlich auch auf Börsen auf. Der Stempel wurde wahrscheinlich zwischen 1996 und 2000 hergestellt, weil die Stempel in dem ausführlichen Artikel von Zbyšek Šustek aus dem Jahr 1995[4] noch nicht erwähnt wurden. Von Anfang an wurden diese Scheine von einem gewissen Misstrauen begleitet, das noch verstärkt wurde, weil der Stempel auf keinem anderen zeitgenössischen Dokument auftauchte und damit ungewöhnlich und verdächtig war. Ich erinnere mich, wie mich mein Kollege Jiří Schneider aus Berlin auf einen Fehler in der ersten Zeile des Textes aufmerksam machte, wo „KONTROLL“ und nicht der grammatikalisch richtige Begriff „KONTROLLE“ steht. Trotz einiger Verdachtsmomente tauchten immer wieder gestempelte Belege aller Werte auf und wurden für beträchtliche Summen verkauft. Wie groß die Gefahr solcher Manipulationen ist, zeigt der Umstand, dass Grabowski in seinem umfangreichen Katalog über Geld von Konzentrationslagern und Ghettos den gestempelten 1-Kronen-Schein als Variante aufführt.


Die physische Existenz des Stempels ist der Beweis, der das Rätsel schließlich löste. Infolge jahrelanger Fälschungsaktivitäten wurde eine beträchtliche Anzahl von Originalbelegen quasi entwertet, die heute als Sammlerstücke wertlos sind. Als Vorsichtsmaßnahme gegen künftigen Missbrauch sollten sie jetzt wahrscheinlich als Fälschungen gekennzeichnet werden.


Die vorangegangene Geschichte mit dem gefälschten Stempel ist ein klassisches Lehrbuchbeispiel. Es ist kein Zufall, dass die Theresienstädter Belege ausgewählt wurden. Der Stempel wurde nicht von einem Amateur hergestellt. Die entstandene Manipulation war nicht in erster Linie für tschechische Sammler bestimmt. Die Zielgruppe waren ausländische Händler und Sammler. Alle Belege mit einem Bezug zum Holocaust haben in Deutschland, in Israel und den USA ein erhebliches Sammler- und Wertsteigerungspotenzial.

Kehren wir nun zu dem Schuhkarton voller Stempel aus dem Erbfall zurück, um die Gefahren der Fälschung zum Nachteil des Sammlers in aller Deutlichkeit darzustellen. Bei mehr als der Hälfte der Stempel handelt es sich um zielgerichtete Fälschungen nach realen Vorbildern, sei es, dass sie versuchen, exakte Kopien zu sein, oder dass sie lediglich von ihnen inspiriert sind. Bei den übrigen handelt es sich um ausgewählte zeitgenössische amtliche Rund- oder Strichmarken, die den Anschein der Authentizität erwecken können.


Falscher Stempel „Konzentrationlager / SS-Kantine / verwaltung“. Form und Schrifttype passen nicht in die Zeit. Auffällig auch hier ein Schreibfehler: „verwaltung“ statt „Verwaltung“.
Falscher Stempel „Konzentrationlager / SS-Kantine / verwaltung“. Form und Schrifttype passen nicht in die Zeit. Auffällig auch hier ein Schreibfehler: „verwaltung“ statt „Verwaltung“.
Fälschung eines Prämienscheins des KL Stutthof.
Fälschung eines Prämienscheins des KL Stutthof.

Falscher Stempel auf einem gefälschten ­Prämienschein des KL Stutthof.
Falscher Stempel auf einem gefälschten ­Prämienschein des KL Stutthof.

Derselbe Stempel auf einem gefälschten ­Prämienschein des KL Dachau.
Derselbe Stempel auf einem gefälschten ­Prämienschein des KL Dachau.

Zur besseren Übersichtlichkeit habe ich die Stempel in mehrere Gruppen unterteilt. An dieser Stelle können nur einige Stempel vorgestellt werden, die auch für deutsche Sammler interessant sind.


Das war’s. Zum Schluss noch ein Dank an Vladimír Kejla in Ostrava. Er hat mich aktiv mit neuen Entdeckungen versorgt, dank derer die ganze Geschichte ungeahnte Ausmaße angenommen hat.


Man sagt nur Gutes über die Toten. Das ist einer der Gründe, warum wir gemeinsam beschlossen haben, hier nicht den Namen des Fälschers zu veröffentlichen.


Pavel Hejzlar, Prag

Übersetzung: Dr. Sven Gerhard


Dieser Beitrag erschien zuerst in tschechischer Sprache in der Zeitschrift „Notafilie“, Ausgabe 44/2024, herausgegeben von der tschechischen numismatischen Gesellschaft. Von den dort veröffentlichten zahlreichen Abbildungen kann hier nur eine Auswahl gezeigt werden.


Anmerkungen

[1] Sém, Julius: Kennenlernen und Sammeln von Papiergeld, ČNS Hradec Králové, 1975 (in tschechischer Sprache).

[2] Hlinka, Bohuslav: Attentate auf Geld, Svoboda Prag, 1987 (in tschechischer Sprache).

[3] Lesák, Zdeněk: Kriminelle Aktivitäten im Zusammenhang mit Geldfälschung in der Tschechoslowakischen Sozialistischen Republik, Notafilie Nr. 13,    KSPP Prag, 1981 (in tschechischer Sprache).

[4] Šustek, Zbyšek: Quittungen der Bank der jüdischen Selbstverwaltung im Ghetto Theresienstadt 1943-1945, Notafilie Nr. 35, KSPP Prag, 1995

[5] Grabowski, Hans-Ludwig, Das Geld des Terrors, Regenstauf, 2008

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