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AutorenbildHans-Ludwig Grabowski

Geld als Kommunikationsmittel: Serienscheine politischer Vereinigungen und Parteien

Aktualisiert: 3. März 2022

Es könnten an dieser Stelle noch zahlreiche andere Beispiele für Serienscheine aufgeführt werden, die sich patriotisch und propagandistisch zeigen, so etwa von ostpreußischen Städten, die die sog. „Russeneinfälle“ zu Beginn des Ersten Weltkriegs thematisieren oder zur „Oberschlesierhilfe“. In der zeitgeschichtlichen Sammlung von Wolfgang Haney finden sich neben klar antisemitischen deutschen und österreichischen Notgeldmotiven aber auch Ausgaben rechter Vereinigungen, die Anfang der 1920er Jahre ebenfalls eigene

Serienscheine ausgaben und an Sammler oder Anhänger verkauften, um auf diese Weise Geld in die Kassen zu bekommen.


Serienschein des Gaues Schlesien von „Der Stahlhelm“ – Bund der Frontsoldaten (Stahlhelm-Bund) über 50 Pfennig vom 2. Mai 1922. (Sammlung des Autors)


Der Stahlhelm-Bund war bereits kurz nach Ende des Ersten Weltkriegs gegründet worden.

Er galt als bewaffneter Arm der Deutschnationalen Volkspartei (DNVP) und stellte vielfach bei Parteiversammlungen den Saalschutz. Die Ausgabe des Gaues Schlesien aus Görlitz umfasst sechs verschiedene Motive. Auf der Rückseite des abgebildeten Scheins sehnt der Text bereits eine starke Führerfigur herbei:

„Was denkst du, Stahlhelmmann?“ – „Nur dass ein Mann – so wie der alte Fritz, stahlhart und wetterfest – uns aus der tiefen Schmach erretten kann!“

Die Rückseite eines Serienscheins des Deutsch­völkischen Schutz- und Trutzbunds zum Rheinischen Gautag in Honnef am Rhein über 10 Mark vom April 1922 zeigt einen Reichsadler, der den jüdischen Einfluss auf die Politik in der „Weimarer Republik“ karikieren soll. (Sammlung Wolfgang Haney, Berlin)


Der Deutsche Schutz- und Trutzbund war im Februar 1919 vom Alldeutschen Verband mit der Aufgabe der Bekämpfung des Judentums gegründet worden. Aus ihm ging durch Zusammenlegung mit dem Deutschvölkischen Bund am 1. Oktober 1919 der Deutschvölkische Schutz- und Trutzbund hervor, der in der jungen „Weimarer Republik“ im Jahr 1922 mit rund 180.000 Mitgliedern zur größten antisemitischen Bewegung wurde. Zu den prominenten Mitgliedern zählten u.a. der spätere Himmler-Stellvertreter Kurt Daluege, der spätere Chef des Reichssicherheitshauptamts Reinhard Heydrich, der spätere Gauleiter von Thüringen und Generalbevollmächtigte für den Arbeitseinsatz Fritz Sauckel sowie Julius Streicher, der 1923 das antisemitische Hetzblatt „Der Stürmer“ gründete.

Im Ostermond (April) 1924 wurden zum Rheinischen Gautag des Schutz- und Trutzbunds

in Honnef am Rhein insgesamt 42 verschiedene Serienscheine ausgegeben, die neben den alten deutschen Farben des Kaiserreichs Schwarz-Weiß-Rot (die Farben der „Weimarer Republik“ Schwarz-Rot-Gold waren damals in breiten Kreisen der Bevölkerung unbeliebt und in national gesonnenen sogar verpönt) auch das Hakenkreuz zeigen. Die Scheine galten nicht als Zahlungsmittel, sondern dienten den Teilnehmern des Gautags zu Sammlerzwecken.

Sie sind heute durchaus selten, da man den kompletten Satz mit gut 5000 Euro Sammlerwert ansetzen kann.


Serienschein der Ortsgruppe Rudolstadt des Schutz- und Trutzbunds über 50 Pfennig ohne Datum (1922) mit dem deutschen Recken, der sich gegen eine mehrköpfige feindliche Schlange wehrt. (Sammlung Wolfgang Haney, Berlin)


Im thüringischen Rudolstadt gab die Ortsgruppe des Schutz- und Trutzbunds 1922 drei Gutscheine aus, von denen hier einer mit Vorder- und Rückseite vorgestellt werden soll.

Ein Stern wird hier nur als uraltes Zunftzeichen der Brauer und Gastwirte akzeptiert.


Werbeschein der Bruderschaft Eisenach des Jungdeutschen Ordens über 25 Mark

ohne Datum. (Fotoarchiv Gietl Verlage)


Neben dem Stahlhelm-Bund gab es eine ganze Reihe von deutschen Kriegerverbänden, die eigenes Propaganda-Notgeld ausgaben. Der größte von ihnen war der Kyffhäuserbund, der 1900 als Dachverband deutscher Kriegervereine gegründet worden war. Auch der Verband

national gesinnter Soldaten, Kriegsbeschädigtenverbände, Jugendorganisationen wie der Jungdeutsche Orden und Parteien wie die Deutschnationale Volkspartei (DNVP) gaben eigene Serienscheine aus.


Gutschein der Werbewoche der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD) in Emden, gültig vom 4. – 11. November 1921. (Fotoarchiv Gietl Verlage)


Dass Geld als Propagandamittel nicht nur von rechtsgerichteten Organisationen und Parteien eingesetzt wurde, belegt der hier abgebildete Gutschein der Sozialdemokratischen Werbe­woche der SPD in Emden vom 9. November 1921 mit Porträt von Karl Marx und dem Reim


„Und immer weiter breitet sich die Wahrheit – Zum Strome wird des Lichtes gold’ner Fluß – Dank dir, Karl Marx! denn du gabst uns die Wahrheit: Das Volk wird siegen, weil es siegen muß!“

Hans-Ludwig Grabowski



Literaturempfehlung:


Hans-Ludwig Grabowski /

Wolfgang Haney (Hrsg.):

"Der Jude nahm uns Silber, Gold und Speck …"


Für politische Zwecke und antisemitische Propaganda genutzte Geldscheine in der Zeit der Weimarer Republik und des Dritten Reichs


Titel: Battenberg Verlag

ISBN: 978-3-86646-122-2

Auflage: 1. Auflage 2015

Format: 17 x 24 cm

Abbildungen: durchgehend farbig

Cover-Typ: Hardcover

Seiten: 280

Preis: 29,90 Euro


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